Hamburg. Innere Sicherheit wird zum Wahlkampfthema. Der Faktencheck ergibt ein überraschendes Bild. Ein Stadtteil fällt deutlich heraus.

Die Debatte um die Innere Sicherheit ist in Hamburg zurück. Manch einer fühlt sich bereits an alte Zeiten erinnert. 2001 gewannen CDU und die Partei Rechtsstaatliche Offensive, kurz PRO, die Bürgerschaftswahlen in Hamburg. Die neu aufgestellte „Schill-Partei“, wie PRO nach ihrem Gründer Ronald Schill genannt wurde, holte aus dem Stand sagenhafte 19,4 Prozent der Stimmen.

Damals war die Innere Sicherheit das beherrschende Thema der Stadt. Auch damals spielte St. Georg mit seiner Drogenszene eine tragende Rolle. Die CDU bemüht sich nach Kräften, das Thema Kriminalität mit Blick auf die Bürgerschaftswahl 2025 wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Anlass genug für einen Faktencheck.

Tatsächlich war 2001 das Jahr mit der höchsten festgestellten Kriminalität, die es jemals in Hamburg gab. 318.528 Straftaten wurden damals bei der Polizei aktenkundig. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in Hamburg 211.239 Taten angezeigt. Das ist rund ein Drittel weniger als 2001.

Polizei Hamburg: Zahlen zeigen, wie es wirklich um die Kriminalität steht

Allerdings: Die Zahl der Straftaten steigt in Hamburg zuletzt wieder an. Zuvor hatte es im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 mit 210.832 registrierten Taten den tiefsten Stand der Kriminalität seit 1980 gegeben. In den folgenden Corona-Jahren ging die Zahl der Straftaten sogar auf 186.403 (in 2021) zurück.

Entsprechend dünnhäutig reagierte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kürzlich, als die CDU in der Bürgerschaft behauptete, Hamburg sei auf dem Weg zur Hauptstadt des Verbrechens. „Mit SPD und Grünen steigt die Kriminalität in Hamburg wieder an“, so Oppositionsführer Dennis Thering (CDU). Um die Sicherheit in Hamburg sei es schlecht bestellt. „Dass Hamburg jetzt Verbrechenshauptstadt sein soll, glaubt Ihnen doch kein Mensch!“, echauffierte sich Tschentscher. Zwar gebe es Probleme am Hauptbahnhof. Aber ansonsten sei die These der CDU durch keinerlei Fakten belegt. Sicherheitshalber machte er das Thema zur Chefsache.

Hamburg seit 1979 nie so sicher wie heute – auch nicht, als CDU regierte

Der Blick auf die Fakten ergibt folgendes Bild: Geht man nach der Häufigkeitszahl, lebte man (abgesehen von den beiden Corona-Jahren) seit 1979 niemals so in Hamburg wie heute. Damals passierten 11.100 Straftaten pro 100.000 Einwohner. Im vergangenen Jahr lag der Wert bei 11.394 Taten pro 100.000 Einwohner (siehe Grafik). Zum Vergleich: 2001, dem Jahr mit den meisten Straftaten in der Stadt, betrug die Häufigkeitszahl 18.569. Die Betrachtung, bezogen auf die Bevölkerung, ist wichtig, da die Einwohnerzahl stark gestiegen ist.

Vergleicht man einzelne Deliktgruppen, schneidet Hamburg mit Blick auf die neuesten verfügbaren Zahlen gut ab. Im vergangenen Jahr gab es 7583 Fälle von Gewaltkriminalität. 2001 waren es 9554. Raubtaten wurden im vergangenen Jahr 1758 angezeigt. 2001 gab es 5279 Fälle. Die Zahl der angezeigten Vergewaltigungen betrug im vergangenen Jahr 234 Fälle. 2001 waren es 299 Taten.

So viele Wohnungseinbrüche gab es in Hamburg

Höher liegt heute dagegen die Zahl der schweren und gefährlichen Körperverletzungen. Im vergangenen Jahr gab es 5555 Fälle. 2001 waren es 3855 Taten. Und auch die Zahl der einfachen Körperverletzungen lag mit 21.059 Fällen deutlich über dem Niveau von 2001, als es 14.513 Fälle gab. Allerdings haben sich bei den einfachen Körperverletzungen die Rahmenbedingungen geändert, was zu mehr Fällen führte.

Auch um die Sicherheit zu Hause ist es relativ gut bestellt. 2001 gab es deutlich mehr Wohnungseinbrüche. Damals wurden in Hamburg 6633 Taten angezeigt, im vergangenen Jahr waren es 2506 Fälle. 2001 gab es zudem 44.207 Taten, bei denen Autos aufgebrochen oder Teile gestohlen wurden. Im vergangenen Jahr wurden in Hamburg 11.360 solcher Fälle angezeigt.

Problem: Kriminalität ballt sich an vier Brennpunkten

Das Problem ist allerdings, dass sich die Kriminalität in Hamburg an bestimmten Brennpunkten ballt. Betroffen ist vor allem der Stadtteil St. Georg. Dort wurden im vergangenen Jahr mit 20.699 Straftaten sogar mehr Fälle festgestellt als im Hochjahr der Kriminalität 2001, als dort 19.782 Taten gezählt wurden. Das ist in Hamburg einzigartig. Und auch die Gewaltkriminalität liegt in St. Georg mit 970 Fällen knapp höher als 2001, als es in dem Stadtteil 965 solcher Fälle gab.

Vor der Drogeneinrichtung Drob Inn unweit des Hauptbahnhof konzentrieren sich die Probleme.
Vor der Drogeneinrichtung Drob Inn unweit des Hauptbahnhof konzentrieren sich die Probleme. © Unbekannt | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Andere Delikte gingen in St. Georg im Vergleich der Jahre 2001 und 2022 zurück. Die Zahl der Autoaufbrüche hat sich von 1163 auf 532 Fälle mehr als halbiert. Die Zahl der Raubüberfälle im öffentlichen Raum ging von 456 auf 232 zurück. Besonders groß ist der Unterschied bei den Fällen von festgestelltem Drogenhandel in dem Stadtteil. 2001 gab es deswegen noch 2477 Verfahren. Im vergangenen Jahr waren es „nur“ 508.

Weniger Kriminalität in Hamburgs Randbereichen

Dass die Kriminalität in den Randbereichen abgenommen hat, zeigt die Zahl der in den Bezirken festgestellten Straftaten. Im Bezirk Wandsbek sank die Zahl der Taten von 44.135 in 2001 auf 28.391 im vergangenen Jahr. Eimsbüttel verzeichnete im Vergleich der beiden Jahre einen Rückgang von 27.928 auf 18.612 Taten. Im Bezirk gibt es im Vergleich beider Jahre rund 10.000 Straftaten weniger. Altona hat knapp 9000 Straftaten weniger.

Im Bezirk Mitte ist die Entwicklung – auf den ersten Blick – ähnlich. 2001 wurden dort 81.462 Straftaten zur Anzeige gebracht. Im vergangenen Jahr waren es 71.444. Allerdings gehörte damals die Elbinsel Wilhelmsburg zum Bezirk Harburg. Damit wurden die Straftaten, die damals dort passierten, nicht dem Bezirk Mitte zugeschlagen – anders als 2022.

Ein Stadtteil profitierte gar nicht von positiver Entwicklung

Bereinigt man diesen Faktor, ist der Unterschied noch größer. 2001 ereigneten sich im Gebiet des heutigen Bezirks Mitte sogar 89.392 Straften. Doch St. Georg hat, im Gegensatz zu allen anderen Stadtteilen im Bezirk Mitte, nicht von dieser Entwicklung profitieren können. Selbst der Stadtteil St. Pauli, die zweite Kriminalitätshochburg in Hamburg, verzeichnet im Vergleich der beiden Jahre einen Rückgang der Kriminalität von mehr als 10 Prozent.

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Besorgniserregend ist aber die aktuelle Entwicklung. Der Bezirk Hamburg-Mitte verzeichnet im ersten Quartal dieses Jahres eine Steigerung der Kriminalität um satte 56,6 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2022. Die Zahl der Autoaufbrüche hat sich im Vergleich dieser Zeiträume auf 1678 Taten nahezu verdoppelt. Noch höher ist die Steigerung bei den Fahrraddiebstählen mit rund 118 Prozent. Die Gewaltkriminalität nahm um knapp 41 Prozent zu.

An „Crash-Days“ arbeitet Hamburger Polizei viele Altfälle ab

Allerdings gibt es Faktoren, die den Vergleich „unscharf“ machen. Durch sogenannte „Crash-Days“, Tage also, an denen Anfang des Jahres gezielt große Mengen liegen gebliebener Altfälle abgearbeitet wurden, stieg die Zahl der in die Statistik einfließenden Taten. Dazu kommt, dass es sich um eine Ausgangsstatistik handelt, bei der Fälle erfasst werden, wenn sie ermittelt und an die Staatsanwaltschaft abgegeben wurden. So wurde Anfang 2022 eher die Kriminalität erfasst, die sich zum Ende des Corona-Jahres 2021 ereignete.

Trotzdem bleibt unter dem Strich ein Anstieg der Kriminalität im Innenstadtbereich, der sich weiter fortsetzte und im Juni und Juli um etwa 29 Prozent über dem Vorjahresniveau lag.

Polizei Hamburg: Selbst bei Jugendkriminalität gute Entwicklung

Dazu hat die Polizei vier Brennpunkte ausgemacht. Drei von ihnen – die Bereiche Hauptbahnhof, ZOB und Drob Inn – stehen mit der Drogen- und Obdachlosenszene im Zusammenhang. Der vierte Brennpunkt ist der Jungfernstieg. Dort ist Jugendkriminalität das große Problem.

Jugendkriminalität war auch 2001 eines der beiden beherrschenden Themen gewesen, als es um die Innere Sicherheit ging. 2001 wurden 20.538 Tatverdächtige unter 21 Jahren gezählt. Im vergangenen Jahr lag die Zahl bei 12.917. Errechnet man die Tatverdächtigenbelastungszahl, bei der die Anzahl der jugendlichen und heranwachsenden Täter in Beziehung zu 100.000 Hamburgern ihrer Altersgruppe gesetzt wird, ist die Entwicklung noch günstiger. Wurden 2001 noch 16.140 von 100.000 Jugendlichen und 14.636 Heranwachsende von 100.000 Heranwachsenden als Tatverdächtige ermittelt, betrug die Tatverdächtigenbelastungszahl im vergangenen Jahr der unter 21-Jährigen in Hamburg 5877.