Hamburg. „Ja, ich will!“ – eine Ausstellung im Jenisch Haus zeigt die Kunst, den „schönsten Tag im Leben“ effektvoll in Szene zu setzen.

An eines seiner besten Hochzeitsfotos erinnert sich Lars Lindemann noch genau: Ein befreundetes Paar hatte ihn gebeten, bei der Feier in Hamburg zu fotografieren. Auch im Parc Fiction wurde posiert. „Plötzlich kam eine Windböe. Der Trauzeuge hatte alle Mühe, den Reflektorschirm zu halten. So entstand eine total witzige, spontane Situation, und das Foto landete später auf der Dankeskarte der Brautleute.“ Einen besseren Rahmen für diese Anekdote als im Jenisch Haus könnte es nicht geben. Zum einen gilt die denkmalgeschützte klassizistische Senatorenvilla als Hotspot unter Hochzeitsfotografen, zum anderen geht es in der neuen Sonderausstellung genau darum: die Kunst, „den schönsten Tag im Leben“ perfekt zu inszenieren und als Erinnerung festzuhalten.

Mit der Ausstellung „Ja, ich will!“ wolle er „eine Lanze brechen für die Hochzeitsfotografie“, so der Hamburger Kurator. Denn er weiß, dass diese Fotografinnen und Fotografen von den Kollegen der Branche oft belächelt werden. Dabei sind sie es, die technische Neuheiten, Stile und Trends als Erste aufgreifen. Als der befreundete Kurator Paolo Woods, ein niederländisch-kanadischer Fotograf, Regisseur und Leiter des renommierten italienischen Fotofestivals „Cortona On The Move“ 2022 eine Ausstellung über diese Kunst machte, war Lindemann sofort begeistert – und holte das Projekt nach Hamburg.

Hochzeit in Hamburg: „Ja, ich will!“ im Jenisch Haus und überall auf der Welt

Bei Anja Dauschek, Direktorin des Altonaer Museums, zu dem das Jenisch Haus als Zweigstelle gehört, stieß er damit auf offene Augen und Ohren. „Wobei ich zunächst Bauklötze gestaunt habe, als ich mir die Bilder ansah“, so Dauschek. Warum, wird einem gleich am Eingang klar: Im Treppenaufgang hängt ein großes Fotoposter. Darauf ist ein Paar zu sehen, das sich vor einer zehnstöckigen Hochzeitstorte küsst, den zum Anschneiden bereiten Säbel hält der Mann schon in der Hand. Auf einer Fotografie daneben wirft sich ein Bräutigam lustvoll auf seine im Bett liegende Dame. Der in den 1980er- und 1990er-Jahren aktive spanische Fotograf Juan de la Cruz Megias Mondéjar schoss dieses Symbolbild, das für Aufbruch und Lebensfreude nach dem Franco-Regime steht.

Bild einer traditionellen Hochzeitsfeier mit ritueller Kleidung in Ghana. Es stammt von Enoch Boateng und dessen Bruder Maxwell Aggrey, die wahre Stars unter den Hochzeitsfotografen sind. Ihre Fotos sind in der Ausstellung „Ja, ich will!“ im Jenisch Haus zu sehen.
Bild einer traditionellen Hochzeitsfeier mit ritueller Kleidung in Ghana. Es stammt von Enoch Boateng und dessen Bruder Maxwell Aggrey, die wahre Stars unter den Hochzeitsfotografen sind. Ihre Fotos sind in der Ausstellung „Ja, ich will!“ im Jenisch Haus zu sehen. © Kojosticks Focusnblur | Kojosticks Focusnblur

„Wer im Sommer in den Jenischpark kommt, sieht Brautpaare“, sagt Nicole Tiedemann-Bischop, Leiterin des Jenisch Haus. Insofern könne die Ausstellung sowohl Anregung geben für werdende Eheleute als auch den festlichen Rahmen für Fotoshootings bieten (diese kosten im Jenisch Haus übrigens 500 Euro exklusive Fotograf). Denn allein, was die farbliche Pracht, die Opulenz und die künstlerische Inszenierung der Brautleute angeht, kann man sich von den Fotografien einiges abgucken. Da sind zum Beispiel die Brüder Enoch Boateng und Maxwell Aggrey, die Eheleute wie Filmstars wirken lassen und dabei trotzdem die rituellen Bräuche ihrer ghanaischen Heimat zur Geltung kommen lassen.

Oder die Ehe- und Geschäftspartner Sam & Ekta, die im indischen Mumbai ein angesagtes Fotostudio betreiben. Ihr Markenzeichen sind Hochzeitsreportagen, bei denen sie die Paare von den aufwendigen Vorbereitungen bis zu den mehrtägigen Feiern im Bollywood-Stil begleiten – inklusive Goldkonfettiregen bei der Zeremonie und Modeshooting von Braut und Trauzeuginnen. Einen echten Patron der klassisch neapolitanischen Hochzeitsfotografie lernen die Besucherinnen und Besucher mit Oreste Pipolo kennen; der Fotograf war bekannt für seine sinnlichen Bilder, für die er samt kompletter Ausrüstung auf der Vespa anreiste.

Wie eine Szene aus „Sex and the City“: Sam & Ekta, die in Mumbai ein angesagtes Fotostudio betreiben, inszenieren auch die Braut mit ihren Freundinnen auf ganz besondere Weise.
Wie eine Szene aus „Sex and the City“: Sam & Ekta, die in Mumbai ein angesagtes Fotostudio betreiben, inszenieren auch die Braut mit ihren Freundinnen auf ganz besondere Weise. © Sam & Ekta/SHMH | Sam & Ekta

Hochzeit Hamburg: Historische Aufnahmen von Bürgern bereichern die Ausstellung im Jenisch Haus

Dass aber das Liebesfest nicht zwangsläufig mit opulenten Zeremonien und sündhaft teuren Kleidern verbunden ist, zeigt die Fotografin Valerie Baeriswyl, die im Sommer in der Schweiz Hochzeiten ablichtet und den Rest des Jahres in Haiti als Reporterin arbeitet. In ihrer Arbeit „Bonne vie à deux“ (Gutes Leben zu zweit) verbindet sie ihre beiden Berufe und zeigt, wie man durch Hochzeiten ein Land und seine Menschen betrachten kann. Die Haitianer haben mit Armut, Bandengewalt und fehlender Elektrizität zu kämpfen und lassen sich ihre Lust zu feiern doch nicht nehmen. Manchmal werden mehrere Paare gleichzeitig getraut, und jeder im Dorf steuert etwas zum einfachen Büfett dazu. Besonders bewegend ist eine Aufnahme von Baeriswyl, auf der die festlich gekleideten Blumenkinder die Braut in Weiß vor ihrer Wellblechhütte empfangen.

Fotografin Lindsay Ladd ist spezialisiert auf queere und homosexuelle Hochzeiten in und um Philadelphia (USA). Sie will damit auch künftigen Paaren die Möglichkeit zur Identifikation bieten und Selbstvertrauen schenken.
Fotografin Lindsay Ladd ist spezialisiert auf queere und homosexuelle Hochzeiten in und um Philadelphia (USA). Sie will damit auch künftigen Paaren die Möglichkeit zur Identifikation bieten und Selbstvertrauen schenken. © Lindsay-Ladd | Lindsay-Ladd

Einen besonderen Stil hat sich Manal Alhumeed angeeignet: Die junge Berufsfotografin aus Riad ist bei mehr als 100 Hochzeiten pro Jahr in Saudi-Arabien, Dubai und den anderen Emiraten. Da in ihrer Heimat strenge kulturelle Richtlinien herrschen, die etwa das Zeigen des weiblichen Antlitzes verbieten, arbeitet sie mit wehenden Schleiern und macht das Gesicht der Bräute mit großen goldenen Pinselstrichen auf den Fotografien unkenntlich. Ihre Kollegin Lindsay Ladd ist auf queere und homosexuelle Hochzeiten in und um Philadelphia (USA) spezialisiert. Nicht etwa, um für sich eine lukrative Marktlücke zu erschließen, sondern um die Liebesgeschichten dieser Paare zu erzählen, deren Schönheit hervorzuheben und Selbstvertrauen zu zeigen, denn für künftige Paare sei es wichtig, sich über Fotografien identifizieren zu können, so Ladd.

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Um nach dem Blick in die weite Welt auch einen lokalen Bezug zu haben, folgten viele Hamburgerinnen und Hamburger einem Aufruf des Abendblatts und schickten ihre Hochzeitsfotos an die Museums-Stiftung. Einige historische Fotoalben sind nun in der Ausstellung zu sehen. Darunter auch das von Margarete und Werner Jantzen. Das Paar, sie mit modischem A-Linien-Kleid, er mit Frack und Zylinder, darunter verborgen eine Elvis-Tolle, heiratete 1955 auf dem Standesamt Altona. Gefeiert wurde anschließend im Restaurant auf dem Süllberg. Es gab Seezungenfilet Müllerin Art, Masthähnchen mit Prinzessbohnen und als Dessert eine Eisbombe. Für Kurator Lindemann ein besonderer dokumentarischer Schatz: „Die Verfügbarkeit von Kameras, Wirtschaftswunder-Wohlstand, Moden, gesellschaftliche Entwicklung – alles das lässt sich an diesen Bildern ablesen.“

„Ja, ich will! Die Kunst der Hochzeitsfotografie“15.4.–24.2.2025, Jenisch Haus (S Klein Flottbek), Baron-Voght-Straße 50, Mo, Mi–So 11.00–18.00, Eintritt 7,-/4,- (erm.); www.shmh.de. Aktion: Alle Abendblatt-Abonnentinnen und -Abonnenten erhalten zwei Tickets zum Preis von einem für die Ausstellung. Pro TreueKarte können zwei Personen teilnehmen (erhältlich an der Tageskasse des Museums, gültig bis 31.8.). Zur Nutzung der Angebote halten Sie bitte Ihre TreueKarte mit der Kundennummer bereit.