Hamburg. In der Laeiszhalle überrascht der Liedermacher mit einem ungewöhnlichen Programm. Auch die Serie „Kir Royal“ spielt eine Rolle.

Gleich zu Beginn sagt Konstantin Wecker, dass es ein langer Abend in der fast ausverkauften Laeiszhalle werden wird. „Drei Stunden werden wir spielen“, sagt der Liedermacher. Es ist bereits sein drittes Gastspiel binnen 13 Monaten an der Elbe. Im Oktober 2023 konzertierte er mit seinem Pianisten Jo Barnikel in der Elbphilharmonie („Lieder meines Lebens“), im Mai gastierte er mit „Utopia 2.0“ in der Laeiszhalle.

Diesmal wagt sich der Künstler auf Neuland. Der 77-Jährige präsentiert eine Auswahl seiner Filmmusiken. Wer Wecker nur flüchtig kennt, verbindet ihn mit seinen Liedern für Frieden und gegen Faschismus („Willy“, „Sag nein“) und über die Liebe („Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“). Fans wissen, dass Wecker die Melodien für die TV-Serie „Kir Royal“ und die Satire „Schtonk“ über den Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher geschrieben hat. Doch selbst Wecker-Ultras werden an diesem Abend von der Vielzahl der Filmmusiken überrascht, die ihr Idol noch komponiert hat.

Laeiszhalle Hamburg: Konstantin Wecker wagt etwas Neues – drei Stunden lang

Bei der Premiere von „Soundtrack meines Lebens“ in München 2023 griff Wecker ins oberste Regal, konzertierte mit dem Orchester der Bayerischen Philharmonie. Bei der aktuellen Tour begleitet ihn nur seine vierköpfige Band, ergänzt mit der russischen Opernsängerin Elmira Karakhanova.

Das Experiment gelingt, weil Barnikel, seit 30 Jahren an Weckers Seite, das Programm kunstvoll arrangiert hat. Jürgen Spitschka vom Staatstheater Stuttgart bedient klassisches Schlagwerk und Drums, die Cellistin Fany Kammerlander greift auch zum E-Bass, Norbert Nagel wechselt zwischen Querflöte, Saxofon und Klarinette – allesamt Ausnahmekönner.

Den zeitlichen Bogen spannt Wecker über fünf Jahrzehnte. Wobei er auf sein erstes jemals in einem Kinofilm ausgestrahltes Lied verzichtet, der Song für den Softporno „Beim Jodeln juckt die Lederhose“ sei dann doch ein „Griff ins Klo“ gewesen. Dann spricht Wecker über die Künstlerinnen und Künstler, „denen ich so viel zu verdanken habe“. Allen voran Michael Verhoeven, für dessen Film „Die weiße Rose“ über die Widerstandsbewegung Wecker die Filmmusik schrieb. Die Band spielt zunächst das Titelmotiv, dann singt Wecker seine Hommage an die Geschwister Scholl: „Ihr habt geschrien, wo alle schwiegen – es ging ums Tun und nicht ums Siegen!“ Besonders stolz, sagt Wecker, sei er auf die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Margarethe von Trotta, für deren Film „Schwestern oder Die Balance des Glücks“ er die Musik komponierte.

Konzert Hamburg: Auch die legendäre Titelmelodie von „Kir Royal“ stammt von Konstantin Wecker

Mitunter trieben Zufälle seine Karriere als Komponist voran. Helmut Dietl etwa begegnete er in Schwabing im Treppenhaus. Die beiden kamen ins Gespräch, Dietl fragte, ob Wecker die Musik für die geplante Serie „Kir Royal“ schreiben wolle. „Ich wollte natürlich“, sagt Wecker. Aber Dietl habe alle Vorschläge abgelehnt: „Ich brauche etwas Lustiges.“ Eine Nacht vor der Abgabe küsste Wecker dann die Muse. Er rief Dietl an, pfiff ihm eine Melodie ins Telefon. Dietl war begeistert, die legendäre „Kir Royal“-Titelmusik war geboren.

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Wecker kann sich darüber noch immer köstlich amüsieren. Und doch begleitet ihn an diesem Abend auch die Melancholie. Viele Weggefährten sind tot, Verhoeven starb im April, Dietl 2015. Sein Publikum entlässt er an diesem Abend mit seinem tröstlichen Gedicht „Augenblick“, das Wecker seinen „wichtigsten Text“ nennt: „In der Zeit muss alles sterben, aber nichts im Augenblick.“