Hamburg. Der Kanadier Marc Martel begeistert in der Barclays Arena mit perfektem Gesangsstil. Doch was ist mit der Bühnenpräsenz?
Was machte Queen wohl zu einer der interessantesten Rockbands aller Zeiten? Das Songwriting zwischen Hardrock, Rap und Musical? Die überragende Bühnenpräsenz des 1991 verstorbenen Sängers Freddie Mercury? Oder Mercurys Vier-Oktaven-Stimme, die aus lyrischen Passagen in Sekundenschnelle zu schneidender Kälte wechseln konnte, um zwischendurch aggressive Rock-Ausrufezeichen zu setzen? Marc Martel sagt: Letzteres. Was passt, weil der kanadische Sänger ganz ähnlich klingt wie Mercury.
Marc Martel covert professionell Freddie Mercurys Queen-Songs
Seit den Zehnerjahren covert Martel professionell Queen-Songs, so passgenau, dass er 2018 für Gesangsspuren beim Biopic „Bohemian Rhapsody“ verpflichtet wurde. Und wenn man die Augen schließt, während er mit dem Projekt One Vision of Queen in der gut gefüllten Barclays Arena auftritt, könnte man wirklich glauben, dass Mercury sänge, so perfekt imitiert der Kanadier den Gesangsstil des Briten, den Swing in „Killer Queen“, den Schmelz in „I Want To Break Free“, die Wut in „We Will Rock You“.
Bloß: Man schließt die Augen nicht. Da steht kein Freddie Mercury auf der Bühne. Es gebe viele Queen-Tribute-Bands, erzählt Martel. Aber bei ihm bekomme man weniger Show zu sehen, er sei nicht Mercury: kein ikonischer Oberlippenbart, keine gelbe Lederjacke, er bleibe Marc Martel. „It’s All About The Music“, meint er, nur: Vielleicht stimmt das ja gar nicht. Vielleicht fehlt etwas, wenn man sich nur auf die Musik konzentriert und, zum Beispiel, Mercurys Bühnenpersönlichkeit als Ausweis schwuler Körperimages der Achtzigerjahre ignoriert?
One Vision of Queen: Die Musik ist toll – das Spätwerk fehlt allerdings ganz
Wobei die Musik wirklich toll ist. „Under Pressure“, „Another One Bites The Dust“, „We Are The Champions“, die Band spielt handwerklich perfekt, wie auf Platte, einzig bei „A Kind Of Magic“ wagt das Arrangement ein paar Eigenwilligkeiten. Ansonsten will solch ein Konzert keine unbekannten Aspekte von Queen entdecken, solch ein Konzert will Hits. Und die gibt es auch, einzig das epische „Who Wants To Live Forever“ wird nur kurz von Gitarrist Tristan Avakian in einem etwas zu langen Solo zitiert. Das Spätwerk allerdings fehlt ganz, kein „Innuendo“, kein „The Show Must Go On“, schade.
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Auf der anderen Seite: auch okay. Als lebende Musicbox, die die spannendsten Songs einer spannenden Band nachspielt, funktioniert One Vision of Queen. Und dass es nicht wirklich darum geht, das weiß Martel auch.