Harburg. Die S-Bahn-Anbindung des Hamburger Südens brachte Harburg drastische Veränderungen. Warum man nördlich der Elbe trotzdem neidisch war.
- Im Herbst 1983 fuhr die erste S-Bahn vom Hamburger Hauptbahnhof nach Harburg.
- Die Anbindung war für die Menschen südlich der Elbe von großer Bedeutung.
- Die erste Strecke führte von Harburg-Rathaus über Hauptbahnhof und Landungsbrücken bis nach Pinneberg.
Seit 40 Jahren verbindet die S-Bahn die Harburger Innenstadt mit Hamburg – 160.000 Fahrgäste nutzen sie täglich. Das ist ein Grund zum Feiern, fanden S-Bahn und Verkehrsbehörde – und luden am Donnerstag zur großen Jubiläumsfahrt. Eingeladen waren S-Bahn-Mitarbeiter aus den Anfangsjahren und Fahrgäste der ersten Tage.
„Die S-Bahn entlastet das Nadelöhr zwischen Harburg und Hamburg“, zitiert das Hamburger Abendblatt am 24. September 1983 Hamburgs damaligen Ersten Bürgermeister Klaus von Dohnanyi: „Nord und Süd unserer Stadt wachsen zusammen“. Eine historische Ausgabe der Zeitung wurde im Jubiläumszug verteilt, der am Donnerstag und damit 40 Jahre und zwei Wochen später zur Feier der vier Jahrzehnte Harburger S-Bahn fuhr.
40 Jahre S-Bahn Harburg: Jubiläumsfahrt im falschen Zug
Eingeladen zur Jubiläumsfahrt hatten S-Bahn-Chef Kay-Uwe Arnecke und Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), der sich allerdings krankheitsbedingt fernhielt. Staatsrat Martin Bill vertrat ihn.
Wobei: Der Jubiläumszug von Hammerbrook nach Harburg Rathaus war historisch nicht ganz korrekt Zu Anfang fuhren auf der neuen Strecke nur die damals nagelneuen Züge der Baureihe 472. Viele Hamburger waren deshalb neidisch auf die Harburger. Jetzt wurde in einem älteren Zug gefeiert, denn die 472er fuhren alle noch bis 2022. Das Exemplar, das als Museumszug an den Verein historische S-Bahn ging, wird noch aufbereitet.
„Sind dabei, das System leistungsfähiger zu machen“, verspricht der Chef
„Mit der Jubiläumsfahrt erinnern wir an die Bedeutung und Entwicklung der wichtigen S-Bahn-Verbindung in den Hamburger Süden“, sagte Arnecke. „Heute ist Harburg mit täglich rund 200 Zugfahrten pro Richtung an das S-Bahn-Netz angeschlossen und bietet den Fahrgästen eine verlässliche und klimafreundliche Verbindung im Fünf-Minuten-Takt.“
Dass dieser Fünf-Minuten-Takt manchmal unregelmäßig ist und die fünf auch mal acht Minuten lang oder zwei Minuten kurz sein können, oder Züge gar ganz ausfallen, bemängeln allerdings viele Harburger. Arnecke weiß das: „Wir sind gerade im ganzen Netz dabei, das System leistungsfähiger zu machen. Daher gibt es in letzter Zeit viele Baustellen, und die werfen die Fahrpläne durcheinander“, sagt er. „Wenn die ganze Infrastruktur zur Verfügung steht, gibt es im Betrieb auch keine Probleme.“
Anbindung mit Folgen: Alte Harburger erkannten ihre Stadt nicht wieder
Die S-Bahn-Anbindung des Hamburger Südens hat einige Umwälzungen mit sich gebracht – nicht nur, was die Verbindung nach Hamburg angeht: Während der zehnjährigen Bauzeit war Harburg eine riesige Grube und ein Labyrinth aus Bauzäunen. Danach gab es einen Harburger Ring für die Autos und eine Fußgängerzone, wo früher eine Straßenbahn gefahren war, sowie einen Atombunker unter der Innenstadt. Die Häuser, die für den S-Bahn-Bau abgerissen wurden, wurden mit Neubauten und neuen Geschäften ersetzt. Alte Harburger erkannten ihre Stadt nicht wieder.
Auch Wilhelmsburg bekam an seinem neuen Bahnhof ein neues Zentrum, an das sich die Wilhelmsburger immer noch gewöhnen. Und es gab eine weitere Veränderung: „Vor der S-Bahn sind wir zum Einkaufen immer nach Harburg gefahren“, erinnert sich Metin Hakverdi, heute Bundestagsabgeordneter (SPD) für Harburg, Wilhelmsburg und Bergedorf, damals Gymnasiast und Wilhelmsburger Jung. „Aber mit der S-Bahn war es kaum noch ein Unterschied, ob man nach Harburg oder Hamburg fuhr.“
Pläne für ein weiteres Gleispaar in Richtung Wilstorf und Seevetal
Zum Auftakt der S-Bahn nach Harburg im Jahr 1983 verband die neue Strecke Harburg-Rathaus über Hauptbahnhof und Landungsbrücken mit Pinneberg. Ein knappes Jahr später wurde die Verbindung über Harburg hinaus bis nach Neugraben verlängert. Zudem wurde in diesem Jahr die Linie S31 von Altona über Dammtor nach Neugraben eingeführt, die das Angebot für Fahrgäste von und nach Harburg weiter verbesserte.
In den 1980er-Jahren soll es auch Pläne gegeben haben, in Harburg ein weiteres Gleispaar in Richtung Wilstorf, Langenbek und Seevetal auszufädeln. Diese Überlegungen wurden aufgegeben; wohl auch, weil Seevetal damals die Pläne für eine riesige Hochhaussiedlung in Glüsingen einstampfte.
Im Dezember 2007 fand die vorerst letzte Verlängerung der S3 statt. Seitdem fahren Züge der Linie bis nach Buxtehude und Stade. Die S-Bahn Hamburg bietet heute bis zu 121 Zugfahrten pro Tag und Richtung auf der S3 an. Hinzu kommen täglich bis zu 96 Fahrten auf der S31 bis Neugraben oder Harburg-Rathaus.
Die aus Stade kommenden Züge fahren nunmehr über Dammtor
Dennoch platzt die Harburger S-Bahn oft aus allen Nähten. Sie ist das meistgenutzte Linienpaar im ganzen Hamburger Netz. Vor allem die Verlängerung nach Stade hat die erwarteten Fahrgastzahlen übertroffen, sodass die S-Bahn reagieren muss. Zunächst werden die beiden Linien neu geordnet. Die aus Stade kommenden Züge fahren nunmehr über Dammtor und die in Neugraben einsetzenden über den Citytunnel. Zusammen mit Veränderungen auf anderen Linien bedeutet das weniger Kreuzungsvorgänge vor dem Hauptbahnhof und somit flüssigeres Fahren im gesamten Netz.
Außerdem werden die Stader Züge nicht mehr in Neugraben verlängert, sondern fahren als Vollzüge mit sechs Waggons und 1200 Plätzen durch. Auch das nimmt Verzögerung aus dem System. Zugleich wird die neue S3, die ab Neugraben startet, durchgängig mit Langzügen à neun Waggons unterwegs sein. Dadurch, dass in Neugraben nicht mehr um drei Waggons „gestärkt“ und „geschwächt“ wird, wird nicht nur Zeit gespart, sondern auch Lokführerpersonal, das nun auf der Strecke fahren kann, statt zu rangieren.
Gleichzeitig wird eine dritte Linie vorbereitet, bisheriger Arbeitstitel S32, neuer Name: S7. Sie wird zwischen Neugraben und Altona eingetaktet und ermöglicht zwischen Neugraben und Hauptbahnhof einen Drei-Minuten-Takt. Damit dieser reibungslos gefahren werden kann, sind allerdings neue Stellwerke, Ausweichgleise und neue Gleichstrom-Installationen an der Strecke notwendig. Geplant sind diese, gebaut größtenteils noch nicht. „Ich bin mir aber sicher, dass die S7 noch in diesem Jahrzehnt fährt“, sagt Arnecke.
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„Mit dem neuen Liniennetz, das ab Dezember in Betrieb geht, wird die Anbindung des Hamburger Südens stabiler und pünktlicher“, prophezeit Verkehrsstaatsrat Martin Bill. „Die neue S3, welche dann die beiden Stationen Pinneberg und Neugraben miteinander verbindet, setzt auf Langzüge, die deutlich mehr Platz und Komfort für die Fahrgäste bieten. Ein einfacheres und gut ausgebautes Liniennetz ist ein essenzieller Bestandteil einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Verkehrspolitik.“
Nadelöhr Elbbrücken: Wie meistert man die Herausforderungen der nächsten 40 Jahre?
Metin Hakverdi glaubt allerdings nicht, dass diese Veränderungen ausreichen, um die Herausforderungen der nächsten 40 Jahre zu meistern. „Das Nadelöhr Elbbrücken kann auf Dauer nicht den gesamten Nah-, Fern- und Güterverkehr auf der Schiene bewältigen, der durch Hamburg geht. Nicht, wenn wir die Schienenquote steigern wollen. Eine westliche unterirdische Bahnquerung der Elbe ist nötig!“