Hamburg. Neue Studie zeigt: Jeder Zweite ist oft oder immer körperlich erschöpft. „Daten sind alarmierend.“ So will die GEW Abhilfe schaffen.

Hamburg sucht nicht nur händeringend Lehrkräfte, sondern auch Pädagogen, die bereit sind, sich in der Schulleitung zu engagieren. Diese Suche gestaltet sich schwierig – und das dürfte auch daran liegen, dass die Belastung von Schulleiterinnen und Schulleitern in Hamburg sehr hoch ist. Das zumindest legt eine Studie nahe, die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Auftrag gegeben hat. „Die Daten sind alarmierend“, sagt Hamburgs GEW-Vorsitzender Sven Quiring. Anforderung und Stress sind groß. Der Lehrermangel trägt dazu bei.

Für die Studie hat die Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften GmbH Schulleitungen in Hamburg und Rheinland-Pfalz online befragt und ihre Belastung mit anderen Berufsgruppen verglichen. Sie nutzte den „Copenhagen Psychosocial Questionnaire“ (COPSOQ), einen breit erprobten Fragebogen zur Messung psychosozialer Faktoren am Arbeitsplatz, der auch in vielen anderen Bereichen eingesetzt wird.

Schule Hamburg: Viele Schulleiter arbeiten prakisch ohne Pause

„Die Daten belegen, dass die Leitungskräfte an Schulen hochgradig belastet sind. Sie weisen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in unserer Datenbank deutlich erhöhte Anforderungen auf, aber nur wenige kompensierende günstige Faktoren“, sagt Matthias Nübling, Geschäftsführer der Forschungsstelle.

So erklärten 83,6 Prozent der Leitungskräfte, dass sie „oft“ oder „immer“ mit hohem Tempo arbeiteten. 71,8 Prozent gaben an, „selten“ oder „nie“ Pausenzeiten einhalten zu können. Bei den „Quantitativen Anforderungen“ liegen die Schulleitungen mit 74 Punkten rund 20 Punkte über dem deutschen Durchschnitt aus allen Berufen (55). Die Anforderungen sind auch deutlich über denen der übrigen Lehrkräfte (64 Punkte) und gegenüber anderen Berufen in der öffentlichen Verwaltung (54).

Risiko von Burnout bei Schulleitungen besonders hoch

Auch das Risiko von Burnout-Symptomen ist mit 62 Punkten über dem anderer Lehrkräfte (58) oder dem Durchschnitt der Berufe (49). „Einerseits stark belastet, andererseits hochmotiviert: Das ist eine ungünstige Kombination“, sagt Benzinger-Stolze. Denn die Studie zeigt auch eine sehr hohe Verbundenheit der Schulleitungen mit ihrer Arbeit.

Doch für 86,5 Prozent der Schulleitungen sei die Arbeit „in hohem Maß“ oder „in sehr hohem Maß“ emotional fordernd – auch dies sei ein sehr deutlich erhöhter Wert gegenüber dem Durchschnitt aller Berufe. Bei den leitungsspezifischen Fragen gaben 80,8 Prozent an, dass „ziemlich oder sehr“ zutreffe, dass die Leitungsaufgaben keinen Freiraum für eine gründliche Vor- und Nachbereitung des Unterrichts ließen. 54,1 Prozent meldeten zurück, dass sie „oft“ oder „immer“ körperlich erschöpft seien. 44,6 Prozent kommen „oft“ oder „immer“ in die Schule, obwohl sie krank sind, weitere 30,6 Prozent sagten, dass sie dies „manchmal“ täten. Trotzdem antworteten 55,8 Prozent, dass sie „oft“ oder „immer“ von ihrer Arbeit begeistert seien.

Lehrermangel macht Job der Schulleiter noch schwieriger

Der Lehrermangel schlage auch hier durch, einerseits weil es schwieriger sei, ausreichend Pädagogen für Schulleitungs-Jobs zu gewinnen, sagte Quiring. Zusätzlich aber belastet der Lehrermangel auch die Arbeit der Schulleiterinnen und Schulleiter selbst. „Wenn Lehrkräfte fehlen, muss die Leitung bei ihrer Planung immer auf Kante nähen“, sagt Hamburgs frühere GEW-Chefin Anja Bensinger-Stolze, mittlerweile Bundes-GEW-Vorstandsmitglied Schule. Melde sich dann eine Lehrkraft krank, müsse schnell Vertretung organisiert oder Doppelbesetzungen im Unterricht aufgelöst werden. „Das muss ich dann als Vorgesetzte gegenüber den anderen Kollegen vertreten“ – was Anspannung und Stress bedeute.

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Im Kampf gegen den Lehrermangel fordert Hamburgs GEW mehr IT- und Verwaltungsunterstützung, damit pädagogisch Beschäftigte von fachfremden Aufgaben entlastet werden, die erleichterte Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen und Abschlüsse und eine signifikante Anhebung der Bezahlung in der Ausbildung und Anwartschaft. Auch sollten Lehrer, die Nachwuchskräfte betreuen, von sonstiger Arbeit entlastet werden. Die GEW schlägt nicht zuletzt einen Staatsvertrag zur Fach- und Lehrkräfteausbildung und zur Deckung des Bedarfs vor und bietet zu allen Punkten weitere konkrete Vorschläge und Verhandlungen an.

Schule Hamburg: Verwaltungskräfte sollen Arbeit übernehmen

Gerade Schulleitungen sollten Verwaltungsaufgaben abgeben können. Diese haben sie 2006 in Hamburg mit der Einführung der sogenannten Selbstverantworteten Schule erhalten. „Wir brauchen mehr IT-Fachkräfte und Verwaltungskräfte, um die Schulleitungen zu entlasten“, sagt Benzinger-Stolze. Zu überlegen sei, ob Teile der Verwaltungsaufgaben zurück in die Schulbehörde verlagert werden sollten, sagt Quiruing. So binde angesichts des Lehrermangels beispielsweise die Aufgabe, Personal für die eigene Schule zu finden, viel Zeit und Energie. „Wir können uns vorstellen, dass die Behörde diejenigen Schulen, die bei der Suche nach Lehrkräften auf besondere Probleme stoßen, beispielsweise in Kess1- oder Kess2-Gebieten, aktiv unterstützt.“

„In aller erster Linie müssen sich die Arbeitgeber verpflichten, Schulleitungskräften regelmäßige Belastungsstudien und Präventionsmaßnahmen anzubieten. Denn was angesichts der Arbeitszufriedenheit nach Traumjob klingt, entpuppt sich wegen der hohen Arbeitsbelastung und der Entgrenzungswerte als gesundheitsgefährdend: der Beruf der Schulleitung“, sagt Quirung. Auch müsse die Belastung der Schulleitungen durch Gefährdungsbeurteilungen regelmäßig erfolgen. Im August 2022 waren zehn Schulleitungsposten in Hamburg sowie 81 Stellen in Schulleitungsteams unbesetzt. Neuere Daten gibt es bisher nicht.

Eine Schule leiten – wie der Chef eines mittleren Unternehmens

Die Belastungsumfrage der GEW sei zu einem Zeitpunkt durchgeführt worden, zu dem die Corona-Folgen an den Schulen weiterhin spürbar seien, heißt es aus der Schulbehörde. „Schulleitung in Hamburg bedeutet faktisch die Leitung eines kleinen oder mittleren Unternehmens mit teilweise über 200 Beschäftigten. Die allermeisten Hamburger Schulleitungen machen wirklich einen hervorragenden Job und dass nur einzelne Schulleitungsfunktionen vorübergehend nicht besetzt sind, zeigt auch, dass Schulleitung in Hamburg nach wie vor als attraktiv angesehen wird“, sagt Behördensprecher Peter Albrecht. Auch wenn es früher mehr Bewerber gegeben habe, seien 2022 lediglich drei Prozent der Schulleiterposten und sieben Prozent der Stellen mit erweiterten Schulleitungsfunktionen vakant gewesen.

Gerade die Eigenverantwortung bei Personal, Haushalt und Pädagogik machten den Job für viele attraktiv, heißt es aus der Schulbehörde. Zur Entlastung der Pädagogen hätten 76 weiterführende Schulen in Hamburg bereits Verwaltungsleitungen. Weitere sollten folgen. Schulen könnten bereits eigene IT-Fachkräfte einstellen oder alternativ externe IT-Serviceverträge abschließen, so die Behörde.