Hamburg. Das Stück auf Kampnagel ist vom Broadway-Hit „Anatevka“ inspiriert und fängt schwach an. Warum es sich lohnt, in der Pause nicht zu gehen.
Der Titel „Fiddler! A Musical“ ist fast ein Scherz. Denn gesungen wird wenig und von Handlung kaum eine Spur. Regisseur Ariel Efraim Ashbel muss wegen eines erkrankten Darstellers selbst einspringen und „If I Were A Rich Man“ singen. Der Abend, der derzeit auf Kampnagel gastiert, ist nur lose inspiriert von dem auf jiddischer Unterhaltungskultur fußenden Broadway-Hit „Anatevka (Der Fiedler auf dem Dach)“.
„Fiddler! A Musical“ auf Kampnagel: Ein Abend, der leider auseinanderfällt
Denn Ariel Efraim Ashbel and Friends tauchen vor allem ein in die Welten des jüdischen Mystizismus. Über die Bühne stolpern grell geschminkte, mit albernen Perücken und schlimmen Patchwork-Kostümen versehene Performerinnen und Performer. Es gibt unbeholfenen Tanz und sehr viel Leerlauf in einer unausgegorenen Mischung aus Nonsens, Comedy und Vaudeville. Zusammen mit der Kulisse aus Wolken und Pappmachè-Bergen wirkt das recht amateurhaft. Auch die Pogromszene, die das Leben im fiktiven ostjüdischen Schtetl Anatevka im Original bedroht, ist hier nur angedeutet.
Überzeugend jedoch: Das Solistenensemble Kaleidoskop, das wunderbar abstrahierte, minimalistisch arrangierte Melodien des Komponisten und musikalischen Leiters Ethan Braun aufführt. Unbedingte Empfehlung: den zweiten Teil nach der Pause abwarten. Da folgt in einem radikalen Bruch ein zwar wenig theatraler, aber informativer Diavortrag über die Geschichte des „Anatevka“-Stoffes. Maskeraden und Klamotten sind kunstvollen Kostümen (Marquet K. Lee) gewichen, und das Ensemble kann doch noch seine Musikalität beweisen.
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Insgesamt fällt der Abend trotzdem auseinander. Das mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Proben vom Nahost-Konflikt überschattet waren. Einer vielerorts fehlenden Empathie setzen die Performenden auf der Bühne eine tröstliche umarmende Geste entgegen, bevor das Bühnenbild abgebaut wird und der Pianist das Klavier hinausschiebt. Vielleicht eine Hoffnung auf einen Neuanfang.
Ariel Efraim Ashbel and Friends: „Fiddler! A Musical” 26.9., 28.9., jew. 19 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20–24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de