Hamburg. Streifzug durch 22 Jahre Geschichte: Die Band begeistert beim Heimspiel in der Sporthalle. Auch dank namhafter Unterstützung auf der Bühne.
Das Motto für ihr Konzert, das Revolverheld vorab auf Instagram postete, hätte schlichter kaum sein können. „Ein Abend, eine Show, einmal alles.“ Und doch treffen sechs Worte selten so präzise das Geschehen. Was die Jungs von Revolverheld in der ausverkauften Sporthalle Hamburg am Sonnabend abliefern, ist genau das: einmal alles. Ein Streifzug durch die nunmehr 22-jährige Geschichte ihrer Band, die sich seit 2004 Revolverheld nennt.
Als erste Fans um kurz vor 21 Uhr nach dem gefeierten Auftritt im Vorprogramm der Hamburger Sängerin Jolle ungeduldig pfeifen, schreiten Johannes Strate und seine Kollegen vom Rang der Sporthalle durch ein Spalier. Sie klatschen Zuschauerinnen und Zuschauer ab, gehen aber nicht etwa zur Hauptbühne.
Nein, ihr Ziel ist ein kleiner abgesperrter Bereich im Innenraum, dort eröffnen sie den Abend mit einem Akustik-Set, eine Reminiszenz an ihre so erfolgreiche Unplugged-Tour 2016. Mit Hits wie „Ich werd‘ die Welt verändern“ und „Das kann uns keiner nehmen“ wird die Sporthalle gleich zum riesigen Chor. Und die Revolverhelden zeigen, dass sie sehr wohl auch leise schießen können.
Revolverheld in der Sporthalle Hamburg: erst die leisen Töne, dann rockiger Sound
Dann eilen Strate & Co. zur Hauptbühne. Aus den Boxen dröhnt rockiger Sound – der Kontrast könnte größer nicht sein. Denn jetzt lassen es die Revolverhelden krachen, genau wie zu Beginn ihrer Karriere, als die Band noch Manga und danach Tsunamikiller hieß und mit kräftigem Gitarrenrock die Welt erobern wollte.
„Wer von euch war in unserem Konzert in der Großen Freiheit im Januar?“, fragt Strate. Etliche Hände gehen hoch, aber für viele ist dieser Teil des Konzerts Neuland. Revolverheld spielt Songs aus dem Album „R/H/1“, das erste auf dem eigenen Plattenlabel, erhältlich nur als CD, LP und Download-Link. Die Streamingdienste bleiben außen vor.
Frontmann Strate schafft, dass selbst ein Song aus „R/H/1“ wie „Eine letzte Chance“, den viele Besucherinnen und Besucher noch nie gehört haben dürften, dank des „Ohoo“-Chors die Partystimmung anheizt. Doch die Band weiß, dass die Fans zum Ausklang eines so turbulenten Jahres vor allem Hits wie „Spinner“ oder „Lass uns gehen“ hören wollen.
Revolverheld in der Sporthalle: Plötzlich badet Johannes Strate im Meer von Handylichtern
Ihre mit Platin veredelten Alben haben Revolverheld mitunter sehr unfreundliche Kritik beschert. Zu viel Mainstream, zu viel Radio-tauglicher Pop. Und in der Tat schrammt das Video zu „Ich lass’ für dich das Licht an“, auf YouTube mehr als 27 Millionen Mal geklickt, hart an der Grenze zum Kitsch: Die Band lockt die Lebensgefährtin des besten Freundes von Strate unter einem Vorwand in eine Fabrikhalle, Revolverheld stimmt dort ihre Hymne über die Liebe im Allgemeinen und das Licht im Besonderen an, der Freund geht in einer Pause auf die Knie, macht den Heiratsantrag, sie nimmt an, die Band spielt wieder auf, dann müssen Taschentücher her.
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Selbstredend darf der Song auch in der Sporthalle nicht fehlen, Strate badet in einem Meer von Handylichtern. Hier zeigt sich einmal mehr: Revolverheld gehört zu den besten Liveacts im deutschsprachigen Raum. Hier konzertiert keine Band, die einen kometenhaften Aufstieg dank irgendwelcher Castingshows hingelegt hat. Sondern Freunde, die es auf die harte Tour nach oben geschafft haben. Strate erinnert kurz an den ersten, verschimmelten, fensterlosen Proberaum, ganz in der Nähe der Sporthalle.
Revolverheld mit prominenter Unterstützung: Hamburger Goldkehlchen mit auf der Bühne
Nun, zwei Jahrzehnte nach ihrem Debüt unter ihrem jetzigen Namen, holt sich Revolverheld regelmäßig prominente Unterstützung auf die Bühne. In der Sporthalle werden die Hamburger Goldkehlchen enthusiastisch gefeiert. „Dieser Männerchor ist Hamburgs erfolgreichste Band. Wer ist schon Udo Lindenberg?“, lacht Strate und erinnert daran, dass die Goldkehlchen binnen 76 Minuten alle 14.000 Tickets für das für den September 2025 geplante Konzert in der Barclays Arena verkauften. Die Goldkehlchen singen an diesem Abend mit Revolverheld „Einfach machen“, den Song der ARD für die Olympischen Spiele in Paris.
„Dieser Männerchor ist Hamburgs erfolgreichste Band. Wer ist schon Udo Lindenberg?“
Für das Motto „Einfach alles“ gönnt sich Revolverheld eine weitere hochkarätige Verstärkung. Das Streichquintett, das Strate und den Pianisten Sebastian Knauer bei der Tour „Klassik meets Pop“ begleitete, sorgt bei den Balladen im letzten Teil des Konzerts für frenetischen Applaus.
Nächstes Revolverheld-Heimspiel in Hamburg ist schon terminiert
Nach mehr als zwei Stunden verabschiedet sich die Band. Am 21. November 2025 wird Revolverheld mit einem Best-of-Programm ihr nächstes Heimspiel feiern, diesmal in der Barclays Arena (Tickets ab 65,55 Euro).
Und dann? Jüngst hat die Band angekündigt, sich eine längere Schaffenspause zu gönnen. In einem Interview mit dem Magazin „Stern“ sagte Strate, er könne sich sogar einen Bürojob vorstellen: „Ich würde mich vielleicht nicht gleich 40 Stunden die Woche anstellen lassen. Aber für ein Projekt zu arbeiten, das kann ich mir gut vorstellen.“ Auch ein Intermezzo als Olivenbauer in Griechenland sei denkbar.
Wer Strate als Frontmann in der Sporthalle erlebte, kann sich das nur schwerlich vorstellen. Andererseits schaden neue Wege nie. Hauptsache, sie führen irgendwann wieder auf die Bühne.
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