Hamburg. Paavo Järvi, Kalev Kuljus und das NDR Elbphilharmonie Orchester heben ein Oboenkonzert aus der Taufe. Warum ein anderes Werk mehr überzeugt.
11. Januar 2017. Das Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie beginnt mit dem Ton einer einzelnen Oboe. Von hoch oben aus dem Rang schickt Kalev Kuljus, Solooboist des NDR Elbphilharmonie Orchesters, „Pan“ von Benjamin Britten in den Saal.
Knapp acht Jahre später spielt Kuljus den „Pan“ wieder, dieses Mal als Zugabe. Soeben hat er mit seinem Orchester das Oboenkonzert „Desert Wind“ von Erkki-Sven Tüür uraufgeführt. Und nun – sagt Brittens sinnliche, witzige Miniatur mehr als Tüürs halbstündiges Werk. „Desert Wind“ führt vor, was Kuljus alles kann. Er trillert und spielt dazu Staccato, entlockt seiner Oboe zwei Töne gleichzeitig oder erzeugt flatternde Klänge. Das Ganze drapiert Tüür in farbig orchestrierte Klanglandschaften, aber die Musik ist allzu oft mehr desselben.
Elbphilharmonie: Mehr als das Oboenkonzert überzeugt Kalev Kuljus‘ Zugabe
Vorweg hat Paavo Järvi die Sinfonische Suite aus der Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ von Prokofjew dirigiert. Worum es inhaltlich geht, ist nicht wichtig. Die rhythmusgetriebene Aggressivität spricht für sich. Allenthalben marschiert es, grummeln drohend die Bässe, ballen sich Pauke und Blech zu grellen Schlägen zusammen. Erst im fünften Satz „Der Prinz und die Prinzessin“ kommt mal kurz lyrische Stimmung auf, verschmilzt ein duftiger Streicherklang mit dem des Horns. Aber gleich geht die Jagd wieder los. Frech und wach spielen sie das.
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Die Erste Bruckner am Schluss bleibt dagegen blass. Auch unter dem Magier Järvi kommt sie über das Gedachte, Gebaute der Brucknerschen Sinfonik nicht hinaus. Für dynamische Extreme, aber auch für die allerletzte klangliche Raffinesse scheinen die Reserven zu fehlen. Es ist, als hörte man, wie viel das Orchester zurzeit zu stemmen hat. Das Mammutprojekt mit Schönbergs „Jakobsleiter“ liegt nicht einmal eine Woche zurück. Nächste Woche geht es weiter mit Verdi, Byström und Elgar.
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