Auch zwei Tage nach dem Unwetter sind in Winterhude viele Geschäfte geschlossen. Doch die Anwohner halten zusammen.

Winterhude. Es waren dramatische Szenen, die sich am späten Montagnachmittag im Café „Mü 18“ am Mühlenkamp in Winterhude abspielten. Innerhalb von wenigen Minuten lief das Lokal an der Ecke Gertigstraße während des großen Unwetters mit Wasser voll. Schon nach wenigen Minuten standen die Mitarbeiter und die Gäste bis zur Hüfte im Nassen. „Es war erschreckend. Eine Frau hat geweint, die Gäste mussten durch die Fenster flüchten“, sagt Mia Schneeberger. Sie leitet die Brasserie, die erst vor drei Wochen nach einer monatelangen Renovierung wieder geöffnet worden war. Zwei Tage nach dem Unwetter steht sie in ihrem Laden und kämpft noch immer gegen die Verschmutzungen.

Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern putzt sie die Matschreste vom völlig zerstörten Fußboden. Auch der Rest der Einrichtung hat die Flutmassen nur schwer beschädigt überlebt. „Der Tresen, die Elektrogeräte, die Möbel, alles kaputt“, stöhnt Schneeberger. Durch den gewaltigen Druck der Fluten stürzte sogar die Eingangstür ein. Den Schaden schätzt sie auf 40.000 Euro. Die Versicherung zahlt nichts. „Das Ausmaß ist irre. Ein Genickbruch“, sagt sie. Am Mittwoch kann sie aber bereits wieder lachen. „Ich hoffe, in vier Wochen wieder aufmachen zu können“.

+++Unwetter-Bilanz: 80 Liter Regen pro Quadratmeter+++

Während in den beiden benachbarten Läden bereits wieder Betrieb herrscht, heißt es im Kartenhaus Theater- und Konzertkasse in der Gertigstraße: „Wegen Überschwemmung geschlossen“. Inhaberin Heike Karlvink betreibt das Geschäft seit 20 Jahren und ist das regelmäßige Überfluten am Mühlenkamp bereits gewohnt. Ein Unwetter wie am Montag hat sie noch nie erlebt. Die kleine Schutzwand vor dem Eingang nutzte nichts. Auch das Kartenhaus stand meterhoch unter Wasser. Der Laden ist zwar wieder begehbar, das Geschäft steht aber still. Durch die zerstörte Elektronik können keine Karten verkauft werden. Die Telekom lässt auf sich warten. Vom Schock hat sich Karlvink aber wieder erholt. „Man bekommt eine Ahnung von einer Naturkatastrophe. Zum Glück leben wir in einer Stadt, die von Tsunamis oder Erdbeben bislang verschont wurde“, sagt sie.

„Ich habe großes Glück gehabt“, sagt Karlvinks Nachbar Rumil Kapoor. Da der Fußboden seines Ladens „Namaste India“ nicht aus Holz besteht, konnte er das Wasser schnell wieder abschöpfen. Seit einem halben Jahr verkauft er indische und asiatische Lebensmittel, zwei Tage nach dem Unwetter öffnete er wieder die Türen. Im Gegensatz zu der Änderungsschneiderei Wali Wagir nebenan, die noch auf unbestimmte Zeit geschlossen bleibt.

Reges Treiben herrscht am Mittwoch am Mühlenkamp auf der Höhe des Feinkostladens D’Agate. Auf dieser Straßenseite waren die im Kellerbereich liegenden Geschäfte besonders stark betroffen. Es wird geschleppt und geschrubbt. Die meisten Läden haben noch geschlossen. Vincenzo D’Agate und seine Geschäftspartnerin Jana Frastacky verkaufen bereits wieder Obst und Gemüse, während die Aufräumarbeiten noch in vollem Gange sind. „Die Nachbarschaft hilft sich fantastisch“, sagt Frastacky. Vor dem Eingang liegen einige Sandsäcke. Das nächste Unwetter ist angekündigt, verläuft aber verhältnismäßig ruhig. Unterdessen schimpft eine Passantin über die Hauseigentümer. Seit Jahren wisse man von den ständigen kleinen Überschwemmungen, die alten Türen werden aber dennoch nicht ausgetauscht.

Auf die Wassermassen, die am Montag durch den Mühlenkamp strömten, war hier aber niemand vorbereitet. „Ich habe mein Geschäft seit 25 Jahren und es gab einige Überschwemmungen, aber so extrem war es noch nie“, sagt Nuri Gutschmidt-Özkir. Der Betreiber des Blumenladens war in seinem Geschäft, als durch eine heftige Welle eines vorbeifahrendes Busses seine Eingangstür aufgedrückt wurde. Bis zum Bauch stand er im Wasser. Nun beklagt er einen Totalschaden. „Die feuchten Wände sind alle hinüber“, sagt er. Seinen Optimismus hat er aber schnell zurückgefunden. Vor allem dank der tollen Hilfe aus den Nachbargeschäften. „Alle haben geholfen. Das war toll“, sagt Gutschmidt-Özkir und ein kleines Grinsen ziert sein Gesicht. Die Menschen am Mühlenkamp sind zusammengerückt. Das Viertel hält zusammen. Es ist die wichtigste Botschaft an diesem nassen Tag.