Hamburg. Verein Mehev, der die Bahn bis vor Kurzem im Museum für Hamburgische Geschichte betrieb, freut sich über eine unerwartete Entwicklung.
Noch liegen die Tausende von Einzelteilen aus Zügen, Weichen, Schienennetz, Oberleitungen und Bahnhöfen sicher verpackt in einem Lager der Hamburger Hochbahn in Ahrensburg. Und da werden sie auch noch eine ganze Weile bleiben. Doch spätestens Ende 2028, wenn die Sanierung und Modernisierung des Museums für Hamburgische Geschichte abgeschlossen ist, wird die historische Modelleisenbahn wieder abfahrbereit sein. Denn fest steht, das verkündete Direktorin Bettina Probst am Freitagmorgen exklusiv dem Abendblatt, dass die Bahn wieder an den Holstenwall ziehen wird.
Im Zuge der Neukonzeption der Dauerausstellung wird die Bahn im dritten Obergeschoss untergebracht und dort im Komplex „Stadt.Mensch.Umwelt“ eingebettet. „Ich bin sehr froh, dass sich das ganze Unterfangen so positiv entwickelt hat, die Weichen sprichwörtlich gestellt sind“, so Probst. „Der frühere Ort wäre für mich nicht der richtige gewesen, die Bahn würde mitten in der neuen Dauerausstellung wie ein Fremdkörper wirken. Mit der jetzigen Planung können wir die Modelleisenbahn als ein Stück Stadt- und Museumsgeschichte präsentieren und mit aktuellen Themen verknüpfen.“
Modelleisenbahn gerettet – und es kommt noch viel besser
Mit dieser Entscheidung geht eine mehrmonatige Diskussion um die Zukunft der Modellbahn in Spur 1 zu Ende. 73 Jahre lang war die Anlage in einem Raum im zweiten Obergeschoss untergebracht gewesen. Bis zur Schließung des Hauses Ende 2023 musste der dafür zuständige Modelleisenbahn Hamburg e. V. (Mehev) die gesamte Anlage abbauen und abtransportieren. Der Abschied fiel den rund 35 Mitarbeitern schwer, und auch die Fans betrauerten das Ende dieser lieb gewonnenen Sehenswürdigkeit; viele verbinden Kindheits- und Jugenderinnerungen mit der Modelleisenbahn.
Mehev-Mitglied Dietmar Schäding fühlt auch jetzt noch einen „Phantomschmerz“, wenn er über „seine Bahn“ spricht. Immerhin hat er fünf Jahrzehnte seines Lebens in die Anlage investiert. Doch blickt auch er nun positiv in die Zukunft und will, zusammen mit seinen Mitstreitern, „in einem neuen Raum etwas Neues aufbauen“.
Zwar wird für die neue Bahn etwa ein Drittel weniger Fläche im Vergleich zum früheren Standort zur Verfügung stehen, doch bergen die lichtdurchfluteten Räume im Dachgeschoss laut der Direktorin „großes Entwicklungspotenzial“. Außerdem profitiert das Projekt von der Förderung durch Kulturbehörde und Bund: So werden rund 2,5 Millionen Euro für die Bahn zur Verfügung gestellt.
Gesucht: ein Planer, der Architektur und Modellbahn-Wissen vereint
Künftig werden die Besucherinnen und Besucher in einem Empfangsraum über die Modelleisenbahn sowie die Themen Verkehrsgeschichte und Nachhaltigkeit informiert, bevor sie in den Hauptraum mit der Anlage geführt werden. Diese soll nach aktuellen Entwürfen in einer U-Form angelegt sein, sodass das Publikum die Anlage betreten kann. Im Zentrum steht, wie zuvor auch, der Harburger Bahnhof, „weil dieser verkehrstechnisch am interessantesten ist“, so Schäding. Daran anschließend wird eine Schauwerkstatt eingerichtet, in der Besucherinnen und Besucher den Experten beim Tüfteln und Basteln zugucken können.
Die ehemaligen Lagerräume müssen für den neuen Betrieb ertüchtigt werden, dazu gehört eine Nivellierung des Bodens, auch sind Brandschutzmaßnahmen, die Lastenverteilung sowie der Radius der Anlage zu prüfen. Für die konkrete Umsetzung wird momentan ein Planer gesucht, der Architektur, technische Ausstattung und Modellbahn-Wissen vereint.
Hierzu haben Museum und Mehev Kontakt zu Universitäten und Forschungsstellen aufgenommen. Mit der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) gibt es bereits eine Kooperation: Hier ist die Werkstatt des Vereins für die Jugendarbeit untergebracht.
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„Die Bahn in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betrachten“, das verspricht sich Bettina Probst von dem Komplex rund um das neue Modelleisenbahn-Projekt. „Die historische Anlage wird in einer 3-D-Dokumentation dem Publikum online zugänglich gemacht, und wir werden ebenso den Blick auf aktuelle und künftige Themen richten, etwa den geplanten Umbau des Hauptbahnhofs.“ Dietmar Schäding kann sich ein Forum in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn über Berufsaussichten in der Branche vorstellen. „Auch ein digitaler Lokführerstand wäre toll, vergleichbar mit dem Schiffsnavigator im Maritimen Museum“, schwärmt er.
Um technisch und kreativ auf dem neusten Stand zu sein, haben sich die Mehev-Mitglieder externe Berater an Bord geholt, die traditionell für Attraktionen auf Schienen und Besucherrekorde sorgen: „Wir stehen mit Experten des Miniatur Wunderland in regem Austausch, etwa über Fragen der Anlagensteuerung“, so Schäding. „Gute Ideen, um auch jüngere Menschen zu begeistern“, die braucht es laut der Direktorin für Inhalte und Angebote im gesamten Haus. Die Modelleisenbahn, die schon 73 Jahre auf dem Buckel hat, könnte die Blaupause dafür werden.