Hamburg. Hamburgs Bürgermeister sieht Entwicklung am Hauptbahnhof als „ernstes Problem“. Was der SPD-Politiker der AfD entgegensetzt.

Hamburgs Erster BürgermeisterPeter Tschentscher (SPD) ist besorgt über die Zustände rund um den Hauptbahnhof und kündigt ein härteres Vorgehen der Polizei an. Dabei hat der SPD-Politiker auch die Bürgerschaftswahl in eineinhalb Jahren im Blick, bei der die innere Sicherheit seiner Ansicht nach ein zentrales Thema werden könnte.

Gewaltdelikte, blutige Streitereien, Diebstähle und Raube, aber auch die gestiegene Zahl von Obdachlosen und die große offene Drogenszene beim Drogenraum Drob Inn am August-Bebel-Park prägen die wenig attraktive und bedrohliche Atmosphäre rund um den Bahnhof, der als der am meisten frequentierte in Europa gilt. „Der Hauptbahnhof ist ein Punkt, wo viel passiert, was nicht in Ordnung ist“, sagte Tschentscher jetzt im Interview mit dem NDR.

Hamburg Hauptbahnhof: Polizei setzt mehr als 20 Beamte zusätzlich ein

Der SPD-Politiker betonte die Notwendigkeit, auch mit repressiven Maßnahmen und Polizeipräsenz vor Ort tätig zu sein. „Wir müssen konsequenter dagegen vorgehen. Gerade jetzt haben wir in dem Bereich noch einmal über 20 zusätzliche Polizeikräfte eingesetzt“, sagte der Bürgermeister. „Die Polizei wird auch noch weitere Schwerpunktaktionen vornehmen“, kündigte Tschentscher an.

Die Bundespolizei, die für den Hauptbahnhof zuständig ist, hat das Gebäude wie berichtet für das kommende Wochenende zur waffenfreien Zone erklärt. Das bedeutet: Von Freitag, 17 Uhr, bis Sonntag, 24 Uhr, sind unter anderem Messer aller Art, Schlagstöcke, Kampfsportgeräte, Schlagstöcke, Taser und Pfefferspray verboten. Die Bundespolizei hatte 17 Gewaltdelikte, bei denen auch gefährliche Gegenstände im Spiel waren, im ersten Quartal 2023 auf dem Hauptbahnhof registriert.

Verwahrloster Vorplatz des Drob Inn am August-Bebel-Park wird umgestaltet

Das Vorgehen der Bundespolizei ist offensichtlich im Sinne Tschentschers. „Wir haben eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, sogar so konsequent, dass uns in der Bürgerschaft vorgeworfen wird, wir seien mit zu viel Polizei dort unterwegs. Das ist aber nicht der Fall“, sagte Tschentscher. „Wir gehen viel konsequenter vor. Die Situation hat sich in den letzten Monaten ein Stück weit verbessert“, glaubt der Bürgermeister.

Andererseits investiert die Stadt wie berichtet einen „mittleren sechsstelligen Betrag“ (Ralf Neubauer, SPD, Bezirksamtsleiter Hamburg-Mitte), um den verwahrlosten Vorplatz des Drob Inn in einen besseren Zustand zu versetzen. Das Areal soll geteert und Wasserspender sowie eine Toilette aufgestellt werden. Neue Lichtmasten sollen für eine bessere Beleuchtung sorgen.

Zuletzt deutlicher Anstieg bei Zahl der Straftaten

Tschentscher hat nicht nur die Sicherheitslage rund um den Hauptbahnhof im Blick, sondern die der gesamten Stadt. „Die Kriminalitätsentwicklung in Hamburg ist ein ernstes Problem. Wir haben darauf reagiert, indem wir mittlerweile über 500 zusätzliche Polizeikräfte in den letzten Jahren eingestellt haben“, sagte der Bürgermeister dem NDR.

Nachdem die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr bereits wieder über dem Vor-Corona-Niveau lag, verzeichnete die Polizei zuletzt einen sehr deutlichen Anstieg, wie das Abendblatt exklusiv berichtete. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres stieg die Zahl der registrierten Straftaten um 21,8 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 2022. Insgesamt wurden von Januar bis Mai 2023 in Hamburg 104.122 Taten erfasst. Das waren 18.648 Fälle mehr als vor einem Jahr. Betroffen war das gesamte Deliktspektrum – von Raub, Körperverletzung, Autoaufbruch und Wohnungseinbruch bis hin zu Sexualdelikten sowie Mord und Totschlag.

Hitzige Auseinandersetzung um Sicherheit in der Bürgerschaft

Besonders stark war der Anstieg im Bezirk Mitte, in dem auch der Hauptbahnhof liegt. Hier nahm die Zahl der registrierten Straftaten um 11.593 auf 39.909 Taten zu. Das entspricht einer Steigerung um 41,8 Prozent. Deutliche Zunahmen gab es etwa bei Raub, Widerstand gegen Polizeibeamte und schweren Sexualdelikten.

„Wir ducken uns nicht nicht weg. Wir sprechen die Themen“, sagte Tschentscher mit Blick auch auf die innere Sicherheit, die von Rechtspopulisten „instrumentalisiert“ werden könne. Vor zwei Wochen noch hatte es eine hitzige Auseinandersetzung in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft gegeben, wenn auch nicht von Rot-Grün mit der AfD, sondern mit der CDU.

Tschentschers Rezept gegen die hohen Umfragewerte der AfD

„Mit SPD und Grünen steigt die Kriminalität in Hamburg wieder an. Auf Hamburgs Straßen herrscht Wildwest“, hatte CDU-Fraktionschef Dennis Thering gesagt. Hamburg sei auf dem Weg zur Verbrechenshauptstadt in Deutschland. Abgeordnete der Regierungsfraktionen hatten Thering daraufhin vorgeworfen, Fake News zu verbreiten. Seit 2015 sei die Kriminalitätsbelastung kontinuierlich zurückgegangen. Das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, sei so gering wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Diesen Kurs der Relativierung und Beschwichtigung will Tschentscher nicht zuletzt mit Blick auf die nächste Bürgerschaftswahl offensichtlich nicht weiter verfolgen. „Wir müssen an den Themen, die populistisch missbraucht werden, arbeiten. Das hilft dann auch gegen die Umfragewerte der AfD“, so Tschentscher.

Der EU-Asylkompromiss ist für Tschentscher ein Beispiel für gelungene Problemlösung

Verantwortliche Politik müsse zeigen, „wie wir Lösungen finden“. Das sei das einst von seinem Amtsvorgänger Olaf Scholz propagierte „gute Regieren, das wir in Hamburg aufrecht erhalten“, sagte Tschentscher und fügte hinzu: „Das kann man wirklich nur allen in Deutschland nur empfehlen.“

Als ein Beispiel für aus seiner Sicht gelungene Problemlösung nannte der Bürgermeister die Verständigung auf den EU-Asylkompromiss. „Wir haben jetzt eine Regelung auf europäischer Ebene, dass an den EU-Außengrenzen Migrationsbewegungen besser koordiniert und gesteuert werden, besser verteilt werden“, sagte der SPD-Politiker.