Hamburg. Kyle Abraham bringt auf Kampnagel „Cassette Vol. 1“ zu Uraufführung. Eine Reise zurück in die Vergangenheit zu den Hits der 1980er.

Das hätte man jetzt nicht gedacht: Dass die schwarze Jugend im Pittsburgh der Achtzigerjahre weißen Synthiepop hörte, Billy Idol, Cyndi Lauper, B-52’s. Aber „Cassette Vol. 1“, die jüngste Arbeit des in New York arbeitenden Kyle Abraham, uraufgeführt als Abschluss des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel, ist genau das: eine Jugenderinnerung des in den Achtzigern in Pittsburgh aufgewachsenen Choreografen. Eine Erinnerung zu einem Soundtrack, der auch hierzulande jeder Eighties-Party zur Ehre gereichen würde. „Love Is A Battlefield.“

Das Ensemble also trägt üble Fallschirmseide-Trainigsanzüge zu „Big Hair“ und bewegt sich zwischen flimmernden Bildschirmen, Ghettoblaster und Telefonsäule – Handys kannte man damals noch nicht. Es wird getanzt: postmodernes Bewegungsvokabular, auch Elemente des klassischen Balletts, Plié, Relevé, Pas de deux. Keine Neuerfindung des Tanzes, aber ein Neudenken, als absolut zeitgenössische Kunst. Jedenfalls für ein Publikum, das die Achtziger als zeitgenössisch versteht.

Theater Hamburg: Ballett zu den Charthits der 1980er

Kurz denkt man, dass es Abraham den Zuschauern schon sehr einfach macht, mit diesen nostalgischen Erinnerungen an Mode, an Popmusik. Aber dann wird klar, dass es gar nicht um Nostalgie geht. Das ist nicht wirklich coole Musik, die es damals ja auch gab, das sind Charthits: „Dancing With Myself“, „The One I Love“, „More Than Words“. Musik, die im Radio läuft, so was ist nicht cool.

Aber „Cassette Vol. 1“ funktioniert, gerade weil der Abend gar nicht cool sein will. Abraham hat hier ein Tanzstück entwickelt, das nach den Regeln des Mixtapes aufgebaut ist: ambitioniert, mit klug gesetzten Ungenauigkeiten, mit Fehlern und mit der Sehnsucht, die Fehler ungeschehen zu machen.

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Also genau so, wie man als Jugendlicher durch die kulturellen Bezüge stolperte. Man kann das als Nostalgie bezeichnen, man kann es aber auch als gleichzeitig liebevollen wie kritischen Blick auf die eigene Vergangenheit lesen. Das Sommerfestival hat mit diesem Abend auf jeden Fall einen richtigen Hit gelandet – zumindest für Zuschauer über 40, die noch wissen, was ein Mixtape ist.