Hamburg. Am Volksparkstadion tummeln sich die Fans schon früh vor dem Konzert. Swifties sind gut organisiert – und ihre Liebe geht ins Detail.
Ein Mädchen hockt auf dem Boden, die Lidschatten-Palette in der Hand, und pinselt seiner Freundin sorgsam zarte Farben auf die Haut. Die Dichte an Pailletten und Cowboystiefeln steigt minütlich. Der laue Wind weht Akkorde aus einem Handy herüber. Gespräche, Gelächter. Sehr viel Herzlichkeit liegt in der Luft.
Es ist die wohl hinreißendste, emotionalste und vor allem glitzerndste Warteschlange, die Hamburg jemals erlebt hat. Genauer gesagt handelt es sich um: Warteschlangen. Mehrzahl. Vor den Eingängen rund um das Volksparkstadion reihen sich die Fans auf, um Einlass zu bekommen. Um endlich ihren Star zu erleben. Taylor Swift. Monatelang herbeigesehnt.
Taylor Swift auf Tour: Die glitzerndste Warteschlange, die Hamburg je erlebt hat
Und je besser die Position in der Warteschlange, desto zum Greifen näher ist die US-Sängerin, die mit ihrer „The Eras Tour“ nun also in Hamburg angekommen ist (hier geht es zu unserem Newsblog).
Tommy und Maria aus Torgau in der Nähe von Leipzig haben in der VIP-Schlange die Poleposition ergattert. Seit Montagmittag fiebern sie vor den Toren ihrem Idol entgegen. Den Asphalt-Spot haben sie sich mit Decken und Kissen gemütlich gemacht.
Warum Taylor? „Sie ist so eine Powerfrau, wie sie ihr Ding durchzieht‟, erklärt die 20-Jährige. „Die Eras Tour wollten wir auf keinen Fall verpassen.‟ Ihren Freund hat sie vor rund einem Jahr zum Swiftie gemacht. Noch tragen beide entspannte Schlumi-Klamotten. Ihre Konzert-Outfits ruhen im nahe geparkten Auto.
Taylor-Swift-Fans sind sehr gut organisiert. Und äußerst kreativ.
Swift-Fans sind sehr gut organisiert. Und äußerst kreativ. Maria hat Tommy ein Shirt gestaltet, dessen Print von dem Taylor-Song „I Can Fix Him (No Really I Can)‟ inspiriert ist. Sie wiederum wird ein pinkes Kleid tragen, das auf Swifts „Lover‟-Album anspielt.
Einige Meter hinter Tommy und Maria richtet Zohar aus Israel gerade ihr kunstvolles Kostüm. Sie ist auf Position 38. Die Ziffer steht mit schwarzem Edding und einem „+ 1‟ auf der Innenfläche ihrer rechten Hand. Das sogenannte Numbering, das den Einlass regelt. Ihre Mutter darf also später als plus eins dazurücken, schläft an diesem Dienstagvormittag aber lieber noch eine Runde im Hotel und macht sich dann in Ruhe fertig.
Zohar wiederum ist um drei Uhr in der Frühe aufgestanden, um sich in einen funkelnden Taylor-Engel zu verwandeln. Eins-a-Make-up. Rosa-pinke Corsage. Zarte Tülltücher, die die Beine hinabgleiten bis hinunter zu den glänzenden Stiefeln. Und als Clou weite Flügel auf dem Rücken sowie Pfeil und Bogen in den Händen. Ein Schutzengel in eigener Sache.
Vor dem Swift-Konzert: Für den VIP-Bereich in Hamburg wird es noch mal teuer
„Ich bin früher in der Schule gemobbt worden. Und Taylors Songs haben mir in dieser Zeit sehr geholfen‟, erzählt die 19-Jährige mit leuchtenden Augen. Besonders die Nummer „The Archer‟ sei für sie eine starke mentale Stütze gewesen. Daher prangt der Titel auch als Schriftzug auf ihrem Rücken. Ein softer Panzer aus Popkultur.
Ebenso früh wie Zohar sind auch Vanessa und Laura aufgestanden, um mit dem Zug aus Dortmund anzureisen. „Das war jetzt doch ganz schön stressig: Wir haben gestern über Fansale noch Tickets gekauft‟, sagt die 33-jährige Vanessa. „Da musste man echt sekündlich dranbleiben online.‟ Aber: Es hat geklappt.
Die beiden Freundinnen waren bereits beim Konzert in Gelsenkirchen. „Die Show war mega. Das lässt sich mit einem normalen Konzert gar nicht vergleichen‟, erzählt Vanessa. Und um den beflügelnden Taylor-Energieschub möglichst schnell wieder zu erleben, wurden für den VIP-Bereich in Hamburg noch einmal jeweils „600 Euro und noch was‟ ausgegeben. Eine Investition in ein lebensprägendes Ereignis. In den eigenen Gefühlshaushalt. In Erinnerungen.
Am Volksparkstadion: Mobile Teams verteilen freundlich Gratis-Wasser
Wie elementar die Fans für das Konzert und auch die „Reputation‟ eines Ortes sind, weiß auch der Veranstalter. Reihen an Dixie-Toiletten stehen für die Wartenden ebenso bereit wie mobile Teams, die freundlich Gratis-Wasser verteilen. Die Ordner sind aufmerksam und hilfsbereit.
Stunden vor dem Einlass ist bei den Fans noch Erholen angesagt. Die Ruhe vor der Show. Stimme schonen für die Chöre später im Stadion. Die Beine langmachen vor dem kollektiven Tanz.
Bei der Schlange am Hellgrundweg auf der westlichen Seite des Stadions hat jemand Hüpfkästchen mit Kreide auf die Straße gemalt – mit einem Herz am Ende, in dem „T.S.‟ steht. Taylor ist das Ziel. Auch für Melissa aus Stuttgart. In einem schwarz changierenden Paillettenkleid hockt sie auf dem Boden. Den Rahmen ihrer Herzchen-Brille hat sie mit Buchstaben beklebt. „Bejeweled‟ steht da auf der einen Seite geschrieben, „Eras Tour‟ auf der anderen. Die Fan-Liebe geht unbedingt ins Detail. Und mitten in den Kern des eigenen Seins. „Über jedes Gefühl, das ich kenne, hat Taylor einen Song geschrieben‟, erklärt die 30-Jährige begeistert.
In Hamburg: Rührend auch die Swiftie-Boyfriends, die ihre Liebsten zum Konzert geleiten
Mit ihrer Clique hat Melissa in der Warteschlange bereits Swantje aus Hamburg und Lina aus Leipzig kennengelernt. Swiftie zu sein ist ein ultimativer Kommunikations- und Verbindungsbooster. Und kurz vor dem Eras-Showdown gibt es ja auch reichlich zu bestaunen und zu besprechen: Da wurden Liedtitel aufwendig auf einen Rock gestickt. Eine andere Frau hat eine Jeanskutte mit Aufnähern bestückt, die alle Taylor-Alben darstellen. Swift-Ultras united.
Lena aus Wentorf hat sich – unterstützt von ihrer Mutter und einer Freundin – ein Outfit genäht, das von der „Reputation‟-Era geprägt ist: Glitzernd schlängeln sich rote Linien das linke Bein ihrer schwarzen Legging hinab. Das rechte Bein ist frei von Stoff. Angelehnt an einen der ikonischen Looks, die Swift auf der Bühne trägt. „Das ist allerdings nicht Taylors Version, sondern Lenas Version‟, sagt die 27-Jährige stolz. Eine freigeistige Anverwandlung.
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Rührend auch die Swiftie-Boyfriends, die ihre Liebsten zum Konzert geleiten. Und zwar stilecht im 87-Trikot wie Taylors Footballer-Freund Travis Kelce. Aber natürlich sind auch zahlreiche Jungs selbst Hardcore-Fans. So wie Max aus Buenos Aires, der seinen Sommer in Europa rund um die Swift-Konzerte geplant hat. Gelsenkirchen konnte er bereits von seiner Bucket-Liste streichen. In Hamburg hat er Karten für beide Shows.
Taylor Swift in Hamburg: „Ich höre jeden Tage ihre Musik“, sagt ein 24-Jähriger
„Ich höre Taylor jeden Tag. Ihre Musik ist meine konstante Begleitung‟, sagt der 24-Jährige. Besonders freut er sich auf die „Fearless‟-Era des Konzerts. „Damit verbinde ich sehr große und emotionale Erinnerungen.‟ Vor dem Einlass hat er sich zu Leo aus Madrid und dessen Freunden gesellt. „Ich habe gehört, dass sie Spanisch sprechen‟, erzählt Max. So einfach ist das. Schnell haben sie selbst gebastelte Freundschaftsarmbänder getauscht. Die emotionale Währung der Warteschlange. Mit jedem neuen Knoten um ein Handgelenk werden da neue Kontakte geknüpft. Verbunden über die Kraft der Musik.