Hamburg. Wagner im Playmobil-Format und ohne Gesang, das geht? Das Solistenensemble D‘Accord mit einem Mini-„Lohengrin“ in der Elbphilharmonie.

Wagner-Oper oder Fußball? Manchmal muss man Prioritäten setzen im Leben, erst recht bei den großen, lebenswichtigen Dramen, also, keine Frage: Wagner. Deutschland hatte beim ersten Ton noch nicht das EM-Achtelfinale gegen Spanien verloren, der Kleine Saal der Elbphilharmonie war am Freitagabend zeitgleich sehr ordentlich gefüllt, als gerade mal sechs Streicher – ein Bruchteil des regulären Orchester-Kaders – den Beginn des Vorspiels zum 1. Aufzug „Lohengrin“ anstimmten. Mehr war nicht. Mehr musste zur Abwechslung auch gar nicht sein, so das streng durchgehaltene Leitmotiv dieses Programms.

Das Solistenensemble D‘Accord wollte mit klug eingeköchelten Arrangements der Vorlage beweisen, dass man bei einem mittelhandlichen Wagner wie dem „Lohengrin“ auch im Schnelldurchlauf, ohne Sängerensemble, ohne Chor, ohne Bühnenbild ganz passabel über die Runden kommen kann. Kein heldenhafter Tenor weit und breit und keine sich für ihn verzehrende Sopranistin, kein übel meinender Gegenspieler und kein Heeraufmarsch, keine Pauken und schon gar keine Trompeten. Höchstens lauwarme Wagner-Schonkost, eigentlich. Pathos im Playmobil-Format. Je zwei Geigen, Bratschen und Celli, das sollte auf dieser Bühne genügen, um in nur 90 Minuten statt über drei Stunden keine Entzugserscheinungen nach dem echten, guten Suchtstoff aufkommen zu lassen.

Elbphilharmonie: „Lohengrinchen“-Wagner für nur sechs Streicher

Erklär-Wegweiser durch die mittelalterliche Geschichte um den wie vom Himmel gefallenen Schwanenritter und seine folgenreiche Befragungsphobie war der Musikjournalist und Klassik-Blogger Axel Brüggemann. Er erläuterte kurz und kompakt die Plot-Portionen und die musikdramatischen Spielzüge vor jedem Aufzug-Durchlauf und brezelte sie mit launigen Anspielungen auf Wagner-Marotten („Zweiter Akt, wie immer bei Wagner: Es ist Nacht und es gibt Ärger“), auf Gegenwärtiges im Allgemeinen und das Paralleluniversum des Bayreuther Festspielhauses im Besonderen leicht auf. Und so umrahmt, mit etwas Themenbesichtigung und Szenenbeschreibung, ging es dann doch ganz gut voran mit der Wagner-Faszination.

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Die Fallhöhe war nicht so steil wie bei einer regulären Inszenierung mit allen Zutaten, doch dadurch war man als Zielgruppe etwas unmittelbarer an der Absicht und an der Substanz. Das ätherische Flirren des Vorspiels verzaubert schließlich auch als Kammermusikchen, die Melodie des Hochzeitsmarschs bleibt auch so ein Ohrwurm, die große Gralserzählung von Parsifal Junior muss dann halt ohne Worte auskommen und im reduzierten Maßstab anrühren und überwältigen.

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Für Wagnerianer im fortgeschrittenen Zustand, die angesichts der Hamburger Unterversorgung nur schwer den Pegelstand halten können, ist selbst so dramatisch geschrumpfter Wagner ohnehin immer noch besser als kein Wagner. Und auch als Einstiegsdroge für Neulinge dürfte dieser kleine, feine Abend gut funktioniert haben.

CD: „Tristan und Isolde – Paraphrase for String Sextet“ Solistenensemble D‘Accord (Coviello, CD ca. 20 Euro)