Hamburg. Das Hip-Hop-Quartett machte Station in Smudos Hood. Aber es war nicht der Lokalmatador, dem die spezielle Liebe des Publikums galt.

Das aktuelle Album der Fantastischen Vier heißt „Longplayer“ und gefällt uns gut. Ja, Mann, das ist das fresheste Werk der deutschen Hip-Hop-Pioniere seit einiger Zeit. Ist ja oft so. Im reifen Alter laufen Menschen zu länger nicht aufgerufener Bestform auf.

Beim bejubelten Auftritt in der Barclays Arena wurden am Mittwochabend etliche der neuen Tracks gespielt – ziemlich charmant übrigens die Langspielplatte auf dem Screen vor Konzertbeginn, stylish und heutig, verziert mit der Giraffe vom Cover des aktuellen Albums.

Die Fantastischen Vier in Hamburg – Schwaben mit Schweinebeats

Und anders als sonst so oft, wenn Acts ihr neues Zeugs unbedingt spielen müssen, störte die Gegenwartsgeilheit diesmal nicht. Weil die Nostalgie halt auch nicht zu kurz kam. „Die da?!“, der Song, der deutschsprachigen Rap 1992 mit Aplomb in den Mainstream schoss, ertönte gleich als Zweites. Und da war die Barclays Arena dann schon komplett auf den Beinen.

Moses Pelham war ja gerade auf Abschiedsvorstellung in Hamburg. Musste man jetzt dran denken, der Rödelheimer Hartreimmeister brachte unschuldigen deutschen Mittelstuflern einst bei, was ein Diss ist. Den Rap der Fantastischen Vier hielt er für Schlager.

Die Fantastischen Vier
Der kann das noch und macht das richtig gut: Smudo © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

War uns egal. Auf der Löffelliste stand lange Jahre anschließend: ein Konzert der Fantastischen Vier besuchen. Hat dann jetzt geklappt, und es mundete ziemlich gut. Um auf die neuen Tracks zurückzukommen, „Weekendfeeling“ kam direkt nach dem Smashhit von einst. Eine programmatische Wahl trotz mittwochiger Wochenendferne: „Alle kommen und feiern dich, keiner weiß wie alt du bist (warum? warum?)“ – was Mittfünfziger halt so beschäftigt. „Scheißegal wie vielter Frühling/Dreißig Jahre Weekend-Feeling/Alle deine Lieblingslieder/Und wir spielen, spielen, spielen, spielen sie wieder“ war dann die Losung des knapp zweistündigen Abends.

Die rappende Dreieinigkeit in der Barclays Arena

Die Fantastischen Vier
Mit den Fanta 4 zurück in die 1990er-Jahre hip-hoppen. Am Mittwoch hat das erstaunlich gut funktioniert. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Auf dem die rappende Dreieinigkeit von Seit-fast-30-Jahren-Hamburger Smudo (lange Eimsbüttel, jetzt Winterhude), Thomas D. und Michi Beck (dem das Publikum unaufgefordert ein Geburtstagsständchen sang, das ist Fan-Liebe!) zelebriert wurde, während And. Ypsilon an den Tasten hantierte oder lässig auf der Bühne herumstand. So war es immer, so soll es weiter sein, als Abschiedstournee ist die aktuelle Hallenfahrt durch Deutschland jedenfalls nicht gedacht.

Warum auch, das Quartett lief auch in Hamburg wie eine Maschine, wobei das Öl wie gehabt das gerappte Wort ist. Er war ein Statement, dieser Auftritt: Pausen gönnten sich die Fantastischen Vier jedenfalls so gut wie gar nicht. „Endzeitstimmung“ (fett), „Win Win Win“ (noch fetter), Song folgte auf Song, Rapper meiden die Stille, ein Wort gibt das Wort. Eine Message des Abends war „Laut gegen Nazis“, eine Hamburger Initiative, für die die Band in der Barclays Arena warb.

Schlagzeuger und Percussionist wirbelten energisch. Beats, ganz analog. Gitarrist und Bassist gab es ebenfalls; wobei der Sound insgesamt bisweilen ins Dröhnige suppte. Die Fundament-Platten, die alten Longplayer kamen zu ihrem Recht, „Lauschgift“, „Die 4. Dimension“, „4:99“ und so. „MfG“ (niedlich, diese Sprachkritik von einst) und „Troy“ sind die Top-Hits, die man von der Setlist streichen würde, müsste man die (mehr als 30 Lieder) denn straffen.

Auf die süßen Grüße aus den jungen Neunzigerjahren möchte man niemals verzichten

Niemals verzichten würde man auf „Populär“ (auf der aktuellen Tour in einer Quetschversion) und „Picknicker“ (ebenso, bedauerlicherweise ), diese süßen Grüße aus den jungen Neunzigerjahren, als bei SWF3 mit Pop geschmierter Hip-Hop in schwerer Rotation lief. Und „Sie ist weg“? Man hatte ganz vergessen, wie catchy diese Band oft ist und niemals so sehr wie hier.

Die Menschen – geschätzt 11.000, unter ihnen, hört, hört, auch wahnsinnig textsichere Teenager – in der Barclays Arena fühlten sich von der Hitparade (groß, immer noch: „Einfach sein“, „Tag am Meer“) der Schwaben abgeholt. Im relaxten Rhythmus der Hip-Hop-Hau-Degen wiegten sich die Körper von Jung und Ältergewordenen, es war über die gesamte Dauer der selbstbewusst dargebotenen Show alles im Flow. Und es hat sich immer gereimt. Nach knapp einer Stunde mit dem ein oder anderen ordentlich reinballernden Stück kochten die Musiker mit dem tollen, neuen „Was man will“ die Stimmung erst mal runter. Der langsame Groove, ein schnelles Durchatmen.

Diese Band hat viel für die deutschsprachige Popmusik getan. Verglichen mit dem Gangsta-Rap, der Straßenkampf-Variante des Hip-Hop, sind die Songs („Hitisn“, „Danke“, „25“, „Wie weit“) der Fantastischen Vier meist eminent fröhliche Erinnerungen daran, dass Melodien (mit der Schweinerockformel wie in „Man erntet, was man sät“ oder „Aufhören“) irgendwie doch besser als krasse Aggro-Lines sind.

Und jetzt alle die Schwenkearme hoch!

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