Hamburg. Neues Gedenkstättenkonzept des Senats vorgestellt. 78 Jahre nach Kriegsende fehlt ein Ort, der angemessen an den Widerstand erinnert.

Was die Erinnerung an die in der Stadt verübten NS-Verbrechen angeht, ist Hamburg, zurückhaltend formuliert, sehr spät berufen. Auf dem Gelände des Hauptortes der Nazi-Verbrechen, des Konzentrationslagers Neuengamme, stand bis 2006 ausgerechnet eine Justizvollzugsanstalt.

„Heute leistet die dortige Gedenkstätte eine herausragende Arbeit. Aber bis der Weg dort überhaupt begonnen wurde, ist viel Zeit ins Land gegangenen. Es hat viel Kraft aus der Zivilgesellschaft gebraucht, um Hamburg dazu zu bringen, sich an dieser Stelle seiner Verantwortung zu stellen“, sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD) mit deutlich kritischem Unterton an die Adresse früherer Senate und Bürgerschaften.

Verbrechen der Nationalsozialisten: Zahlreiche Gedenkstätten in Planung

„Diese gesellschaftliche Verantwortungsübernahme brauchen wir weiterhin“, fügte Brosda hinzu, als er im Rathaus das überarbeitete Gedenkstättenkonzept vorstellte, das der Senat jetzt beschlossen hat. Es klang ein wenig so, als wünsche sich der Kultursenator auch künftig gesellschaftlichen Druck auf Senat und Bürgerschaft, bei der Realisierung weiterer Gedenkstättenprojekte voranzukommen. Das Konzept, das die Stiftung Hamburg Gedenkstätten und Lernorte entwickelt hat, soll eine „Vision für die nächsten zehn bis 15 Jahre“ sein und weist 128 Orte in der Stadt aus, die an die Verbrechen der Nationalsozialisten erinnern. Das klingt nach viel, umfasst aber alle Gedenk- und Informationstafeln.

Und es gibt nach wie vor ungelöste Probleme. „Wir haben eine offene Restante, was die Abbildung der Geschichte des Widerstands in Hamburg angeht. Das Konzept unterbreitet den Vorschlag, diese Geschichte perspektivisch in Fuhlsbüttel am historisch-authentischen Ort des früheren dortigen Konzentrationslagers zu erzählen“, sagte Brosda. Bislang gibt es nur eine kleine Ausstellung im alten Torhaus der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel.

Gedenkstätte zur Geschichte des Widerstands kann frühestens 2030 eingerichtet werden

Für die Zwecke des Justizvollzugs werden die historischen Gefängnisbauten Haus I und Haus III in Fuhlsbüttel seit Jahren nicht mehr genutzt. Die Stiftung schlägt vor, im Haus III auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern Räume für Ausstellungen und Veranstaltungen zu schaffen. Das 1897 als Jugendgefängnis erbaute Gebäude ist fast im Originalzustand erhalten und wurde von den Nazis als Frauen-KZ sowie Polizei- und Strafgefängnis genutzt. Das Haus I, der Kreuzbau mit dem markanten Turm der Anstaltskirche, das von 1933 bis 1945 als Teil des Konzentrationslagers Fuhlsbüttel („Kola-Fu“) diente, spielt bei den Überlegungen nach den Worten von Stiftungsvorstand Oliver von Wrochem keine Rolle mehr.

Beide Häuser sind allerdings sanierungsbedürftig. Die Kosten werden auf insgesamt 35 Millionen Euro geschätzt. Ungeklärt ist offensichtlich bislang auch die Finanzierung. Ohnehin stünde das Haus III frühestens von 2030 an als Gedenkstätte für die Geschichte des Widerstands zur Verfügung, wie das Gedenkstättenkonzept vermerkt – 85 Jahre nach dem Ende der Nazi-Terrorherrschaft.

Gedenkstätte: Dokumentationszentrum in der HafenCity soll 2026 fertiggestellt werden

Zügiger verspricht ein weiteres zentrales Projekt der Erinnerungskultur realisiert zu werden. Laut Gedenkstättenkonzept soll der Neubau des Dokumentationszentrums in Ergänzung des Gedenkorts Hannoverscher Bahnhof in der HafenCity bereits 2026 fertiggestellt werden, wobei die Eröffnung ursprünglich für 2012 vorgesehen war. Bei dem zentral gelegenen Ensemble geht es vor allem um die Opfer der Deportationen, die vom früheren Hannoverschen Bahnhof aus starteten.

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Für Brosda ist die Lage in der Mitte der Stadt besonders wichtig. „Wir müssen die Orte, die vermitteln, dass dort historisch-authentisch Verbrechen zwischen 1933 und 1945 geschehen sind, ins Bewusstsein rufen. Deswegen scheuen wir nicht davor zurück, mitten in der Stadt in einer Parkanlage deutlich darauf hinzuweisen, dass diese Verbrechen auch mitten in der Stadt unter den Augen aller stattgefunden haben“, sagte Brosda.