Hamburg. Mit seiner Band Disko No.1 feierte der Musiker beim Heim-Konzert 25 Jahre Solokarriere. Mit auf der Bühne: mehrere Special Guests.
„Ich glaub, ich kann den ganzen Abend nichts sagen, ich glaub, ich muss weinen“ – das war die den meisten sehr verständliche erste Äußerung des Hamburger Spaß-Musikers Jan Delay in Richtung des Publikums am Sonnabendabend (eines der schönsten Wörter der deutschen Sprache, übrigens) auf der Trabrennbahn. Ein Spätsommerabend zu Hause, etwa 25.000 Leute in Bahrenfeld, da hätte es durchaus zum Glücksgeweine kommen können. Passierte aber nicht, weil Rapper nicht weinen.
Vielleicht war Delay auch so extrem gut drauf, weil die Geografie dieses Abends für Hip-Hop-VIP-Alarm auf der Bühne sorgte: Schon beim dritten Song, direkt nach dem frühen Abräumer „Klar“ („Wir machen das klar“ kann als Party-Parole nie früh genug kommen), war der Hamburger Rapper Das Bo mit am Start: Sein Song „Türlich türlich“ in Delays Mash-up-Version, der live immer bestens funktioniert – da bot es sich für den Protagonisten des Abends einfach an, seinen ursprünglichen Interpreten dazuzuholen.
Jan Delay in Hamburg: Das Beste aller Lebensgefühle
Delays Band Disko No. 1 hatte mit dem Chef als Impresario der Freiluftparty die versammelte Hoch-die-Hände-Wochenende-Gemeinde sofort auf ihrer Seite. Sie ist im Grunde eh eine Sommernacht-bei-27-Grad-Unternehmung, so rein als Metapher für das beste aller Lebensgefühle. Gibt es überhaupt eine fröhlichere Angelegenheit als genau jenes jahreszeitliche Empfinden? Im T-Shirt spätabends im Publikum ein wenig zu informiert und engagiert vorgetragenem Funk, Soul, Reggae und Dance zu wackeln? Früh schon war auch der (Absolute) Beginner Denyo auf der Bühne – beim Anti-AfD-Song „Spass“ und danach beim Beginner-Tophit „Hammerhart“.
Weil, ist zwar alles die 25-Jahre-Jan-Delay-Tournee, aber die Vorgeschichte gehört auch dazu. Der Mann ist nun schon so lange im Geschäft, wollte aber recht früh, wie er das Publikum erinnerte, nicht nur Rap machen, sondern den ganzen Spaßbums mit Nena-Coversongs („Irgendwie, irgendwo, irgendwann“) und Liedern wie „Disko“. Letzterer Song war dann, wie man so sagt, Programm. Funk und Bläser und Backgroundsängerinnen, die die Open-Air-Großraumtanzlokalität unter Dampf setzten: Da konnte nicht so viel schiefgehen. Für üppiger dimensionierte Auftritte ist das Musiker-Kollektiv mit seiner Power absolut gemacht. Auf den Leinwänden war oft das Publikum zu sehen. Ein Meer aus Köpfen, die unentwegt in Bewegung waren.
Die lokale Abfrage („Wer ist aus Eppendorf/Eimsbüttel/St. Pauli/Altona?“) des euphorischen Musikers ist natürlich so nur bei einem Hamburger Großkonzert sinnvoll. Klarer Eindruck aber: Ein erklecklicher Teil der Konzertbesucherinnen und -besucher kam auch aus dem Umland. Beim Rio-Reiser-Cover „Für immer und dich“ leuchteten wie bestellt die Handylichter. Und dann war auch schon, nächster Special Guest, Dendemann (Jan Delay: „Der Allerderbste“) auf der Bühne. Ja, es war ein 90er-Jahre-Hamburger-Hip-Hop-Familientreffen mit Extra-Applaus.
Jan Delay in Hamburg: Stopptanz wie beim Kindergeburtstag
Denyo war dann bald auch wieder zu sehen und zu hören, beim Beginner-gepimpten Medley, das Zeitreise und Feier des Augenblicks zugleich war. Jan Delay und die Beginner, das ist eine Geschichte, die hoffentlich noch nicht auserzählt ist. Wird Zeit für neue Songs. Delay („Es gibt nichts Emotionaleres als Hamburg“) hatte erkenntlich Spaß beim Auftritt in seiner Stadt. „Sie kann nicht tanzen“ und das Killer-Riff von „Are you gonna go my way“ (Stopptanz wie auf dem Kindergeburtstag? Eigentlich ganz geil) leiteten über ins Finale. Die Band lieferte das Sound-Brett, auf dem Delay souverän herumturnen konnte. Er ist wohl das, was man einen Einheizer nennen kann, aber an diesem Abend, bei diesen Temperaturen, war das gar nicht so nötig.
Sollte das Rumgespringe in vielen, vielen Reihen ein Gradmesser für die Qualität eines Konzerts sein, dann war das an diesem Abend erste Liga. Und so eine große Crowd wie in seiner Heimatstadt hat Delay sonst eher selten vor sich: Es war ganz sicher das, was man ein Fest nennt.
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„Seid laut für Hamburch“, rief der große Styler ins Publikum. Das musste trotz der eh prächtigen Stimmung so sein. Weil noch lauter halt eben immer geht. Bei den Zugaben lieh Delay sich „Remmidemmi“ von der anderen Lokalgröße Deichkind. Die spielen in einer Woche auf der Trabrennbahn, Delay war also gewissermaßen der Vorwärmer. Deichkind und Delay eint eines, das wurde am Sonnabend deutlich: So lokalstolz abgefeiert wie in Hamburg werden sie sonst nirgends. Was einem Konzert dann halt auch den besonderen Spirit gibt.