Hamburg. Auch in Hamburg macht sich der Lehrermangel bemerkbar. Mit diesen Vorschlägen wollen ihn die Grünen nun angehen.

Es ist gerade einmal eine Woche her, dass Schulsenator Ties Rabe (SPD) zusammen mit seinen Kollegen der Kultusministerkonferenz (KMK) ein Maßnahmenpaket vorgelegt hat, wie Deutschland künftig das Problem mit dem Lehrermangel in den Griff bekommen soll. Das oberste Credo dabei: „Offen sein für neue Wege“, wie Astrid-Sabine Busse, KMK-Präsidentin und Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, sagte.

In zwölf Punkten fassten die Kultus­minister zusammen, wie die Länder nun „solidarisch und in Kooperation“ gegen den Mangel an Lehrkräften vorgehen sollen. Laut der KMK fehlen allein bis 2025 rund 25.000 Lehrkräfte. Die Erklärung sieht deshalb vor, Quer- oder Seiteneinsteiger aus anderen Studiengängen für den Einstieg in den Lehrberuf zu begeistern, die Attraktivität und die Wertschätzung des Lehrberufs zu steigern oder das Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Abschlüsse zu verbessern.

Hamburger Grüne wollen massiv gegen Lehrermangel ansteuern

Diesem Appell schließen sich nun auch die Hamburger Grünen an. Eine Gruppe aus Parteimitgliedern rund um die Landesvorsitzende Maryam Blumenthal hat in 15 Punkten erarbeitet, wie Hamburg „massiv“ gegen den Mangel ansteuern könnte. Anlass dafür sei unter anderem, dass die Diskussion rund um das Problem momentan sehr unkoordiniert laufe, so Blumenthal. Die Grünen-Chefin ist selbst Lehrerin und Sprecherin für Berufliche Bildung und Ausbildungsberufe in der Bürgerschaft.

„Als der Beirat der Kultusministerkonferenz im Januar forderte, dass Lehrkräfte noch mehr arbeiten sollen, sahen wir uns bewogen, uns inhaltlich zu positionieren.“ Im Gegensatz zu den Flächenländern sei der Lehrermangel in Hamburg zwar noch nicht so stark ausgeprägt. Doch zeichnet sich auch hier „eine ähnliche Entwicklung in verzögerter Form schon ab“, wie es dem Papier nach heißt.

Mehr Quereinsteiger als Lehrkräfte?

Die Partei wolle mit ihrem Papier einen Vorstoß liefern, die bisher geltenden Strukturen infrage zu stellen, sagt Blumenthal. „Warum nicht ein bisschen mehr out of the Box denken? In anderen Berufsfeldern tun wir das doch auch.“

Ein Vorschlag lautet daher etwa, Menschen, die sich für einen Umstieg auf den Lehrberuf interessieren, einen berufsbegleitenden Einstieg zu ermöglichen. „Momentan gibt es keine Möglichkeit, über ein Abend- oder Fernstudium in den Lehrerberuf einzusteigen. Damit bleibt die Möglichkeit, Lehrer zu werden, allen Berufstätigen bislang verwehrt, es sei denn, sie kündigen und setzen alles auf eine Karte.“ Genau dort aber, so Blumenthal, liege noch ein „großes Potenzial“.

Mehr Referendariatsplätze für Anwärter

Auch biete Hamburg derzeit nicht allen Lehramtsstudierenden einen Referen­dariats­­platz an. Deshalb, so der Vorschlag, soll Hamburg „mehr Plätze für den Vorbereitungsdienst (Referendariat) schaffen“ und das Referendariat auch gleich „kritisch im Hinblick auf Umfang, Intensität und Inhalt prüfen.“ Zwar hat Hamburg die Plätze 2019 bereits um 360 auf 1215 erhöht, dies reiche aber bei Weitem nicht aus, mahnt die Landesvorsitzende. Derzeit sei die Konsequenz des Mangels, dass viele angehende Referendare aufs Hamburger Umland ausweichen.

Ebenso müssten Lehramtsstudienplätze und Kapazitäten im Fach Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Sonder- und Sozialpädagogik ausgebaut werden. „Auch hier fehlt uns das Personal“, sagt Blumenthal. Darüber hinaus müsse Hamburg die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen schneller vornehmen und die Möglichkeiten der Verbeamtung – gegebenenfalls auch mit nur einem Fach – prüfen.

Zugangsvoraussetzungen fürs Studium sollen sich ändern

Grundsätzlich aber müssten auch die Zugangsvoraussetzungen für das Lehramtsstudium etwa durch Eignungsgespräche und Aufnahmetests unabhängig oder ergänzend zum Numerus clausus (NC) verändert werden. „Wir stellen den NC infrage, weil ja auch dieser ohnehin irgendwann einmal aus einer Not heraus entstanden ist, um die Studienplatzvergabe besser zu managen“, sagt Blumenthal. Der Grünen-Chefin zufolge sei es deshalb angemessen, darüber zu diskutieren, ob ein NC dafür ausschlaggebend ist, wer für den Lehrberuf geeignet ist.

Auch sei es der Landesvorsitzenden nach ein Problem, dass Studierende sich bereits vor ihrem Studium auf den Lehrerberuf festlegen müssen. „Wenn jemand etwa Ingenieurswissenschaften studiert hat und sich nach seinem Bachelor überlegt, Lehrer zu werden, kann er nicht ohne Weiteres den Master of Education beginnen.“ Der Master of Education, so die Grünen, müsse deshalb unbedingt auch für andere Studienabschlüsse geöffnet werden.

Teilzeitquote bei Lehrern soll gesenkt werden

Neben der Gewinnung von neuem Lehrpersonal sei aber insbesondere auch wichtig, die derzeitigen Lehrkräfte auch zu halten und die Teilzeitquote zu senken. Blumenthal will hier Barrieren abbauen, die Lehrkräfte bei einer Erkrankung oder anderweitigen Belastung Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Etwa durch regelmäßige Supervision für jedes Kollegium. Auch ausreichend Rückzugsräume für Lehrkräfte, Duschräume und mehr und gesicherte Fahrradabstellmöglichkeiten besitzen den Grünen nach das Potenzial, die bisherigen Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte zu verbessern.

Um die Vorschläge mit Akteuren aus der Praxis und der Wissenschaft zu diskutieren, laden die Grünen für den 27. April zu einem runden Tisch ein. „Letzten Endes kann es nicht die eine Lösung geben“, sagt Blumenthal. Vielmehr brauche Hamburg viele „Lösungen, die ineinandergreifen.“