Hamburg. Ein Tag auf dem Reeperbahn Festival geht nicht, ohne neue Musikstile zu entdecken. Wieso am Freitag Katzenvideos in der Großen Freiheit spielen.

  • Tag 3 des Reeperbahn Festivals wartet mit vielen Newcomern auf.
  • Aber auch einige alte Hamburger Hasen sind dabei.
  • Wieso virale Katzenvideos eine Rolle spielen.

Kühle Getränke, gute Livemusik und wunderbares spätsommerliches Herbstwetter: Am dritten Tag des Reeperbahn Festivals herrschen optimale Bedingungen, um neue musikalische Entdeckungen zu machen oder bereits bekannte Künstlerinnen und Künstler an neuen Orten live zu erleben. Dieser Meinung sind offensichtlich auch die Besucherinnen und Besucher des Stadtfestivals, schon am Nachmittag ist die Reeperbahn gut gefüllt.

Tausende pilgern entlang der Open-Air-Bühnen am Spielbudenplatz, stromern in die Seitengassen und die dort angesiedelten Clubs und Bars, vermischen sich zu einer Masse aus gut angezogenen Theater-Gängern, Musikliebhabern und dem freitäglich üblichen Klientel auf Hamburgs Vergnügungsmeile.

Reeperbahn Festival: Rock auf dem Heiligengeistfeld, Dreampop auf dem Spielbudenplatz

Im Festival Village auf dem Heiligengeistfeld tummeln sich das Pop-Branchenvolk und die Laien gleichermaßen. Zwischen Pop-up-Studios, kleinen Bühnen und Fachpanels hebt sich die Fritz-Kola-Bühne hervor, die Hamburger Alternative Rocker von Urbannano nutzen die Gunst der Stunde, um auf der hohen Bühne lässige Rocksongs zu schmettern („Du bist genauso“).

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Liebe, Hass & Hip-Hop: Zwei Frauen, eine Mission

Hamburger Abendblatt goes Reeperbahnfestival 2024 (Pop-up-Podcast)

Vor den U-Bahn-Stationen nutzen Straßenmusiker die Gunst der Stunde, um das willige Laufpublikum mit ihren Akustik-Gitarren von sich zu überzeugen. Ein paar Minuten die Straße entlang zum Spielbudenplatz geschlendert, biedert sich den neugierigen Ohren der verträumte Dreampop-Sound der Schweizer Band Moonpools an, deren wolkige Shoegaze-Klänge die Hörerinnen und Hörer quasi zur Bühne schweben lassen. 100 Meter weiter betritt Mia Wray den N-Joy Reeperbus.

Dabei hat die nur ein Keyboard, den Rest des emotionalen Auftritts trägt sie mit ihrer kraftvollen, tragisch-schönen Stimme („Monster Brain“). Einen sympathischen Kontrast bildet ihre verpeilt-lustige Bühnenpersönlichkeit. Nur 15 Minuten lang verzaubert die Australierin die Menschen, quasi ein kleiner Vorgeschmack auf das morgige Konzert im Kaiserkeller.

Im Gruenspan heizt Beth McCarthy den kühlen Schuppen auf

Dann ist vorerst Schluss mit dem kostenlosen Programm. Im Innenhof zwischen den Irish Pubs am Hans-Albers-Platz wird in eine andere Welt eingetaucht. Auf der Stage 15 brillieren Willow Parlo mit charmant-herbstlich und gleichzeitig hoffnungsvoll-frühlingshaften Songs, getragen von der leicht rauchig-verträumten Stimme von Leadsängerin Noemie.

Einmal die noch recht einfach passierbare Große Freiheit entlanggerannt, schon landet man im überraschend kühlen Gruenspan, wo die Britin Beth McCarthy mit provokant-verspieltem Pop-Rock für gute Stimmung sorgt („All my Friends are Hot“). Selbstbewusstsein gepaart mit Hyperaktivität gepaart mit Pop-Hymnen („So what“ von P!nk). Da muss nicht jeder Ton sitzen, da geht es um Tanz und Ekstase. 

Lasershow Linkin Park
Zwar kein Geheimkonzert, aber immerhin eine Drohnenshow gab es für Linkin-Park-Fans auf dem Heiligengeistfeld. © Timo Strohschnieder | Timo Strohschnieder

Der späte Gang zum Festival Village wird hingegen nicht entlohnt, die Gerüchte um einen Geheimauftritt von Linkin Park bewahrheiten sich am Freitag nicht. Stattdessen gibt es eine Drohnenshow, die das kommende Album bewirbt. Fans müssen sich also noch bis Sonntag gedulden.

Reeperbahn Festival: Olli Schulz oder Katzenvideos – wieso nicht beides?

Während zu späterer Stunde auf der Reeperbahn die üblichen Massen an feierwütigen Touristen und thematischen Stadtführungen anfangen, die Gehwege zu säumen, legt nebenan vom Gruenspan in der Großen Freiheit 36 The Kiffness los. Der Australier verarbeitet virale Clips aus dem Netz zu elektronisch-eingängigen Gute-Laune-Songs. Vor allem virale Katzenvideos bilden einen Schwerpunkt. So sind zum Beispiel schon die Welthits „I Go Meow“ und „Sometimes I’m Alone“ entstanden. Der Name The Kiffness kommt übrigens aus dem Surferslang und bedeutet so viel wie cool oder nice. Die Menge tobt und miaut.

Danach beginnt für viele Festivalbesucherinnen und Reeperbahngänger erst die Nacht, viele pilgern aber auch in die St.-Michaelis-Kirche, um den Abend ruhig zu den hallenden Klängen des Hamburger Songwriters Olli Schulz ausklingen zu lassen. Ausklingen tut wirklich jeder Akkord, jeder tief gesungene Song in der riesigen Kirche, die einen krassen Kontrast zu der abgelaufenen, verdreckten nächtlichen Reeperbahn bildet.

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An der Decke des Kirchenschiffes wandeln blaue Lichter und werfen lange Schatten. Neben seinen üblich verkorksten, aber meist auch witzigen Ansagen, spielt Schulz ein tragendes Programm („Als Musik noch richtig groß war“) und bildet wiederum einen krassen Kontrast zum ehrwürdigen Gotteshaus. Und doch passt der 50 Jahre alte, nostalgisch-witzige Hamburger nahezu perfekt in die umfunktionierte Konzerthalle. Eine volle Portion Hamburg eben.