Hamburg. Rot-Grün in Hamburg will „Mindestbesteuerung“ für große Erbschaften durchsetzen. In einem Fall soll es eine Ausnahme geben.

Sie ist Segen und Ärgernis zugleich: Die Erbschaftssteuer spülte im vergangenen Jahr 416 Millionen Euro in Hamburgs Kassen, inklusive Schenkungssteuer sogar mehr als 600 Millionen – Geld, das die Stadt gerade in Zeiten mit unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen dringend braucht. Auf der anderen Seite wird die Steuer als ungerecht wahrgenommen, weil sie oft umso geringer ausfällt, je höher der vererbte oder verschenkte Betrag ist.

Wie berichtet hatte der Senat jüngst auf eine Anfrage der Linksfraktion mitgeteilt, dass im Jahr 2021 mehr als jede vierte große Erbschaft (ab 20 Millionen Euro) und Schenkung in Hamburg steuerlich begünstigt wurde. Vermögen im Wert von 1,2 Milliarden Euro wechselte ganz ohne Besteuerung den Besitzer.

Erbschaftssteuer: So will Hamburg sie gerechter machen

Auch SPD und Grüne hatten sich damals verärgert gezeigt und angekündigt, dass sie dagegen vorgehen wollten. Dieser Antrag, der am Mittwoch auf der Tagesordnung der Bürgerschaft steht, liegt dem Abendblatt jetzt exklusiv vor. „Gerechter, nachhaltiger, einfacher“ wolle man das System gestalten, heißt es.

Die Haushaltspolitiker Dennis Paustian-Döscher (Grüne) und Milan Pein (SPD) und ihre Fraktionen beklagen darin eine Privilegierung von Betriebs- und Immobilienvermögen. So sei bei Betriebsvermögen erst ab 26 Millionen Euro eine komplette Befreiung der Erbschaftssteuer möglich, was einen Wettbewerbsvorteil von besonders großen Unternehmen gegenüber kleineren und mittleren Unternehmen darstelle.

Senat soll sich auf Bundesebene für eine Reform der Erbschaftssteuer einsetzen

Da die Erbschaftssteuer in einem Bundesgesetz geregelt ist (obwohl sie vollständig den Ländern zufließt), fordert Rot-Grün den Senat auf, sich auf Bundesebene für eine Reform der Erbschaftssteuer einzusetzen. Ein wichtiger Punkt: Die Möglichkeit des kompletten Erlasses der Erbschaftssteuer soll ersatzlos gestrichen und durch eine „Mindestbesteuerung“ ersetzt werden. Dabei soll die steuerfreie Vererbung selbst genutzten Familieneigentums aber möglich bleiben.

Besonders soziale Vermieter sollen steuerlich begünstigt und die unterschiedlichen Freibeträge bei Schenkungs- und Erbfällen zu einem einheitlichen „Lebensfreibetrag“ zusammengefasst werden – „ohne dabei Gelegenheitsgeschenke oder andere kleine Schenkungen zu bürokratisieren“, so Rot-Grün.

Paustian-Döscher (Grüne) kritisiert „Wahlkampfgetöse in bayerischen Bierzelten“

Entschieden stellt sich die Koalition dem Vorstoß Bayerns für eine Regionalisierung der Erbschaftssteuer entgegen, wonach jedes Land seine eigenen Regeln und Sätze festlegen kann. Auch der Klage des Freistaats gegen die aktuelle Erbschaftssteuer möge der Senat entgegentreten. Ebenso lehnt man den von anderen Bundesländern und teilweise vom Bund geforderten Inflationsausgleich bei den Freibeträgen ab.

„Mit unserem Vorstoß machen wir uns für eine gerechte Erbschaftssteuer stark und bringen sie zugleich vor dem Wahlkampfgetöse in bayerischen Bierzelten in Sicherheit“, sagte Dennis Paustian-Döscher dem Abendblatt. „Die Idee der bayerischen Staatsregierung, wonach jedes Bundesland sein eigenes Erbschaftssteuersystem schaffen könnte, ist ebenso absurd wie die Forderung nach einer kompletten Abschaffung der Erbschaftssteuer.“

Pein (SPD): Alle Bürger sollen unabhängig vom Elternhaus gleiche Chancen haben

Hamburg wolle dagegen Steuerprivilegien konsequent abbauen, ohne den Mittelstand aus den Augen zu verlieren, sagt Paustian-Döscher. „Es ist zutiefst ungerecht, wenn die Erben eines Bäckereibetriebs Steuern zahlen müssen, die Erben eines Milliardenvermögens diese Steuer aber komplett erlassen bekommen. Über den finanziellen Erfolg im Leben sollte nicht das Elternhaus, sondern die eigenen Fähigkeiten entscheiden.“

Erbschaftssteuer: Steuerprivilegien vorwiegend für außerordentlich Wohlhabende

Auch Milan Pein fordert, dass die Erbschaftssteuer gerechter werden müsse: „Zu einer sozial gerechten Gesellschaft gehört, dass alle Bürger und Bürgerinnen – unabhängig vom Elternhaus – die gleichen Chancen haben. Insbesondere die in der Steuer formulierten Ausnahmetatbestände schaffen Steuerprivilegien vorwiegend für außerordentlich Wohlhabende.“

Zugleich stelle die Erbschafts- und Schenkungssteuer einen wichtigen Einnahmebestandteil unserer Stadt dar, „auf den nicht verzichtet werden kann“, so Pein. Den Forderungen aus Bayern müsse daher „entschieden widersprochen werden“.