Hamburg. Die Ausstellung in Hamburg zeigt außergewöhnliche Möbel, Schmuck, Textilien und Keramiken - und fragt: Wie wertvoll ist Kunsthandwerk heute?

Wenn man im Karl Valentin’schen Sinne davon ausgeht, dass Kunst(handwerk) schön ist, aber viel Arbeit macht, dann ist die Biennale der angewandten Kunst jetzt an genau dem richtigen Ort angekommen: War die Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft des Kunsthandwerks Hamburg (AdK) und der Gedok Hamburg bislang im Museum für Hamburgische Geschichte gezeigt worden, bespielt sie nun, sanierungsbedingt, einen großen, luftigen Raum im Museum der Arbeit in Barmbek. Eine richtig schöne und leichte Sommerschau hat die AdK-Vorsitzende Isabelle Hofmann mit rund 300 Objekten von 70 Künstlerinnen und Künstlern kuratiert.

Über den Titel lässt sich sinnieren: „Wertvoll, das kann die Materialität bezeichnen, aber auch einen persönlichen Wert beschreiben, den wir einem Ding geben“, sagt die Kuratorin. „Auch gesellschaftlich lässt sich einiges vom Kunsthandwerk ableiten: Werte wie Toleranz, Vielfalt, Sorgfalt und Freundlichkeit im Umgang mit anderen drohen verloren zu gehen. Künstlerinnen und Künstler können uns mit ihren Werken darauf hinweisen und zu einem bewussten Umgang aufrufen. Dasselbe gilt für ein verantwortungsvolles Nutzen von Ressourcen: Das Kunsthandwerk setzt auf geschlossene Kreisläufe und die Wiederverwertbarkeit von Materialien.“

Ausstellung im Museum der Arbeit: Wie wertvoll ist heute Kunsthandwerk?

Samira Heidari Nami interpretiert ihr kulturelles Erbe neu, indem sie Wandteppiche aus Wollfilz mit orientalischen Mustern im Siebdruckverfahren versieht. Bei ihrem aktuellen Entwurf ließ sie den Graffiti-Künstler satisfied_guy ein Gedicht des iranischen Dichters Rumi darauf schreiben – „es soll in der aktuellen Zeit voller Krisen an die Liebe erinnern“, so die Künstlerin. Kathrin Heinicke verbindet in ihrem Beitrag zwei Vertreter unterschiedlicher Kulturen: Auf einer silbernen Halskette zitiert sie Texte aus Salman Rushdies Märchen „Harun und das Meer der Geschichten“, ein silberner Becher ist mit Heinrich Heines Nordseezyklen bedruckt. „Wie lange würde es wohl dauern, bis beide einander verstehen und eine neue Geschichte schreiben?“, fragt die Künstlerin. „Der Wille des Verstehens und die Wertschätzung der Geschichte meines Gegenübers ist der wertvolle Gedanke und findet Ausdruck in meiner Arbeit.“

Ausstellung
Die textile Installation aus Baumwolle und Leinen von HAW-Studentin Teresa Pape kann Räume gliedern und gestalten. © Svenja Lüh | Svenja Lüh

Auch auf aussterbende Techniken weist die Ausstellung hin, etwa mit dem aus Seide und Goldfaden von Hand geklöppeltem Koi-Karpfen von Kirsten Brinckmann. In eine ganz andere Richtung geht die HAW-Studentin Teresa Pape, die zum ersten Mal mit drei anderen Kommilitonen eingeladen ist, bei der Biennale mitzumachen: Sie entwickelt mit innovativen Webtechniken textile Installationen aus Baumwolle und Leinen, die nicht nur schön aussehen, sondern auch Räume gliedern und gestalten können. Viktoria Kurganskaia wühlt vor ihrem künstlerischen Schaffensprozess in der Erde nach natürlichen Tonvorkommen, aus denen sie wunderschöne Vasen fertigt.

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Viele der Kreativen nutzen vorgefundenes Material: Zum Beispiel verziert Karen Knickrehm simple Konservendosen mit geschmiedeten Silberdeckeln, schmückt diese mit filigranen Figuren aus Glas und Silberguss und macht somit aus den Massenprodukten kostbare Einzelstücke. Ulrike Isensees farbenfroher Wandbehang ist zum Großteil aus Fischernetz gestaltet. Silke Janssen hat die Steuerunterlagen ihrer verstorbenen Mutter zu einer Schale verarbeitet. Und Heike Ahrens sagt mit ihren Goldarmreifen in Strohhalm-Optik Hallo zur Kindheitserinnerung und „Bye-Bye Plastic Straw“.

„Wertvoll. III. Biennale angewandter Kunst der AdK und Gedok“ bis 1.9., Museum der Arbeit (U/S Barmbek), Wiesendamm 3, Mo 10.00–21.00, Mi–Fr 10.00–17.00, Sa/So 10.00–18.00, Eintritt 8,50/5,-; www.shmh.de