Hamburg. Der Startrompeter Till Brönner ist in Hamburg ganz schön gefühlsduselig. Da kann die Seele baumeln – sogar ein Frosch hat einen Auftritt.
Heute ist mehr Lametta. Güldene Fäden hängen am Tannenbaum im ausverkauften Michel. Und die Trompete von Till Brönner glänzt mit dem Schmuck um die Wette. Der Jazzmusiker hat zum Weihnachtskonzert geladen und schlägt dabei sein ganz persönliches Liederbuch auf. Ein Programm, dem es nicht an Populärem und Puderzuckrigkeit mangelt. Also einfach mal die Seele baumeln lassen wie eine Christbaumkugel.
Sehnsuchtsvoll und melancholisch beginnt Brönner mit dem Abschiedssong „Auld Lang Syne‟. Ein schöner Start. Innehalten im vorweihnachtlichen Trubel. Kurz durchatmen. Das Jahr neigt sich dem Ende. Was war das Wesentliche?
Till Brönner im Michel: Wie einer dieser typischen Weihnachtsfilme
Geschmeidig jazzend nimmt seine vierköpfige Band Fahrt auf. Brönner singt „White Christmas“ mit dunklem Timbre. Schwarzes Sakko, das weiße Hemd am Kragen locker geöffnet. Ein festlicher Crooner. Und sachte swingend geht es mitten hinein ins „Winter Wonderland“. Sein Flügelhorn korrespondiert nuanciert mit der starken, emotionalen Stimme von Sängerin Kim Sanders. Das Duett wird freier, gospeliger.
Immer wieder gibt der 53-Jährige den Conférencier zwischen nostalgisch und kalauernd. „Sissi“ oder „Stirb langsam“ als Weihnachtsfilm? Bei Brönner muss es „Frühstück bei Tiffany“ sein, weshalb er Henry Macinis ikonisches „Moon River“ durch das Kirchenschiff fließen lässt. In diesem Moment ist die kollektive Kraft zeitlos schöner Musik deutlich zu spüren.
Konzert im Michel: Selbst Whams „Last Christmas“ erklingt in einer lässig-eleganten Variante
Mit Luis Bacalovs Komposition zum Film „Il Postino“ hat der Trompeter aber auch unbekanntere Nummern im Repertoire. Und sogar Kermit der Frosch hat als Handpuppe eine Einlage mit „It‘s Not Easy Being Green“. Eine Kindheitserinnerung.
Immer wieder verleiht Brönner den Stücken seinen eigenen Twist. „Let It Snow“ wird spielerisch verjazzt. „Stille Nacht“ wiederum gibt es in einer ausgedehnten Samba-Variante – inklusive Perkussion-Improvisation von David Haynes. Der Schlagzeuger erzeugt gemeinsam mit dem musikalischen Leiter Christian von Kaphengst am Bass, Fausto Beccalossi am Akkordeon und Olaf Polziehn am Klavier einen transparent perlenden Sound, der Brönners Spiel und Gesang zum Strahlen bringt.
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Selbst Whams „Last Christmas“ erklingt in einer lässig-eleganten Variante. Und im Mix mit „Feliz Navidad“. Bis das Publikum im ausverkauften Michel zusammen singt: „I wanna wish you a merry christmas“.
Nach knackigen, gut anderthalb Stunden ist der Abend vorbei. Wie einer dieser typischen Weihnachtsfilme. Ganz schön gefühlsselig. Und zwei Wochen vor Heiligabend deshalb genau richtig.
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