Hamburg. In Hamburg sollen neue Plakate über jüdisches Leben aufklären und so gegen Vorurteile, Hass und Hetze wirken – auch mit Humor.
Als in Tel Aviv am Sonnabend der Raketenalarm losheulte, joggte Carsten Ovens wie berichtet am alten Hafen der israelischen Metropole. Kurz darauf, so erzählte es der frühere Hamburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete, habe es einen ohrenbetäubenden Knall gegeben – offenbar hatte das Schutzsystem „Iron Dome“ ein Geschoss aus dem Gazastreifen abgefangen.
Ovens, mittlerweile Geschäftsführer der Denkfabrik Elnet in Berlin, die sich mit den europäisch-israelischen Beziehungen beschäftigt, stand noch unter dem Eindruck des Angriffs, als er am Mittwoch in Hamburg die zweite Phase der Antisemitismus-Kampagne „Fragemauer“ vorstellte – ein Vorhaben, das an „trauriger Aktualität“ gewonnen habe, wie der 42-Jährige sagte. Auch die Jubelbilder von Hamas-Unterstützern in Berlin zeigten einmal mehr, wie wichtig es sei, Antisemitismus in all seinen Facetten zu erkennen und zu benennen.
Antisemitismus-Kampagne: Mehr als 500 Menschen haben schon Fragen geschickt
Die „Fragemauer“ ist ein im Juni gestartetes Internetportal. Dort finden sich 20 von Elnet erstellte Fragen und Antworten, die über jüdisches Leben in Deutschland und Israel aufklären und Vorurteilen auch auf humorvolle Weise entgegentreten sollen. Zum Beispiel: „Warum gibt es den modernen Staat Israel?“, „Darf man Israel kritisieren?“, „Wer, was oder wo ist Jom Kippur?“, „Ist Mazze ein jüdischer Jungenname?“ und „Gibt es ein jüdisches Tinder?“ Darüber hinaus können Interessierte eigene Fragen einschicken – mehr als 500 Menschen seien diesem Aufruf schon gefolgt. „Die Fragemauer füllt sich“, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, in einem Grußwort.
Mit der nun beginnenden zweiten Phase gehe Elnet „auf die Straße“, erklärte Carsten Ovens. In 50 deutschen Städten, darunter Hamburg, sollen die Hauptmotive der Kampagne auf Plakaten zu sehen sein. Etliche Städte stellten dafür kostenlos öffentliche Flächen bereit.
Hamburgs Bürgermeister Tschentscher: „Wir stehen an der Seite Israels“
Neben Ovens machten sich am Mittwoch in der Patriotischen Gesellschaft auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) stark. Zu der Präsentation erschienen außerdem etwa CDU-Fraktionsfraktionschef Dennis Thering, Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir und die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein.
Tschentscher, der erst im Mai und Juni in seiner Rolle als Bundesratspräsident durch Israel gereist war, erklärte, die jüngsten Bilder von den Ereignissen vor Ort seien „Ausdruck der Brutalität der Hamas“; er sprach von einem „unvergleichlichen Terrorakt“ und hob hervor: „Es ist wichtig, dass wir all denjenigen, die geistige Mitläufer sind, ein klares Signal setzen, aus Deutschland, aus Hamburg: dass wir an der Seite Israels stehen in diesen dramatischen, tragischen, schrecklichen Stunden.“
Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde: „Wir haben düstere Zeiten“
Angesichts des Krieges zwischen Israel und der Hamas habe er sich seit Sonnabend gefragt, ob man die „Fragemauer“-Kampagne weiterhin mit Humor und Augenzwinkern versehen könne, sagte der Bürgermeister. Seine Antwort laute nun: „Ja, man muss es sogar! Wir dürfen den Islamisten nicht den Erfolg überlassen, das wir uns unser eigenes Denken, unsere eigenen Überzeugungen, gegen Antisemitismus und für das jüdische Leben einzutreten, verleiden lassen.“
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Seit Sonnabend sei er erst recht überzeugt: Was Elnet mit der „Fragemauer“-Kampagne erreichen wolle, sei „wichtiger als je zuvor“, so Tschentscher. Er dankte Ovens dafür, dass dieser ihn während der Israel-Reise begleitet hatte. Dadurch hätten sich neue Anknüpfungspunkte ergeben, wie sich das Engagement für jüdisches Leben in Hamburg vorantreiben lasse.
„Wir haben düstere Zeiten“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, Philipp Stricharz. „Ich bin umso dankbarer für die ,Fragemauer‘-Kampagne.“