Hamburg. Kritik zur Premiere von Gaetano Donizettis „Maria Stuart“ an der Hamburger Kammeroper im Allee Theater. Umjubelter Abend voller Esprit.

Die Hamburger Kammeroper im Allee Theater hat die Nase vorn. Zweimal bringen in dieser Saison zwei Hamburger Musiktheater Gaetano Donizettis „Maria Stuarda“. Ein Stück mit familiärem Sprengstoff, Eifersucht, Rivalität. In der Staatsoper an der Dammtorstraße ist es erst im März 2025 so weit. Jetzt hatte im fast ausverkauften Allee Theater „Maria Stuart“ umjubelte Premiere.

„Maria Stuart“ im Allee Theater – zweieinhalb lohnende Stunden

In Briefen nannten sie sich Schwestern, doch Rivalität bestimmte die Beziehung von Maria Stuart, Königin von Schottland und Frankreich, die auch die englische Krone wollte, und Elisabeth I., Königin von England. Schwestern waren sie in Wirklichkeit nicht, Elisabeths Vater Heinrich der VIII. war Marias Großonkel, begegnet sind sie sich nie.

Beide waren kühl kalkulierende Herrscherrinnen, sie ließen Gegner aus dem Weg räumen. Aber die eine beneidete Eigenschaften der anderen. Maria hatte drei Ehen und einen Sohn, galt als leidenschaftlich. Elisabeth blieb unverheiratet und kinderlos, galt als kontrolliert. Als Maria nach England flieht – vermutlich ließ sie ihren Ehemann töten –, wird sie von Elisabeth ins Gefängnis gesteckt. Die Vollstreckung des Todesurteils zieht sich fast 20 Jahre hin. Beide liebten den Grafen Leicester. Fakten, die Schiller in seinem Drama „Maria Stuart“ verarbeitete, Grundlage für Donizettis Oper.

Die Kammeroper fokussiert sich ganz auf die Rivalität der beiden Frauen

Das Produktionsteam an der Hamburger Kammeroper fokussiert sich ganz auf die Rivalität der beiden Frauen und die Wurzeln in der Familiengeschichte. Der Vorhang zeigt ein historisches Familiengemälde in einem großen goldenen Rahmen. In der Mitte Heinrich VIII. umringt von seiner Familie.

Der Vorhang ist durchsichtig, zur Ouvertüre sieht man dahinter einen Rückblick: Maria und Elisabeth als Mädchen am Esstisch, ein strenger Vater/Onkel spricht mahnende Worte, aber die Mädels spielen schon mal Königin und zanken sich munter um eine Krone. Dass die eine Herrscherin wie ein sich ergänzendes Spiegelbild der anderen ist, zeigen auch die Bühne (Katrin Kegler) und die historischen, dezent modern aufgemischten Kostüme (Luzie Nehl-Neuhaus). Beide haben rote Haare, das Zimmer Marias mit Bett, kleinem Sekretär und Schrank ist spiegelbildlich zum Zimmer Elisabeths.

Regisseur arbeitet schauspielerisch exzellent mit allen Sängern

Regisseur Roman Hovenbitzer hat schauspielerisch exzellent mit allen Sängern gearbeitet, das ist ein packendes szenisches Spiel, ein Psychothriller. Elisabeth (Feline Knabe) gibt eine strenge Königin, ihr dunkler Sopran passt zur Härte der Figur, nur einmal zweifelt sie, ob es richtig war, die Vollstreckung des Todesurteils unterzeichnet zu haben. Aber sie ist auch von Maria extrem gedemütigt worden. Graf Leicester (Berus Komarschela) hat eine Begegnung organisiert, in der Hoffnung, die beiden würden sich versöhnen. Dabei nennt Maria Elisabeth einen Bastard. Stachel im Fleisch, Elisabeth ist die Tochter von Anne Boleyn, Heinrich VIII. hat sie hinrichten lassen, die Legitimität ihrer Regentschaft wird bestritten.

Luminita Andrei singt mit eindrücklich virtuosen Koloraturen eine verzweifelte Maria, die vor ihrem Tod noch gesteht, am Tod ihres Mannes Schuld zu sein. Die Partie von Talbot, Vertrauter Marias, Priester und Vermittler, übernahm kurzfristig Allee-Theater-Intendant Marius Adam mit seinem wohlklingenden Bariton (für den kranken Titus Witt), er sang von der Seite, auf der Bühne: Marcus Prell.

Als Könner erweist sich einmal mehr Dirigent Ettore Prandi, er hat Donizettis Partitur wirkungsvoll für nur sechs versierte Instrumentalisten arrangiert. Das sind zweieinhalb lohnende Stunden Kurzweil, musikalisch und szenisch voller Esprit.

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