Hamburg. Installation stellt besondere Frauen vor. Vom Interview mit einer 103-Jährigen oder der Flucht aus Afghanistan: ein Parcours durch den Stadtteil.
Sieben Frauen, sieben Biografien, sieben Porträts: In Hamburg-Hamm lassen sich derzeit große Fotografien entdecken. An Häuserwänden, in Parks, an der U-Bahn-Station. Die Porträts stehen und hängen im Stadtteil verteilt, viele der abgebildeten Frauen schauen die Beobachterinnen und Beobachter an. Einen dazugehörigen Text gibt es nicht. Da stellt sich die Frage: Wer sind diese Frauen?
Die Antwort gibt ein QR-Code, zum Scannen auf den Bildern platziert. Kuratorin Vera Drebusch, die das analog-digitale Fotoprojekt gemeinsam mit Stephanie Kanne vom Stadtteilarchiv Hamm entwickelt hat, erklärt: „Uns hat gestört, dass die Sichtbarkeit von historischen oder gegenwärtigen Frauen in Hamm nahezu nicht gegeben ist.“ Es gebe beispielsweise nur zwei Frauen im ganzen Viertel, nach denen Straßen benannt worden sind.
Ausstellung Hamburg: „Sichtbarkeit von Frauen in Hamm ist nicht gegeben“
Gegen diese Ungleichheit wollten Drebusch und Kanne etwas unternehmen: Fotos von Amalie Sieveking hängen beispielsweise beim Südpol an der Süderstraße und im Thörls Park. Nach ihr ist seit einigen Jahren der Sievekingdamm benannt, die meisten würden bei dem Namen dennoch an ihren Cousin Karl Sieveking denken. „Amalie Sieveking hat sich für Frauen eingesetzt, soziales Engagement für die Gemeinschaft gezeigt und nachhaltige Veränderungen bewirkt“, sagt Drehbusch.
Die Porträts zeigen also Frauen, die die Stadtteilgeschichte mitgeprägt haben, aber auch solche, die heute dort leben und wirken. Gegenüber von Sieveking hängt ein Foto von Nadia Pardis, deren Familie sich in Afghanistan für Bildungsgleichheit, Menschen- und Frauenrechte einsetzte. Aufgrund von Drohungen floh sie 2016 von Afghanistan nach Deutschland und betrieb ein Frauenbildungscafé. Eine Flucht- und Lebensgeschichte steckt hinter diesem Porträt. „Uns war wichtig, dass das nicht nur die großen Heldinnen sind, sondern auch ‚normale‘ Frauen, Überlebende“, sagt Drebusch. Das Besondere im „Normalen“ suchen, sozusagen.
Ausstellung in Hamburg: „Um die Damen hat sich kein Mensch gekümmert“
Ein Bild von Paula Krupp hängt am Bunker Hammerdeich. Die heute 103-Jährige berichtete in den 1990ern im Interview mit dem Stadtteilarchiv von einem Bombenangriff auf Hamburg während des Zweiten Weltkrieges. „Hamm wurde während ‚Operation Gomorrha‘ zu 96 Prozent zerstört“, heißt es dazu vom Stadtteilarchiv. Krupp berichtet: „Die Herren vom Büro nahmen das kleine Büroauto und sind schnell weg auf die Autobahn. Um die Damen hat sich kein Mensch gekümmert.“
Ursprünglich sollten für das Projekt acht historische und acht zeitgenössische Biografien gegenübergestellt werden, das habe sich jedoch als schwierig herausgestellt: „Wir hatten ab einem gewissen Punkt ganz schön Probleme, Teilnehmerinnen zu finden“, sagt Drebusch. Viele hätten sich die Frage gestellt: „Bin ich, ist meine Mutter, Großmutter, denn besonders genug?“
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Die Antwort auf diese und andere Fragen können Passantinnen und Passanten noch bis Ende Oktober in Hamm suchen, dann werden die Fotos wieder entfernt. Eine zusammenführende Ausstellung vom Projekt „Frauen in Hamm – Wer war Marianne Rosenbaum?“ ist laut Drebusch in Planung.
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