Hamburg. In die Laeiszhalle kam die Band gleich zweimal, gespielt wurden ausschließlich Frühwerke. Drei Stunden Energie, zum Teil mit neuer Crew.

  • Es gibt Lieder auf den alten Alben, die selbst BAP-Ultras kaum erinnern
  • Wolfgang Niedecken trat seine Zeitreise mit einer neuen Crew an
  • Das wirklich letzte Lied spielte Niedecken ganz allein

Die Grundregeln gibt der Meister höchstselbst gleich zu Beginn in der Laeiszhalle bekannt. „Wir machen keine Pause, geben keine Zugaben“, sagt Wolfgang Niedecken. Eine Zeitreise ohne Zwischenstopp und Extras also. Zurück in die frühen 1980er-Jahre. Als eine Band namens BAP mit Kölsch-Rock die Bundesrepublik eroberte.

Niedecken wird an diesem Abend ausschließlich Frühwerke spielen, alle Songs der bis heute erfolgreichsten BAP-Alben „Für Usszeschnigge“ (1981) und „Vun drinne noh drusse“ (1982), die sich mehr als eine Million Mal verkauften, ergänzt um ein paar noch ältere Lieder, die Niedecken schrieb, als BAP noch ausschließlich in Kölner Kneipen und bei Stadtfesten gastierte.

BAP in Hamburg: Das allerletzte Lied spielt Wolfgang Niedecken ganz allein

Die Idee, sagt Niedecken, sei bei der vergangenen Tour gereift, als BAP als Ausgleich für die vielen neuen Songs etliche Lieder aus eben dieser Zeit spielte: „Da gab es Leute, die hatten Tränen in den Augen.“ Da sei ihm klar geworden, wie viele seiner Fans ihre Biografien mit diesen Liedern verbinden. Vom ersten Kuss über grandiose Uni-Partys bis zu Friedensdemonstrationen.

Solche Zeitreisen sind nie ohne Risiko. Derart geballt können Songs über mehr als vier Jahrzehnte ihren Sog verlieren. Und es gab eben auch Lieder auf diesen Alben, die selbst BAP-Ultras kaum erinnern, weil die Band sie fast nie live gespielt hat. „Fuhl ahm Strand“ etwa, ein Song über verschollene Freunde, das Niedecken bei einer Griechenland-Reise schrieb.

Fast alle Konzerte der erfolgreichen Tour sind ausverkauft

Spätestens nach „Nemm mich mit“ wird klar, dass das Experiment gelingt. Das Publikum tobt, bei „Wellenreiter“ muss Niedecken nur die ersten Wörter der Strophen ansingen, den Rest übernehmen die Fans, die sich genau nach diesem Trip in den Jungbrunnen gesehnt haben. Ja, alles „Verdamp lang her“, um den bekanntesten BAP-Song zu zitieren, der natürlich ebenfalls auf der Setlist steht. Aber eben auch immer noch verdammt gut.

Doch das erklärt den Erfolg der Tour – fast alle Konzerte sind ausverkauft, angesichts des Andrangs in Hamburg buchte BAP die Laeiszhalle für zwei Abende – nur zum Teil. Niedeckens Zeitreise gelingt auch deshalb so famos, weil er sie im Vergleich zum Karrierestart mit einer neuen Crew antritt. Bassist Werner Kopal (seit 1996 dabei) und Keyboarder Michael Nass (seit 1999) gehören zwar zu seinen alten Weggefährten, aber eben nicht zur Gründungsformation. Es zeigt Niedeckens Willen zur Perfektion, dass er in den vergangenen Jahren Künstler außerhalb des kölschen Musikerkosmos in seine Band holte.

Mehr Kultur in Hamburg

Und sie kommen, so viel Lokalpatriotismus darf an dieser Stelle mal sein, aus Hamburg: Schlagzeuger Sönke Reich, geboren in Eimsbüttel. Sowie die Multiinstrumentalistin Anne de Wolff und ihr Mann Ulrich Rode an der Leadgitarre aus Wellingsbüttel, neben ihrem BAP-Engagement auch im Einsatz für Branchen-Giganten wie Helene Fischer, Mark Forster und Revolverheld. Wolff und Rode sorgen dafür, dass die BAP-Songs nach vier Jahrzehnten besser klingen denn je – auch dank eines famosen Bläser-Trios, das Niedecken engagiert hat.

BAP in Hamburg: Energieleistung des 73-jährigen Niedecken in der Laeiszhalle

Nach „Et letzte Leed“ verlässt die Band unter tosendem Jubel die Bühne, das wirklich letzte Lied spielt Niedecken ganz allein. „Helfe kann dir keiner“, seine bekannteste Liebesballade, die er schrieb, als es noch nicht einmal einen Namen für die Band gab. Dann verneigt sich Niedecken, in den Applaus mischt sich Bewunderung. 2011 hat der BAP-Gründer einen schweren Schlaganfall überstanden. Und nun liefert der 73-Jährige weiter Abend für Abend mehr als drei Stunden ab. Ohne Pause. Was für eine Energieleistung. Mehr geht nicht.

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