Hamburg. Dann ist das SHMF bei Lufthansa Technik zu Gast. Das Kyiv Symphony Orchestra überzeugt mit einem spannenden ukrainischen Programm.
Irgendwo weit hinten funkeln alufarbene Gebäude in der tiefstehenden Sonne, ein paar Autos stehen herum, sonst ist nicht viel zu sehen. Über die riesige Asphaltfläche streicht ein heißer Wind. Es fühlt sich ein wenig extraterrestrisch an, aber dies ist immer noch Hamburg, konkret: das Gelände von Lufthansa Technik gleich am Flughafen. Alle zwei Jahre darf das Schleswig-Holstein Musik Festival in einem der Hangars ein Konzert veranstalten. Was für das Publikum bedeutet: Sicherheitscheck und Shuttle. Fast wie am richtigen Flughafen.
SHMF: Klassikkonzert am Hamburger Flughafen – mit Riesenjet
In Hangar Nr. 7 haben sie richtig Platz geschaffen. Eine Boeing 747 steht noch drin, die passt von Nase bis Heckflosse haarscharf hinein. Die Kennung ist wohlweislich abgeklebt, die elegant geschwungenen braun-beigefarbenen Streifen gehören offenbar zu keiner Airline.
„Music on Air“ heißt das Programm sinnigerweise. Zu Gast ist ein sehr besonderer Klangkörper, und das ausgerechnet am ukrainischen Unabhängigkeitstag: Das Kyiv Symphony Orchestra war im Februar 2022 gerade auf Tournee, als Russland die Ukraine überfiel. Es kehrte nicht zurück nach Hause. Im thüringischen Gera fand es Aufnahme, konnte proben und arbeiten. Allerdings scheint die Beziehung zwischen Stadt und Orchester abgekühlt zu sein, jedenfalls residiert Kyiv Symphony seit August 2024 in Monheim am Rhein.
„Contact“ von Kevin Puts klingt wie Botschaften aus dem All: Das passt zum Ort
Von Angst und Schicksalsschlägen, die in den zweieinhalb Jahren seit Kriegsausbruch keinem Orchestermitglied erspart geblieben sein dürften, ist in Hangar Nr. 7 nichts zu merken. Es präsentiert sich ein überwiegend junges, hochprofessionelles Ensemble. Über Klangqualität und dynamische Balance lässt sich allerdings wenig sagen, denn das Orchester wird verstärkt, und von Block A aus hört man eine quälende Mischung aus einzeln herausstechenden Instrumenten, Rauschen und sphärischen Nebengeräuschen. Der filmmusikartig-bildhafte Charakter der Hochzeitslieder aus der Oper „Zolotosolov“ der ukrainischen Komponistin Lesia Dychko dringt dennoch durch das rhythmische Brodeln.
Höhepunkt des Abends ist die Begegnung des Orchesters mit Time for Three. „Contact“ von dem Amerikaner Kevin Puts, das seine deutsche Erstaufführung erlebt, ist musikalisches Miteinander, wie man es sich inspirierter und ansteckender nicht wünschen könnte. Die Gruppe (zwei Geiger und ein Kontrabassist) hat den fetten Streichersound, aber auch den Jazz-Groove, und für ihre A-cappella-Einlagen singen die drei schon mal im Falsett.
Und draußen am Hamburger Abendhimmel: ein startendes Flugzeug
Der junge Dirigent Jascha von der Goltz hat seine Augen und Ohren überall, er ist eine pulsierende Verbindungsstelle zwischen Time for Three und dem Orchester. Berauschend das Ganze, zumal „Contact“ sich für die akustischen Bedingungen hervorragend eignet. Das Nebeneinander der Klänge und Töne wirkt, als würden wir Botschaften aus dem All empfangen. Und draußen am Abendhimmel beschreibt ein startendes Flugzeug eine Diagonale, die die ganze riesige Fensterfront füllt.
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Den süffig spätromantischen Schluss macht die zweite Sinfonie von Levko Revutsky. Angehört aus einer der hinteren Reihen, klingt sie deutlich homogener. Nachher drängen sich fröhlich schwatzende Menschen im Shuttlebus. „Wir bitten Sie, so lange angeschnallt zu bleiben, bis wir unsere endgültige Parkposition erreicht haben“, scherzt der Busfahrer und entlässt das Publikum am Ausgang wieder in die Hamburger Wirklichkeit. Nur der Wind ist immer noch wüstenwarm.