Hamburg. Es gibt leichtere Themen für den Sommer. Die deutschsprachige Erstaufführung von „Bye Bye Life“ ist dennoch eine unbedingte Empfehlung.

„Strong enough“ – lauthals singen Aline und Nina Chers Disco-Kracher mit, fallen einander in die Arme, tanzen, strahlen. So sieht Lebensfreude aus. Es ist Alines dringender Wunsch, noch einmal mit ihrer Tochter in die, wie Nina findet, „abgeranzte“ Karaoke-Kneipe zu gehen, in der sie früher so glückliche Abende verlebt haben. Denn Aline hat nicht mehr viel Zeit. Bei ihr ist eine neurodegenerartive Erkrankung diagnostiziert worden, die nach und nach Gehirn und Körper ausschaltet und unweigerlich zum Tode führt.

Zugegeben, es gibt leichtere Themen für einen Sommerspielplan. Dennoch hat sich das Theater Das Zimmer mutig für die deutschsprachige Erstaufführung von „Bye Bye Life“, einem Stück von Andréa Bescond und Eric Métayer, entschieden. Und mit Regisseur Sven Niemeyer („Trümmer“), den Schauspielerinnen Sabrina Ascacibar, Kim Bormann und der Pianistin Ricarda Schmersahl in den Glückstopf gegriffen. Zärtlich, unpathetisch und mit Gespür für die Balance zwischen Komik und Traurigkeit hat Niemeyer das Stück inszeniert und so nahbar gemacht, dass sich niemand im Publikum entziehen kann. Dafür nutzt er den begrenzten Raum dieses „kleinsten Theaters Hamburgs“, indem nur ein schmaler Steg zwischen zwei einander gegenüberliegenden Zuschauerreihen als Bühne dient.

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Aline (Sabrina Ascacibar) hat eigentlich schon alles geregelt: die Wohnung leer geräumt, Gas und Elektrizität gekündigt, fehlt nur noch der Handy-Vertrag. Das erfolglose Kündigungsgespräch am Telefon – Pin? Kundennummer? – inklusive Warteschleife ist der amüsante Beginn dieses gut 90-minütigen Abends. Doch schon bald zeigt Ascacibar, dass hinter ihrem forschen Selbstbewusstsein eine nicht zu fassende Angst steckt. Wie freut sie sich, als nach „21 Monaten und vier Tagen“ endlich ihre Tochter Nina hereinstürmt. Bormann zeigt sie ungnädig und obergenervt, weil ihre Nina nicht weiß, warum sie vom anderen Ende der Welt anreisen soll. Sie hatte eine „Scheiß-Kindheit“ und hat noch eine Rechnung offen mit ihrer Mutter. Erst als Aline ihr von der Krankheit erzählt und ihre Angst vor einem würdelosen Tod zugibt, geht sie auf die Mutter ein. Der innige, kraftstrotzende Tanz in der Karaoke-Kneipe bedeutet die finale Aussöhnung.

„Du hast mich gelehrt, das Leben zu lieben“, sagt Nina nach Alines Tod. Ein unbedingt sehenswerter positiver Abend, der uns alle angeht.

„Bye Bye Life“ Theater Das Zimmer, nächste Vorstellungen, 27. und 28.7., 2. bis 4.8., www.theater-das-zimmer.de