Hamburg. Zweimal versuchte ein CDU-Senat, Anteile des Hafenkonzerns zu verkaufen – und scheiterte. Rot-Grün könnte beim MSC-Deal gewarnt sein.

Der prominente Sozialdemokrat zeigt klare Kante und langt verbal kräftig zu. „Die Veräußerung von HHLA-Aktienpaketen wäre eine unwiederbringliche Schwächung der Selbstbestimmung Hamburgs“, schreibt er dem Senat ins Stammbuch. Der Verkauf von Anteilen an der städtischen Hafen und Logistik AG (HHLA) gehe „zulasten der von Hamburg selbstbestimmten Zukunftsentwicklung des Hafens“.

Auch bei einer Teilprivatisierung des Terminalbetreibers sei „nicht mehr gesichert, dass die Stadt künftig noch die Entscheidungsgewalt über den Hafen hat“. Und dann der ultimative Kritikkick: „Hätte die HHLA nicht zu 100 Prozent der Stadt gehört, dann gäbe es heute die HafenCity nicht.“ Über die HHLA hatte die Stadt über Jahre verdeckt Grundstücke in dem Hafenareal aufgekauft.

HHLA-Geheimprojekt „Austernfischer“ – nicht der erste Anlauf

Nanu? Tut sich da ein saftiger innerparteilicher Konflikt bei den im Rathaus regierenden Sozialdemokraten auf? Der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (alle SPD) haben bekanntlich in der vergangenen Woche nicht ohne Stolz und zur Überraschung des interessierten Publikums den großen Hafendeal mit der Mediterranean Shipping Company (MSC) verkündet. Die weltgrößte Containerreederei soll über eine Tochterfirma 49,9 Prozent der HHLA-Anteile erhalten, während die Stadt mit 50,1 Prozent Mehrheitsaktionär bleibt.

MSC verpflichtet sich im Gegenzug, seine Deutschlandzentrale auf 700 Mitarbeiter zu verdoppeln und in der HafenCity neu zu bauen sowie jährlich eine Million Standardcontainer (TEU) im schwächelnden Hamburger Hafen umzuschlagen, wie MSC-Vorstandschef Søren Toft im Rathaus bekannt gab.

Zweimal versuchte der CDU-Senat 2006/07 vergeblich, einen strategischen Partner ins Boot zu holen

Nein, (noch) halten die Sozialdemokraten still, auch wenn die HHLA-Beschäftigten wie in dieser Woche mit kräftiger Unterstützung der Gewerkschaft Ver.di gegen die Teilprivatisierung Sturm laufen.

Der prominente Genosse, der oben so markig gegen den Senat zu Felde zog, war kein Geringerer als der 2016 verstorbene frühere Erste Bürgermeister Henning Voscherau, der 2006/07 den damaligen CDU-Senat attackierte. Denn unter der Führung von Bürgermeister Ole von Beust versuchte die Landesregierung damals gleich zweimal, einen strategischen Investor als Partner ins dümpelnde HHLA-Boot zu holen.

Die Deutsche Bahn sollte bei HHLA und Hochbahn einsteigen

Die Christdemokraten scheiterten in beiden Fällen und holten sich blutige Nasen. Tschentscher, Leonhard und Dressel, die sich die Altfälle natürlich genau angesehen haben, sollten dennoch gewarnt sein. Die Fallhöhe bei Strukturveränderungen eines für die Stadt so wichtigen Unternehmens wie der HHLA ist immens. Und es kommt hinzu: Der Hafen, in dem alle alle zu kennen scheinen und der als „Quatschbude“ gilt, ist ein Revier für sich.

Der erste Versuch von Ole von Beust und dem damaligen Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU), einen Partner für die HHLA zu finden, schlug bundesweit hohe Wellen und endete als Desaster. Ende November 2005 verkündeten von Beust und Peiner, dass die Deutsche Bahn (DB) bei der HHLA und der Hamburger Hochbahn (HHA) einsteigen wolle. Im Gegenzug sollten große Teile der Bahn-Hauptverwaltung mit 1500 Mitarbeitern von Berlin nach Hamburg verlegt werden. Geheimverhandlungen mit Bahn-Chef Hartmut Mehdorn stünden kurz vor dem Abschluss.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte Ole von Beust einen Strich durch die Rechnung

Doch Senat und Mehdorn hatten ihre Rechnung buchstäblich ohne den Wirt gemacht. Der Bund, Eigentümer der Bahn, sprach sich gegen den Deal aus. Die Bundesregierung lehnte den Umzug der Bahnzentrale ab.

Pikant: Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und einem sehr hartnäckigen Ole von Beust gerieten zwei Christdemokraten aneinander, die sich eigentlich gut verstanden. Der Ton zwischen Hamburg und Berlin wurde schnell rauer. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung drohte Peiner Merkel sogar mit dem Verlust der Bundesratsmehrheit.

Nach Abendblatt-Bericht wurden Verhandlungen abgebrochen

Als durch einen Abendblatt-Bericht Anfang Januar 2006 bekannt wurde, dass in einem Geheimpapier der Verhandlungen davon die Rede war, dass die Bahn eine Mehrheitsbeteiligung bei HHLA und Hochbahn erhalten sollte, kippte die Stimmung. Wenige Tage darauf erklärte Mehdorn die Gespräche für gescheitert, das Projekt war beerdigt.

Wie in Fällen spektakulären Scheiterns üblich in der Politik wurde nach dem oder den Schuldigen gesucht. Viele Christdemokraten zeigten auf Mehdorn. Von Beust immerhin räumte ein, dass das Ganze ein „Misserfolg“ sei, für den er persönlich die Verantwortung trage.

Der Investitionsbedarf im Hafen wurde auf drei Milliarden Euro geschätzt

Ganz mutlos war der CDU-Senat auch nach dem Bahn-Flop nicht. Die Veräußerung der HHLA-Mehrheit an die staatliche Bahn wäre ein „Ausnahmefall“ gewesen, so von Beust. Jetzt wurde ein Investor gesucht, der bereit war, sich mit einem Anteil von 49,9 Prozent zu begnügen – genau wie es die Vereinbarung zwischen dem rot-grünen Senat und MSC jetzt auch vorsieht. Schon damals gab es einen Investitionsstau, den die HHLA und mithin die Stadt nicht aus eigenen Mitteln stemmen konnte. Der damalige Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) rechnete mit einem Volumen von drei Milliarden Euro bis 2017.

Und das Interesse war durchaus groß. Die Deutsche Bahn wollte nun auch als Minderheitsaktionär einsteigen. Mit Dubai Ports World gab der damals weltweit größte Terminalbetreiber ein Gebot ab, und auch der Baukonzern Hochtief, mit dem der Senat wenige Jahre später bei der Elbphilharmonie so schwer aneinandergeraten sollte, wollte mit von der Partie sein. Auch der australische Finanzinvestor Macquarie Bank meldete sein Interesse an.

Die Beschäftigten der HHLA drohten damit, den Hafen lahmzulegen

Andererseits machten die HHLA-Beschäftigten nach wie vor Front gegen jede Veräußerung von Anteilen des Unternehmens. Schon wurde mit einem Streik im Hafen gedroht. Die Beschäftigten ließen mit einem Überstunden-Boykott bereits die Muskeln spielen.

Und es kam wieder anders als vom Senat geplant: Mitte März 2007 stoppte von Beust auch dieses Projekt. Angesichts der Protestaktionen sei mit erheblichen Beeinträchtigungen und der Abwanderung von Kunden aus dem Hafen zu rechnen gewesen. Es gehe darum, Schaden vom Hafen abzuwenden. „Wir können uns keinen zermürbenden Grabenkrieg im Hafen leisten“, sagte Michael Freytag (CDU), Nachfolger Peiners im Amt des Finanzsenators.

Nicht ganz unmaßgeblich für den erneuten Schwenk des CDU-Senats war auch die Tatsache, dass 2008 Bürgerschaftswahlen anstanden. Ein derart konfliktreiches Thema konnte von Beust im Wahlkampf nicht gebrauchen. An die Börse kam die HHLA trotzdem. Der HHLA-Betriebsrat war einverstanden damit, dass 30 Prozent des Stammkapitals der HHLA als Stammaktien im Streubesitz an der Börse angeboten wurden. HHLA-Mitarbeiter erhielten zudem stimmrechtslose Vorzugsaktien zu einem günstigen Preis ....

SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann war gegen den Börsengang

Interessant waren die Festlegungen führender Sozialdemokraten in der Frage der HHLA-Beteiligungen. Der damalige SPD-Bürgermeisterkandidat Michael Naumann war wie Voscherau entschieden gegen jeden Teilverkauf und somit auch gegen den Börsengang. „Wer 30 Prozent des öffentlichen Eigentums privatisiert, könnte nach der Wahl auch auf die Idee kommen, den Rest zu versilbern“, sagte Naumann im Oktober 2007. Ein Jahr zuvor hatte die SPD-Bürgerschaftsfraktion in einem Antrag lediglich gefordert, die Stadt müsse die Mehrheit an der HHLA behalten.

Peiner, der Architekt der HHLA-Privatisierungspläne des damaligen CDU-Senats, hält auch rückblickend eine Mehrheitsbeteiligung der Deutschen Bahn an dem Terminalbetreiber für die „ideale Lösung“. Das habe aber nicht funktioniert, weil Angela Merkel der Mut gefehlt habe, die Konzernzentrale aus Berlin nach Hamburg zu verlegen. In der Abwägung mit dem Einstieg etwa der australischen Macquarie Bank sei der Börsengang „letztlich die bessere Lösung“ gewesen. „Man weiß nicht, welchen Einfluss ein Private-Equity-Unternehmen perspektivisch wirklich nehmen will. Uns ging es ums Geld, das kam auch mit dem Börsengang herein“, sagt Peiner. Die eine Milliarde Euro, die der Börsengang erlöste, sollte in den Hafen investiert werden.

Die Verhandlungen mit dem Hamburger Traditionsunternehmen Hapag-Lloyd scheiterten

Und heute? Die HHLA-Beschäftigten sind wieder auf der Straße, und ihr Protest gegen den MSC-Deal wird von Tag zu Tag wütender. Hat die SPD nicht aus der Vergangenheit gelernt? Die Situation 2006/07 sei mit der heutigen nicht vergleichbar, sagt Finanzsenator Andreas Dressel. „Die Entwicklung ist weitergegangen. Heute ist der Hafen noch viel stärker globalen Einflüssen ausgesetzt. Unsere Aufgabe ist es, langfristig positive Entwicklungschancen für den Standort zu sichern“, so Dressel.

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Der Börsengang mit 30 Prozent Streubesitz sei „nicht das Gelbe vom Ei“ gewesen. Die Stadt brauche jetzt einen starken Partner, mit dem sie eine zukunftsfähige Terminalentwicklung umsetzen und angesichts erforderlicher Investitionen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit auch finanzieren kann.

Unverrückbar ist dabei die rot-grüne Position, dass es bei der Mehrheit der Stadt bleibt. Deswegen waren mehrere Anläufe – unter anderem mit dem Hamburger Traditionsunternehmen Hapag-Lloyd gescheitert, an dem die Stadt zudem auch mit gut 13 Prozent beteiligt ist.

HHLA: Die Geheimgespräche mit der MSC-Reederei hatten das Codewort „Austernfischer“

Erst die Geheimverhandlungen mit der MSC-Reederei – intern mit dem harmlos-maritimen Codewort „Austernfischer“ versehen – führten aus Sicht des Senats zum Erfolg. „Wir können nicht ewig warten“, hatte Tschentscher bei der Vorstellung des Deals gesagt.

Die Zeit drängt in der Tat: Hamburg, bis 2014 auf Rang zwei der europäischen Häfen, ist weit zurückgefallen. Der Hafen ist im Vergleich teuer, schwer zu erreichen und nicht auf dem neuesten technischen Stand. „Wir haben die Chancen einer solchen Partnerschaft vielleicht zu spät gesehen und zu lange gedacht: Wir sind so toll, wir schaffen das allein“, sagt ein führender Sozialdemokrat.

Noch ist der Senat angesichts des Gegenwinds gelassen. „Unsere Hand ist ausgestreckt“, sagt Dressel in Richtung Hapag-Lloyd. Das Tor zur Welt solle weiter offen für alle Partner sein.

Und der Austernfischer, der etwas boshaft an der Küste auch Halligstorch genannt wird, soll aus dem hässlichen Entlein HHLA einen schönen Schwan machen.