Hamburg. Eigentlich sitzt der Schauspieler im Gefängnis, für seinen Films „Haltlos“ macht die JVA eine Ausnahme. Am Montag kommt er ins Abaton.
Er war der Star der preisgekrönten ARD-Serie „4 Blocks“. Darin spielt er das Oberhaupt eines kriminellen arabischstämmigen Clans in Berlin-Neukölln, das sich mit Mord, Gewalt, Drogendeals, anderen Gangstern und den Fahndern vom LKA auseinandersetzen muss, aber eigentlich sein kriminelles Leben hinter sich lassen will. Doch auch im echten Leben hat der aus Beirut stammende Kida Khodr Ramadan (48) Ärger am Hals: Der Schauspieler und Regisseur fuhr mehrere Male ohne Fahrerlaubnis Auto und wurde deswegen zweimal zu zehnmonatigen Haftstrafen verurteilt. Die sitzt er derzeit in einem Gefängnis in Berlin-Spandau ab.
Für die Präsentation seines Films „Haltlos“ darf Ramadan jedoch das Gefängnis verlassen. Am Montagabend, dem 21. Oktober, ist er im Hamburger Abaton mit seiner Hauptdarstellerin Lilith Stangenberg zu Gast. Sie spielt die schwangere Martha, die sich gegen gesellschaftliche Erwartungen und sozialen Druck durchsetzen muss, um ihr Kind allein zu bekommen. Es ist nach „In Berlin wächst kein Orangenbaum“ Ramadans zweiter Film. Als Serien-Regisseur hat er sich mit „Testo“ und „Asbest“ (beide ARD) einen Namen gemacht.
„4 Blocks“-Star Kida Khodr Ramadan: Aus dem Gefängnis ins Abaton
Doch wie ist es überhaupt möglich, eine Gefängnisstrafe für eine Filmpremiere zu unterbrechen? „In Berlin können Inhaftierte des geschlossenen und offenen Vollzuges bei vorliegender Eignung sogenannte Lockerungen, also Aufenthalte außerhalb der Anstalt, wahrnehmen“, sagt Denise Schlesing von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz. „Lockerungen können in Form begleiteter oder unbegleiteter Ausgänge (bis zu 24 Stunden), unbegleiteter Ausgänge (für mehr als 24 Stunden) als sogenannte Langzeitausgänge oder in Form einer regelmäßigen Beschäftigung (Arbeitsverhältnis, Selbstständigkeit, Weiterbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahme) außerhalb der Anstalt durch sogenannten Freigang umgesetzt werden.“
Eine Premiere unter solch pikanten Umständen hat auch Abaton-Betreiber Felix Grassmann noch nicht erlebt, er hat aber keinerlei Berührungsängste mit dem bestraften Regisseur. „Ich finde es nicht gut, dass Kida Ramadan ohne Führerschein Auto gefahren ist. Aber das ist für mich kein Grund, seinen Film nicht zu zeigen.“ Die Veranstaltung in Hamburg sei neben Vorführungen in Köln und Berlin eine der wenigen Ausnahmen, für die der Gefangene Ausgang bekäme, so Grassmann. Dabei prüfe die Justizvollzugsanstalt jedes Mal genau, inwieweit die Veranstaltung in den Resozialisierungsplan des Gefangenen passe.
Der Filmverleih musste sich sehr einsetzen, damit der Regisseur eine Sondergenehmigung bekam
Dazu Denise Schlesing: „Lockerungen dürfen gewährt werden, wenn sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen und es verantwortet werden kann zu erproben, dass die Inhaftierten sich weder dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen noch die Lockerungen zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden. Sie dienen insbesondere auch der Vermeidung von Arbeitsplatzverlust, der Aufrechterhaltung förderlicher Sozialkontakte sowie der Vorbereitung auf die Entlassung.“
„Kida Ramadan ist im offenen Vollzug und darf unter anderem am Wochenende von Freitagabend bis Sonntagabend sowie in der Woche tagsüber bis abends das Gefängnis verlassen“, sagt Silke Lehmann von Greenhouse PR, die die Presse für den Film betreut. „Für die Kino-Tour allerdings musste der Kölner Verleih Rapid Eye Movies sich sehr einsetzen, damit der Regisseur eine Sondergenehmigung für alle Termine bekommt. Er ist nur für diese Arbeitstermine befreit, also für die Promotion zum Kinostart.“
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Der Film „Haltlos“ habe ihn überrascht, sagt der Hamburger Kinobetreiber, „weil es eben keine Gangstergeschichte, sondern ein sensibles, schönes, unkonventionelles Drama über eine junge Frau ist, die nicht in die Gesellschaft passt.“ Was Grassmann ebenfalls beeindruckt: „Dass Ramadan seinen Film unabhängig von öffentlichen Fördermitteln mit kleinem Budget gedreht hat, sich mit viel Herzblut und Engagement den Mechanismen des Marktes aussetzt.“ Er wolle einfach unbedingt seine Geschichten erzählen. Für ihn ist Ramadan „ein Mensch mit vielen Facetten und ein Regisseur, den man im Blick haben muss“. Und Lilith Stangenberg „eine extrem experimentierfreudige und sich herausfordernde Schauspielerin“, die perfekt in so ein mutiges Projekt passe.
„Haltlos“ Premiere Mo 21.10., 19.30, Abaton (Busse 4,5 Grindelhof), Allende-Platz 3, Karten zu 10,-/9,- (erm.), www.abaton.de
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