Hamburg. Judas Priest, Saxon und Uriah Heep in der Barclays Arena: Ein Fest für Fans harter Klänge, doch es lief nicht alles rund.
Jetzt aufpassen: Bloß nichts schreiben, das einem hinterher als Altersdiskriminierung ausgelegt werden könnte! Wäre falsch, weil man erstens selbst nicht mehr ganz frisch ist, und weil es zweitens gar nicht darum geht, dass mit Uriah Heep, Saxon und Judas Priest drei Rock-Bands auf der Bühne der Barclays Arena stehen, die zusammen seit 155 Jahren bestehen. „It’s not about age, it’s about the music“, meint Saxon-Sänger Peter „Biff“ Byford, Jahrgang 1951, „Es geht nicht ums Alter, es geht um die Musik“, und wo er recht hat, hat er recht.
Also: drei Bands, alle legendär, alle aus England, alle im Spannungsfeld zwischen blues- und folkgetränktem Hardrock (Uriah Heep), New Wave Of Britith Heavy Metal (Saxon) und Metal (Judas Priest). Das kann man schon als bemerkenswertes Line-up würdigen. Und selbst wenn der Legendenstatus auch etwas damit zu tun hat, wie lange die drei Bands (okay: zumindest einzelne Mitglieder, die Fluktuation in der Szene ist traditionell hoch) schon dabei sind, geht es am Ende immer um die Musik.
Rocklegenden in der Barclays Arena: erst erbärmlicher Sound, dann Klassiker satt
Aber wenn es um die Musik geht, muss man eben auch kritsieren: Uriah Heep, eine der ganz großen Bands des Genres, deren jüngstes Album „Chaos & Colour“ durchaus seine Momente hat, kämpft zu Beginn mit einem erbärmlichen Sound in der Halle. Vom Schlagzeug kommt nur die Bassdrum in den hinteren Reihen an, Sänger Bernie Shaw (68, seit 1986 dabei) ist kaum zu hören, als die letzten, sumpfigen Töne von „Easy Livin’“ verklungen sind, denkt das Publikum, dass das Konzert zu Ende sei, und Gitarrist Mick Box (77, als Einziger seit der Gründung 1968 dabei) muss erst noch darauf hinweisen, dass noch ein Song kommt: „Lady in Black“, der größte Hit der Band, eine Folkrock-Hymne mit einschmeichelnden Chören, die das Publikum dann dankbar mitsingt. Ein bisschen traurig ist dieser Auftritt, denn: Die Songs sind gut, dass Uriah Heep als Klassiker gelten, kommt nicht von ungefähr. Hätte man sie nur ordentlich gehört.
Besser wird der Klang bei Saxon. Deren erste Platte erschien 1979, entsprechend ist das Quintett das Küken an diesem Abend. Das jüngste Werk nennt sich „Hell, Fire and Damnation“, bollert ordentlich und klingt ansonsten nach dem Backkatalog – dass sich mit dem Titelsong und „Madame Guillotine“ zwei neue Nummern in die Setlist zwischen Klassiker wie „Wheels of Steel“ und „Denim and Leather“ geschmuggelt haben, fällt kaum auf. Das muss man sagen: Saxon ist wohl das Gegenteil von Innovation, aber ihren musikalischen Konservatismus beherrscht die Band aus dem Effeff. Dazu kommt ein überraschender Sinn für Humor: Irgendwann schnackt Sänger Byford einem Fan die Kutte ab und trägt sie ein paar Songs lang, nur um den Zuschauer dann von der Bühne herab zu informieren, dass er sie sich ja online zurückkaufen könne. „Tomorow you will get it back on Ebay!“ Immerhin, sie wurde von Biff Byford getragen!
Und schließlich: Priest. Das ist ein bisschen schwierig, weil: Der Kritiker selbst ist ausgerechnet Mitte der Achtziger auf die Band aufmerksam geworden. Mit dem von großen Teilen der Fans abgelehnten „Turbo“, als Judas Priest mit Sythesizern und Disco experimentierten, einer Phase, die mit ihrem übrigen Schaffen wenig zu tun hatte. Trotzdem spielen sie auch in der Barclays Arena „Turbo Lover“, was eine nicht unsympathische Entscheidung ist, weil es etwas darüber aussagt, dass das Quintett um Sänger Rob Halford (72, seit 1972 dabei) auch Irrwege der eigenen Karriere nicht verschweigt. Es zeigt aber auch die Schwächen des damaligen Songwritings – „You’ve Got Another Thing Comin’“ ist sicher das raffiniertere Stück, „Painkiller“ das fiesere, „Hell Bent For Leather“ das queerere. Letzterer Titel ist in Text und Inszenierung eine schlüssige Zusammenführung von schwuler Ledersubkultur und Metal, allerdings 1978 erschienen, 20 Jahre vor Halfords Outing.
Judas Priest genießen in der Szene einen gottgleichen Status
Dass Judas Priest heute einen gottgleichen Status in der Szene genießen, hat auch damit zu tun, dass sie sich nie scheuten, anzuecken: mit musikalischen Experimenten (von denen wenig übrig ist), mit sexueller Uneindeutigkeit (wobei die Homosexualität des Sängers von den Plattenfirmen weniger akzeptiert wurde als von den Fans), zwischendurch auch mit richtig schlechten Platten („Nostradamus“). Es gibt eine aktuelle, „Invincible Shield“ heißt sie, und sie ist solide. Gespielt werden das alberne „Panic Attack“ und der ordentliche Titelsong, das nimmt man so mit, und man freut sich, dass Halford immer noch die hohen Töne trifft, dass er keift und kreischt als wäre noch mal 1980, und „British Steel“ wäre eine Platte auf Höhe der Zeit.
Denn natürlich ist der Abend in weiten Teilen eine Nostalgieshow. Einmal setzt sich Halford an den Bühnenrand und erzählt, wie der Weg seiner Band von „Rocka Rolla“ (1974) bis in die Gegenwart führte, sein Blick zieht sentimental durch die Halle, und die Rocklegende erinnert plötzlich an einen Weihnachtsmann mit weißem Vollbart und Ledermantel. An einen campy Metal-Weihnachtsmann.
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Aber dann rockt die Band wieder los. „Painkiller“ klingt immer noch gnadenlos konsequent, dann das glatte „Electric Eye“, als letzte Zugabe „Living After Midnight“, mit hübschen Videoeinspielungen vom Nachtleben der Bandheimat Birmingham. Der Titel ist eine Mogelpackung, es ist noch eine gute Stunde bis Mitternacht, aber das kann man verstehen, die alten Herren müssen langsam ins Bett. Ach, Mist, auf den letzten Metern doch noch Altersdiskriminierung.