Hamburg. Bei „Zonder“ von Ayelen Parolin wird am Schluss sogar das Bühnenbild zerlegt. Schonungslos geht es bei der Performance „Get Off“ zu.
Lustvolles Scheitern und ausgestelltes Unglück – unterschiedlicher könnten diese beiden Premieren beim Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel kaum sein. In „Zonder“ lässt Ayelen Parolin, argentinische Choreografin aus Brüssel, eine Tanzaufführung aufs Fröhlichste entgleisen. Mit angespannten Gesichtszügen bewegt sich Tänzerin Naomi Gibson ruckartig zuckend über die leere weiße Tanzfläche der K1. Bald gesellt sich Daan Jaartsveld hinzu, vor sich hin summend, ringt er um den richtigen Takt.
Theater Hamburg: Sommerfestival auf Kampnagel zeigt anarchische Tanzaufführungen
„Zonder“ spielt lustvoll mit der Präzision, die im Tanz notwendig ist, und bedient sich dabei der Mittel des absurden Humors. Die Lage verschärft sich, als Piet Defrancq mit kraftvollen Bewegungen, die an Kampfkunst erinnern, zu den beiden Tanzenden stößt und man gemeinsam den Strauss-Ohrwurm „An der schönen blauen Donau“ vertanzen will. Die immer neuen Wiederholungen des Bewegungsrepertoires beeindrucken, auch wenn die Albernheit zunimmt, bevor der Abend in totaler Anarchie endet und heiter das Bühnenbild zerlegt wird.
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Bei der Anarchie fängt die britische Performerin Katy Baird erst an. In „Get Off“ liegt sie, die Körperfülle von Neonstreifen gehalten, wie ein Paket auf der Bühne der P1. Im Hintergrund läuft ein wackeliges Video, in dem sie nach einer harten Nacht nicht aus dem Bett findet. Man ahnt, das Leben, das exhibitionistisch ausgebreitet wird, schlingert – wobei offen bleibt, was real ist und was fiktiv. Die Lösung sucht Baird in der Verbindung mit dem Publikum. Wenn sie über die Lebenszeit in Glasgow sinniert („Fünf Jahre! Das ist ganz schön viel Netflix“), erlebt man mit, wie sie Körper und Seele entblößt und das Publikum dabei nicht schont.
Internationales Sommerfestival bis 25.8., Kampnagel, Jarrestraße 20–24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de