Hamburg. Hamburg liegt mit Quote bundesweit ganz vorn. Welche Schulform besonders betroffen ist, was die Gründe sind und welche Folgen das hat.
Der Lehrerberuf hat einige Herausforderungen, aber auch viele Vorteile: Einer von ihnen ist, dass man Beruf und Familie gut miteinander verbinden kann. Man arbeitet, wenn auch die eigenen Kinder in der Schule sind. Zudem gibt es weitgehende Teilzeitmöglichkeiten für die Beamten. Genau das wird angesichts des sich dramatisch verschärfenden Lehrermangels zum Problem. Denn die Teilzeitquote an Hamburgs Schulen steigt und steigt. Mittlerweile arbeiten 56,1 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer in der Hansestadt mit einer reduzierten Stundenzahl.
Dabei hat Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Zahl der Lehrkräfte im Hamburger Schuldienst angesichts der steigenden Schülerzahlen seit 2019 bereits von 19.456 auf jetzt 21.058 erhöht. Aber von diesen arbeiten 11.811 Lehrerinnen und Lehrer in Teilzeit – Tendenz steigend. Allein zwischen 2019 und 2023 stieg der Anteil von 52,9 auf eben 56,1 Prozent an, wie der Hamburger Senat in seiner Antwort auf eine große Anfrage der AfD mitteilt. Das Abendblatt berichtete bereits, dass Hamburg schon im Schuljahr 2021/22 mit dieser Quote zusammen mit Bremen bundesweit vorn lag: Nirgendwo arbeiteten Lehrkräfte häufiger in Teilzeit.
Hamburg Schule: Lehrkräfte in Teilzeit – welche Einrichtungen besonders betroffen sind
Am stärksten sind in Hamburg die Grundschulen betroffen, wo 36 Prozent der Teilzeitlehrkräfte tätig sind (Stadtteilschulen: 27 Prozent, Gymnasien: 23 Prozent, Berufliche Schulen: 10 Prozent). Während Lehrerverbände und Gewerkschaften häufig die starke Belastung im Lehrerberuf wegen der gestiegenen Anforderungen für die hohe Teilzeitquote mitverantwortlich machen, deutet die Geschlechterverteilung darauf hin, dass doch insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine große Rolle spielt: So sind es weit überwiegend die Frauen, die ihre Stundenzahl reduziert haben. Ihr Anteil an Teilzeitkräften liegt bei 81,5 Prozent. Vier von fünf Teilzeitlehrern sind also Frauen.
Die vielen Teilzeitbeschäftigungen sind auch nach Einschätzung der Schulbehörde Ergebnis einer eigentlich erfreulichen Entwicklung: So hat sich die Hamburger Lehrerschaft in den vergangenen Jahren sehr verjüngt, stärker als in anderen Bundesländern. Junge Lehrkräfte aber sind in der Familiengründungsphase und junge Eltern arbeiten oft in Teilzeit, um sich um die Kinder kümmern zu können.
Hamburgs Schulen brauchen jedes Jahr mindestens 900 neue Lehrkräfte
Vor dem Hintergrund des Lehrermangels bedeutet die hohe Teilzeitquote aber ein Problem – zumal Schulsenator Rabe angesichts vieler Pensionierungen Lücken zunächst im Grundschulbereich erwartet, wie er dem Abendblatt erst kürzlich im Interview sagte. Zudem hat Hamburg zwar die Zahl der Lehramtsstudienplätze und der Referendarstellen erhöht, aber viele junge Leute brechen dieses Studium ab. Da Rabe an der Begrenzung der Klassengrößen festhalten will, werden in Hamburg jedes Jahr mindestens 900 neue Lehrkräfte benötigt.
Das Gros der Hamburger Teilzeitlehrer arbeitet immerhin mehr als 50 Prozent. Jeder Dritte dieser Lehrkräfte hat seine Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert. 13,9 Prozent arbeiten 60 Prozent der vollen Stundenzahl, 14,7 Prozent arbeiten 70 Prozent und 16,8 Prozent 90 Prozent. Betroffen sind allerdings überdurchschnittlich stark auch Mangelfächer wie Mathematik, in denen es besonders schwer ist, Lehrer zu finden. Bundesweit fehlen bis zum Jahr 2035 mehr als 23.000 Lehrkräfte, hat die Kulturministerkonferenz (KMK) berechnet.
AfD fordert Begrenzung von Teilzeit in Schulen auf maximal 50 Prozent
Gestellt hatte die Große Anfrage an den rot-grünen Senat die AfD-Fraktion in der Bürgerschaft. In Zeiten des Lehrermangels sollte der Senat dringend Maßnahmen prüfen, die Quote zu senken, fordert der schulpolitische Sprecher der Fraktion, Alexander Wolf. „Bereits eine moderate Begrenzung der Lehrerteilzeit auf maximal 50 Prozent könnte den Lehrermangel gerade in Mangelfächern effektiv abmildern.“ Die anderen von Schulsenator Rabe geplanten Maßnahmen seien „kostspielig, weniger effektiv und erst auf längere Sicht wirksam“.
- Lehrermangel: 78 freie Stellen und keine einzige Bewerbung
- Lehrermangel: Hamburgs Schulleiter stark überlastet
- 15-Punkte-Plan: So wollen Grüne Hamburgs Lehrermangel bekämpfen
Bislang sind der Schulbehörde in dieser Hinsicht die Hände gebunden. Denn die Möglichkeiten, in Teilzeit zu arbeiten, sind für die Lehrerinnen und Lehrer weitreichend. Geregelt ist dies im Paragraf 62 des Hamburgischen Beamtengesetzes sowie Paragraf 11 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder. Demnach „kann neben der sogenannten voraussetzungslosen Teilzeitbeschäftigung, bei der kein Grund angegeben werden muss, eine Bewilligung außerdem zur Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren oder eines pflegebedürftigen Angehörigen, der tatsächlich betreut oder gepflegt wird, erfolgen“, schreibt der Senat in seiner Antwort.
Schule Hamburg: Ob Teilzeit langfristig weiter möglich ist, wird sich zeigen
Handlungsbedarf sieht Schulsenator Rabe zunächst nicht – bisher. Zum einen sei auch im neuen Schuljahr 2023/24 über alle Schulen der vorgesehene Unterricht nach Stundentafel mit den vorhandenen Lehrkräften gesichert. Dabei wurde die Zahl der Stellen sogar erhöht. Zum anderen zeige sich, dass viele Teilzeitlehrkräfte ihre Wochenarbeitszeit nur um wenige Stunden reduziert hätten, wie die Schulbehörde auf Abendblatt-Anfrage erklärte. Zwei Drittel hingegen hätten eine 70-Prozent-Stelle oder mehr. Durch die Zuweisung von Lehrerstellen an die Schulen in Abhängigkeit von der Schülerzahl, gibt es zudem immer mal wieder Anpassungsbedarf – also die Notwendigkeit, dass einzelne Lehrkräfte wenige Stunden abgeben.
Um dem Lehrermangel entgegenzuwirken, hat Rabe unter anderem, die Zahl der Referendarplätze erhöht und Möglichkeiten für ältere Lehrer geschaffen, über die gesetzliche Altersgrenze hinaus zu arbeiten. Auch werden Quer- und Seiteneinsteiger eingestellt. „Senator Rabe hat versprochen, dass wir zunächst einmal andere Wege gehen, um bei der Teilzeitfrage Restriktionen – soweit es geht – zu vermeiden, aber ob das dauerhaft zu halten sein wird, wird die Zukunft zeigen“, so Behördensprecher Peter Albrecht.