Hamburg. Im Ernst Deutsch Theater hat der Monolog der Hamburger Schauspielerin Premiere. Warum er auch Jahre nach der Uraufführung noch berührt.
Meistens geschätzt, auch mal unterschätzt und vernachlässigt, oft besungen und von der Werbung kommerzialisiert: Freundschaft ist ein weites Feld. Was ist sie wert? Wie sieht sie aus? Wie kann sie mit Leben – und das möglichst lange – erfüllt werden? Das hat sich die Hamburger Schauspielerin und Autorin Gilla Cremer gefragt
Antworten, heitere wie nachdenkliche, liefert ihr Stück „#Freundschaft“, das sie dieser Tage erstmals im Ernst Deutsch Theater zeigt. Geht es nach den Reaktionen des Premierenpublikums an der Mundsburg, trifft Cremer auch acht Jahre nach der Uraufführung an den Kammerspielen mit ihrem sich stetig weiterentwickelnden Abend den Nerv vieler, insbesondere derer in den besten und allerbesten Jahren. Die meisten im Parkett zollen ihr sowie ihrem Pianisten Gerd Bellmann nach zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) stehend Beifall.
Theater Hamburg: Gilla Cremer, ein starkes Stück auf die „Freundschaft“
In ihrem durchaus autobiografisch geprägten Monolog über die Freundschaft rückt Gilla Cremer vier Schulfreunde ins Zentrum, gibt selbst die Schauspielerin Ruth, durchbricht aber anfangs gleich mal die sogenannte vierte Wand, indem sie das Publikum mit Aussagen über die Freundschaft konfrontiert und nach den Zitatgebern fragt. Nach Antoine de Saint-Exupéry kommen, mit Takten aus dem Film „Psycho“ untermalt, Alfred Hitchcocks „Gute Freunde sind Menschen, die sehr weit weg wohnen“ und „Freunde sind die Entschuldigung Gottes für Verwandte“ von George Bernard Shaw.
Spätestens damit ist das Eis gebrochen, und man folgt Ruth auf ihrer Zeitreise von der Kindheit bis ins Alter, vom Lauschen an der geschenkten Muschel ihrer besten Freundin „Niwea“, die eigentlich Beate heißt, sowie bei den ersten Begegnungen ihrer weiteren „Lebensfreunde“ Britta und dem Pianisten Knuth, gespielt von Bellmann. Ob jugendliche Besäufnisse auf Borkum, Verkleidungsfeste zum 30. oder Motto-Partys zum 40. Geburtstag, Gilla Cremer treibt die Geschichte(n) voran, ohne groß zu übertreiben.
Ernst Deutsch Theater: Neid, wenn sie einen Arzt-Kollegen, Typ George Clooney, heiratet.
Als Requisiten ihres Stücks genügen der Schauspielerin auch auf der großen Bühne drei leichte Metall-Leitern und ein Seil, mit dem sich Cremer kunst- und lustvoll in eine Schlangenfrau verwandelt. Sehr komisch. Und sympathisch-anschaulich die Art, mit der die bundesweit tourende Künstlerin auch dem Hamburger Publikum den Spiegel vorhält, wie kompliziert etwa das Einladungsverfahren zu einem 50. Geburtstag sein kann. Oder wie bei langjährigen Freundinnen Neid aufkommt, als Britta einen Arzt-Kollegen, Typ George Clooney, heiratet. Zum Trost: Auch Frauen über 60 schnarchen.
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Obwohl er bei manchen im Saal noch immer Lacher hervorruft, hätte es des altbekannten zynischen Dreiklangs „Feind – Todfeind – Parteifreund“ im stärkeren zweiten Teil dieses Monologs mit ganz viel Herz und am Ende auch Schmerz gar nicht bedurft. Gute Freunde kann auch der Tod nicht trennen. Doch je länger das Leben dauert, desto wichtiger wird die Zeit miteinander. Mit Carole Kings Song „You‘ve Got A Friend“ nehmen Bellmann und Gilla Cremer am Ende ein Lied aus dem ersten Teil wieder auf. Schließlich zieht sie am Seil die drei Leitern von der Bühne. Schnell, etwas zu schnell, setzt der Applaus ein. Denn: Eigentlich braucht Freundschaft auch eine gewisse Ruhe.
#Freundschaft“ noch Fr 25.-So 27 .10. jew. 19.30, wieder 16.-22.11. u. ab 16.2.2025, Ernst Deutsch Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 24,- bis 44,- (inkl. Garderobe und HVV) unter T. 040/22 70 14 20; www.ernst-deutsch-theater.de
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