Hamburg. Das letzte Konzert an altem Ort wurde zur Punkrock-Party. Wobei, ist das nicht eher Pop? Egal, der Laden kann jetzt abgerissen werden.
„Mal ehrlich, der Laden fällt so langsam auseinander“, ruft Felix Schönfuss ins Publikum. Und das Publikum so: „Buh!“ Dabei meint der Adam-Angst-Sänger seine Ansage nicht böse – das Molotow ist ein Rockclub, und ein Rockclub ist im besten Fall abgeranzt, schraddelig, eng. Das ist hier gegeben, zumindest noch.
Ach, das Molotow! Hamburger Clublegende, einst im Keller der Esso-Häuser am Spielbudenplatz beheimatet, nach deren Abriss 2013 in ein – im Laufe der Jahre lieb gewonnenes – Zwischenquartier ans Nobistor verfrachtet, mit Aussicht, in das neu zu errichtende Viertel am alten Standort zurückkehren zu können.
Nur hat der Bau am Spielbudenplatz noch nicht einmal begonnen, und der Mietvertrag am Nobistor läuft aus. Zum Jahreswechsel muss also noch einmal umgezogen werden, ein paar Häuser die Reeperbahn rauf, ins ehemalige Moondoo. Und vor dem Umzug wird gefeiert: Abrissparty. Mit Adam Angst.
Adam Angst im Molotow: „Keine Ahnung, wie Punkrock funktioniert“
Das Quintett passt hier natürlich gut hin: Punkrock. Obwohl, „Punkrock“ – im Grunde ist das härtere Popmusik, mit treibenden Rhythmen, sägenden Gitarren, hymnischen Refrains. Punk ist bei Adam Angst sicher ein wichtiger Einfluss, aber, naja. Genredogmatiker allerdings waren im Molotow immer schon falsch, deswegen spielt die Band gleich als zweiten Song „Punk“, in dem sie diese Haltung ironisiert.
„Ihr habt scheinbar keine Ahnung, wie Punkrock funktioniert“, heißt es da, und wenn die Band die Kritik schon selbst formuliert, dann fällt einem erst mal nichts mehr ein. Bis auf das: Schon ziemlich tight, dieser Sound. Das will als Rockkonzert funktionieren, und das tut es auch. Ist halt keine echte Systemverweigerung. Zwischendurch ein Cover: „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten. Warum nicht, ist ja ein guter Song, und ist gerade heute auch wichtig. Aber halt nicht besonders originell.
Adam Angst in Hamburg: Was da tropft, ist vor allem Testosteron
Weil das Konzert aber so gut funktioniert, will man spätestens ab dem dritten Song „Angst“ tanzen. Und weil der Laden ausverkauft ist, tropft der Schweiß von der Decke. Wobei: Was da tropft, ist vor allem Testosteron, Adam Angst macht mehrheitlich Jungsmusik. Das weiß die Band auch, deswegen spielt sie dann „Alphatier“, eine empathische Solidaritätserklärung an Transpersonen. Zweigeschlechtlichkeit, das ist doch so was von gestern. Man kann denen einfach nicht böse sein, was natürlich auch ein Hinweis darauf ist, wie raffiniert dieses Konzert jenseits des energetischen Sounds aufgebaut ist.
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Alles passt, alle sind glücklich. Beim balladesken „Die Lösung für deine Probleme“ setzt sich Schönfuss neben die Bühne ans Piano, was zur Folge hat, dass man fast gar nichts mehr sieht. Egal. Das ist das Molotow, das ist ein Rockclub, es geht darum, ein letztes Mal zu eskalieren, ein letztes Mal zu hüpfen und zu tanzen, ein letztes Mal die steilen Stufen zu den Waschräumen hinabzuklettern. Es geht nicht darum, etwas zu sehen. Und dann Abriss.
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