Hamburg. Geigerin und Pianist begeistern mit ungebremster Spielfreude und fast schwebender Leichtigkeit. Das Publikum dankt es ihnen auf besondere Weise.

Ein Kammermusikabend solcher Qualität kann, obwohl das unter Kennern ja eher verpönt ist, schon mal zur Folge haben, dass selbst bei den kürzeren Violinsonaten der Klassik schon nach jedem einzelnen Satz Applaus losbricht. Die Geigerin Julia Fischer und ihren Begleiter, den jungen kanadischen Pianisten Jan Lisiecki, störte das bei ihrem Pro-Arte-Auftritt in der Elbphilharmonie aber keinen Deut.

Mit einer Eleganz und Feinheit spielten sie im Rahmen ihrer aktuellen Tournee Sonaten von Mozart, Beethoven und Schumann so perfekt und ausgewogen, fein und inspiriert, wie man diese Standardwerke selten zu hören bekommt. Alles war erfüllt von einer ungebremsten Spielfreude, Lebendigkeit und Helligkeit und zeigte, wie stark sich die beiden Musiker seit ihrer ersten Begegnung beim Rheingau Musik Festival 2022 einander musikalisch angenähert haben.

Elbphilharmonie Hamburg: Julia Fischer und Jan Lisiecki – ein Duo mit fast schwebender Leichtigkeit

Mozarts Violinsonate B-Dur KV 317d aus der sechsteiligen Sonatengruppe, die der Salzburger kurz nach seiner Kündigung beim Fürsterzbischof und dem Umzug nach Wien 1781 fertiggestellt hatte, begann leicht und gefällig, war aber unmittelbar auch von starken dynamischen Kontrasten und einer wunderbar klaren Phrasierung geprägt.

Fischer stand halb im Rücken des Pianisten, suchte aber immer wieder den Blickkontakt zum Pianisten, sodass auch nicht die kleinste Nuance im rauschenden Fluss des Allegro moderato verloren ging. Selbst die forschere Durchführung war von der Feinheit des Spiels beider Solisten durchdrungen, und der Satz endete ohne wuchtige Schlussakkorde in einer fast schwebenden Leichtigkeit.

Lisiecki bestimmte den Beginn des Andantino zunächst markant in der tiefen Lage, bevor Fischer mit einzigartigen Kantilenen die Führung übernahm. Trotz des hohen Tempos im Rondeau-Allegro ruhte auch das Finale förmlich in sich selbst, selbst wenn zwischengeschaltete Schlussfiguren oder breite Ritardandi die perlenden Läufe kurz ins Stocken brachten.

Rasendes Tempo – Fischer und Lisiecki gewinnen Herzen des Hamburger Publikums

Weit dramatischer begann danach Beethovens Violinsonate Nr. 3 Es-Dur aus der 1797/98 entstandenen Sonatengruppe op. 12. Für den damals erst 28-jährigen Beethoven galt es, gleich in den Anfangstakten mit harten Gesten Aufmerksamkeit zu erwecken, bevor das Allegro con spirito in eines der für ihn so typischen ergreifend lyrischen Seitenthemen übergeht.

Es war hinreißend, wie Lisiecki mit voll griffigen Akkorden und wilden Läufen, die in rasendem Tempo zuweilen förmlich abstürzten, die Kraftentladungen dieses Satzes steuerte und Fischer darauf mit Zartheit antwortete. Auch im Adagio gewann sie die Herzen des Publikums durch ihre gerade, nur mit vorsichtigem Vibrato verzierte Tongebung.

Tosender Applaus in der Elbphilharmonie Hamburg für Fischer und Lisiecki

Bei der großen Violinsonate Nr. 2 d-Moll op. 121 von Robert Schumann nach der Pause wurden nach einem langen, nur von kurzen Klavierakzenten unterbrochenen Geigensolo dann aber noch ganz andere Energieschübe freigesetzt.

Die Dynamik war weit frontaler als bei den klassischen Sonaten, obwohl es neben der drängenden Grundstimmung des Kopfsatzes und trotziger motivischer Gestik auch immer wieder feinste Zäsuren und fast federnd angeschlagene Töne im Klavierpart gab.

Mehr News aus der Elbphilharmonie Hamburg

Nach Bravissimos, aufs Podium geworfenen Blumen und tosendem Applaus spielten die beiden zum Schluss dann noch eine Mélodie aus Tschaikowskys „Souvenir d’un lieu cher“ op. 42 und ein Scherzo aus Brahms’ Violinsonate c-Moll als Zugabe.

Sternstunde oder Reinfall? Jeden Monat rezensieren wir für unsere Abonnentinnen und Abonnenten mehr als 100 Konzerte, Theatervorstellungen, Choreografien, Bücher, Ausstellungen, Serien oder Filme. Hier finden Sie alle Kritiken – was Sie in Hamburg gesehen, gehört oder gelesen haben müssen!