Hamburg. Die persönlichen Erfahrungen von Marguerite Duras inszeniert Moritz Rux im Malersaal als ergreifend aktuelles Kolonialismus-Stück.

Der Gaul ist tot. Und für Suzanne und Joseph ist eine weitere Hoffnung dahin, den prekären, mit Schulden belasteten Verhältnissen ihres fruchtlosen Bodens zu entkommen. Da können ihre Kleider noch so verheißungsvoll glitzern (Kostüme: Adriana Braga Peretzki). „Nur Reichtum ist Glück. Nur Dummköpfe behaupten das Gegenteil“, ist Suzanne überzeugt. Und den Reichtum sollte eigentlich der Handel mit Erzeugnissen des Küstenlandes liefern. Doch es kam anders. 

Die Reihe „Realnische 0“ im Malersaal des Schauspielhauses erforscht – in Julia Oschatz‘ Schwarz-Weiß-Einheitsbühnenbild – weiterhin die drängenden Fragen der Zeit. Die aktuelle Premiere „Eden Cinéma“ von Marguerite Duras (1914–1996) in der Inszenierung von Moritz Rux widmet sich darin einem Kapitel der Vergangenheit, das gleichwohl in die Gegenwart wirkt: dem Kolonialismus. Duras verarbeitet in ihrem Theaterstück wie immer Autobiografisches.

„Eden Cinéma“ in Hamburg: Ausbeutungs-Drama mit überzeugendem Schauspiel

Die Autorin ist selbst in Südvietnam geboren. Ihre Mutter war Lehrerin und Pianistin im Kino. Früh verwitwet, pachtete sie Reisfelder im heutigen Kambodscha von der Kolonialverwaltung, doch der vom Salz des Meeres verwüstete Boden wird zum Fluch. Die Familie vegetiert in Armut. In dem 1950 zunächst als Roman verfassten „Eden Cinéma“ sieht Duras die Ausbeutung des damaligen „Indochine“ erstmals kritisch. 

Als die schillernd verführerische Suzanne den einen dicken Wagen fahrenden Großhändler-Erben Jo trifft, hofft sie auf eine einträgliche Vermählung und nötigt dem Verliebten Geschenke ab, die sie zu Geld machen will. Materialismus und Abgebrühtheit begraben bei allen Familienmitgliedern zunehmend jede Moral und jedes aufrechte Gefühl. 

Die Figuren agieren wie grausame, empathielose Puppen

Dem jungen Regisseur Moritz Rux ist seine Assistenz bei Frank Castorf – nicht nur beim kurzzeitigen Videoeinsatz – anzumerken. Da ist kein hoher gekünstelter Ton zu hören, seine Figuren agieren wie grausame, empathielose Puppen. Doch so recht mag die Inszenierung nicht zünden. Am Ensemble liegt es nicht, das macht seine Sache großartig: Alberta von Poelnitz gibt ihrer Suzanne einen Überlebenswillen, der schaudern lässt, und Mehmet Ateşçi der Rolle des Joseph eine berührende Hoffnungslosigkeit. 

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Josef Ostendorf glänzt in der Rolle der Mutter. Rosa Lembeck wirkt als Jo auf der Suche nach echtem Gefühl aufrichtig verloren. Sie alle haben eindringliche Monologe und wirken doch von der Regie ein wenig alleingelassen, die nicht recht deutlich macht, wohin sie mit der Inszenierung will. Die Erkenntnis, dass die Aneignung und Ausbeutung des fremden Bodens ins Unglück aller führt, ist allerdings überdeutlich spürbar.  

„Eden Cinéma“ weitere Vorstellungen 27.10., 19.30 Uhr, 3.11., 19 Uhr, 24.11., 19 Uhr, 29.12., 19 Uhr, Malersaal im Schauspielhaus, Kirchenallee 39, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de 

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