Hamburg. Wenn die Fans springen, sollen seismologische Instrumente das aufzeichnen. Weshalb die Wissenschaftler jetzt auf Taylor setzen.

Wenn Taylor Swift ein Stadion zum Toben bringt, bebt schon mal die Erde – nicht nur im übertragenen Sinn. Seismologinnen und Seismologen, also Erdbebenforscher, auf der ganzen Welt beobachten, wie das Pop-Phänomen die Stadien zum Schwingen bringt. Auch eine Hamburger Taylor-Task-Force bestehend aus Seismologen und Physikern, die unter anderem am Forschungszentrum DESY (Deutsches Elektronen-Synchrotron) tätig sind, bereitet sich derzeit darauf vor, die beiden Swift-Konzerte am 23. und 24. Juli im Volksparkstadion wissenschaftlich zu begleiten.

Wenn Taylor und ihre Swifties springen und tanzen, wird nämlich Energie in Form von seismischen Wellen freigesetzt und der Boden vibriert. Das Phänomen hat sogar schon einen Namen: „Swift-Quake“, also „Swift-Beben“. Celine Hadziioannou, Professorin für Seismologie am Institut für Geophysik der Universität Hamburg, stellt aber klar: Um Erdbeben handelt es sich hierbei nicht – da müssten sich schon tektonische Platten verschieben, Teile der Erdkruste oder unterirdisches Gestein brechen. Für erforschungswürdig hält Hadziioannou die Swift-Quakes nichtsdestotrotz.

Taylor Swift statt Teilchen: Konzert wird am DESY untersucht

Deshalb sollen während der beiden großen Swift-Sausen hochempfindliche Sensoren die vom Volksparkstadion ausgehenden seismischen Wellen messen. Praktischerweise gibt es auf dem Campus des DESY in relativer Nähe zum Konzertgelände mit WAVE ein seismisches Sensornetzwerk, das die Wissenschaftler dafür nutzen dürfen. Normalerweise kommt WAVE zum Einsatz, um vor besonders sensiblen Experimenten zu überprüfen, ob die aktuellen Schwingungen gering genug sind. 

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Das WAVE-Netzwerk besteht aus Glasfaserkabeln, die sowieso im Boden liegen, um den Wissenschaftsstandort mit Internet zu versorgen und Daten zwischen den einzelnen Experimenten zu übertragen. „Sie haben aber immer ein paar Extrafasern, die gerade nicht genutzt werden. An diese Fasern dürfen wir dann unsere Messgeräte anschließen“, erklärt die Seismologin.

Wenn Swift singt, tanzen die Massen. Da kommt der Boden unter dem Stadion schon mal ins Schwingen.
Wenn Swift singt, tanzen die Massen. Da kommt der Boden unter dem Stadion schon mal ins Schwingen. © DPA Images | Claudio Furlan

DESY Hamburg: „Swift-Beben“ wird live gestreamt

Damit die Messung zum Swift-Konzert auch problemlos über die Bühne geht, haben die beteiligten Wissenschaftler die Systeme schon getestet. „Vor zwei Wochen haben wir bereits erfolgreich einen Testlauf durchgeführt, als das letzte Mal in Hamburg ein EM-Spiel stattfand“, sagt Katharina-Sophie Isleif, Professorin an der Helmut-Schmidt-Universität. Grafiken, die zeigen, wie die Erde während des Portugal-Frankreich-Spiels rund um das Stadion schwingt, hatten die Wissenschaftler auf der Plattform Twitch als Livestream veröffentlicht. „Bis zum Konzert werden wir die Darstellung weiter optimieren, sodass die Daten noch ansprechender und klarer präsentiert werden“, sagt die Expertin für Sensorik und Messtechnik.

Während des Test-Livestreams seien die Wellen nur schwerlich zu entdecken gewesen und erst in der Nachbearbeitung deutlich geworden: „Beim Elfmeterschießen gab es ein paarmal ganz schön ordentliche seismische Wellen, die aus dem Stadion gekommen sind“, erzählt Celine Hadziioannou. Bis zum Swift-Konzert tüftelt die Taylor-Task-Force daher noch, wie sich die Daten am besten darstellen lassen. Etwa eine Handvoll Wissenschaftler aus den Bereichen Seismologie und Physik sei am Projekt beteiligt. „Wir arbeiten daran, in Echtzeit auf einer Karte zu zeigen, wo sich die Erschütterungen befinden und wie diese über den Campus wandern“, erzählt Isleif.

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„Ich bin mit der internationalen Wissenschaftler-Community in Kontakt“, berichtet Hadziioannou. „Viele Seismologen haben jetzt schon bei Taylor-Swift-Konzerten gemessen und bisher zeigt sich, dass sich die Setlist mit den Daten nicht nur gut nachvollziehen lässt, sondern dass sie auch sehr konsistent ist.“ Ähnliche Ergebnisse erwarte sie von der Messung in Hamburg. Für die Seismologin ebenfalls spannend: „Anhand der Daten lernen wir auch viel über die Untergründe der unterschiedlichen Städte, in denen Taylor Swift spielt. Jeder Stadtuntergrund dämpft oder verstärkt die Schwingungen auf eine andere Art und Weise.“

Wie bereits im Testlauf zum EM-Spiel sollen die Daten, die während des Swift-Konzerts erhoben werden, per Livestream auf Twitch (m.twitch.tv/wave_hamburg/) abrufbar sein. Beiträge auf verschiedenen Social-Media-Kanälen flankieren die ungewöhnliche Forschung. Um eine bloße wissenschaftliche Spielerei handelt es sich hier schließlich nicht. Die Messung der swiftschen Wellen eignet sich hervorragend, um Wissenschaft auf Popkultur treffen zu lassen. Aktionen wie diese erhöhen die öffentliche Wahrnehmung von komplexen Forschungen, wie sie an den Instituten und im DESY täglich stattfinden und helfen den Wissenschaftlern, ihre Arbeit auch Laien verständlich zu kommunizieren. Scientific Outreach, also Wissenschaftspopularisierung, nennt Hadziioannou das.

Abgesehen davon dürfte die Untersuchung des Swift-Konzerts den Wissenschaftlern Erkenntnisse im Umgang mit dem WAVE-Netzwerk bescheren, die ihnen bei kommenden Forschungen hilfreich sind. „Es ist nicht nur bei einem Taylor-Swift-Konzert spannend, ein Monitoring-System zu haben“, sagt Isleif. „Auch bei anderen Ereignissen wie Gewittern und urbanen Erschütterungen, etwa vom Verkehr verursacht, können wir wertvolle Daten sammeln, um noch mehr über die Sensoren und das Rauschen auf dem Campus zu lernen.“