Hamburg. Die Irin fusionierte im Kleinen Saal der Elbphilharmonie mit dem Quintett Spark Klangvisionen von Hildegard von Bingen bis Björk.
Wie aus tiefster Tiefe dringt der lautmalerische Gesang durch den Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Die Musikerin Wallis Bird schichtet ihre Vokalklänge mit einer Loopstation übereinander. Flöten setzen ein. Getragen, hoffnungsvoll. Später Piano und Streicher. Dann fließt dieser archaische Sound hinüber in einen avantgardistischen Popsong.
Mit ihrer Fusion von Hildegard von Bingen bis Björk umfasst Bird gemeinsam mit dem Quintett Spark mal eben fast Tausend Jahre weiblichen Musikschaffens. Und genau das ist das Ziel dieses grandiosen Abends im Rahmen des Schleswig Holstein Musik Festivals (SHMF): Mit ihrem Programm „Visions of Venus“ will die Künstlerin die kompositorische Kraft von Frauen in den Fokus rücken. Und verbinden.
Wallis Bird: Die Musikerin und das Kammerensemble sind ein Ereignis
Das Kammermusikensemble aus Karlsruhe und die in Berlin lebende Irin sind in Sound und Dynamik ein Ereignis. Tief empfunden interpretieren sie etwa Kunstlieder von Amy Beach, Clara Schumann und Fanny Hensel. Bird wiegt sich und genießt die Musik sichtlich, von dunkel-schattiert bis lieblich. Mit „What‘s Wrong With Changing“ hat die 42-Jährige auch einen eigenen Song im Repertoire. Eine Art hoch rhythmisierte Volksweise, zu der sie rappt und das Publikum zu melodischen Chören animiert.
Von der späten Renaissance mit Ordensfrau Isabella Leonarda geht es zum Jazz von Billie Holiday. Von Pop-Revolutionärin Kate Bush über die französische Komponistin Germaine Tailleferre bis hin zur Singer-Songwriterin Anohni reichen die musikalischen Anverwandlungen. Bird und Spark, das ist eine fulminante feministische Jukebox. Präsentieren sie doch durchweg eigensinnige wie exzellente Musikerinnen. Freigeistige Grenzgängerinnen, wie Bird selbst eine ist, mit ihrem äußerst bewegenden Storytelling. Sie erzählt wahrhaftig in ihrem Gesang und macht die Geschichten all dieser Schwestern im Geiste zu ihren eigenen.
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Wie fein abgestimmt, energetisch und brillant das Ensemble Spark aufspielt, ist eindrucksvoll zu erleben in „Fast Blue Village“, das Komponistin Elena Kats-Chernin eigens für „Visions of Venus“ geschrieben hat. Mit Enyas Überhit „Only Time“ und reichlich Gänsehaut als Zugabe verabschieden sich Spark und Wallis Bird schließlich von ihrem begeisterten Publikum.