Hamburg. Es braucht etwas, bis die Jazz-Sängerin in Hamburg ihre Vorsicht ablegt. Das Publikum lauscht aufmerksam – und wird belohnt.
Die Sonne ist schon hinter der hohen Baumhecke der Stadtparkarena verschwunden, als Diana Krall kurz nach 20 Uhr mit ihrem Trio die Bühne betritt. Ganz in Schwarz gekleidet, mit einer großen dunklen Sonnenbrille nimmt sie hinter dem Flügel Platz. Von Licht geblendet wird sie nicht, die Brille ist eher modisches Accessoire und vielleicht auch ein äußerer Schutz. Die kanadische Pianistin hat länger nicht mehr in Hamburg konzertiert, die Annäherung an das Publikum passiert vorsichtig.
Mit „Almost Being In Love“ vom 2020 erschienenen Album „This Dream Of You“ beginnt sie den 90-minütigen Auftritt. Das Trio swingt munter drauf los, die Pianistin muss sich öfter ihre langen blonden Haare aus dem Gesicht streichen. Am Ende bedankt sie sich mit einem schüchternen, fast gehauchten „Thank You“ für den ersten Applaus des mucksmäuschenstillen Publikums.
Diana Krall: Es braucht eine Weile, bis sie sich in Hamburg gefunden hat
Es braucht eine ganze Weile, bis Krall sich gefunden hat und ihre anfängliche Vorsicht ablegt – und auch die Sonnenbrille. Sie spürt, dass die 2800 Zuhörer im bestuhlten Rund sie schätzen; im weiteren Verlauf des Konzerts wird sie lockerer und lockerer. Sie macht kurze Moderationen, erzählt, dass Joni Mitchell und Billie Holiday ihre großen Vorbilder seien und bedankt sich für die Energie, die sie vom Auditorium erhält.
Die Ansagen sind ein bisschen hingenuschelt – Kommentar eines männlichen Fans in Block H „Ist sie etwas angeschickert?“ Wohl eher nicht, denn Krall gilt als passionierte Tee-Trinkerin. Und sie ist sowohl bei ihrem Klavierspiel hoch konzentriert und stimmlich einfach erstklassig. In der Mitte des Sets komplimentiert sie ihre Musiker, den Schlagzeuger Matt Chamberlin und den Bassisten Sebastian Steinberg, für drei Solo-Stücke von der Bühne.
Diana Krall ist nicht nur eine außergewöhnliche Sängerin
Das angedachte Wunschkonzert mit den Fans klappt allerdings nicht so ganz. „Ich nehme gern Wünsche entgegen, aber ich muss die Songs auch kennen, die ihr möchtet“, antwortet sie auf einzelne Rufe aus dem Publikum und beginnt die solistische Exkursion dann mit Harold Arlens Klassiker „Let‘s Fall In Love“, gefolgt von Bob Dylans „Simple Twist Of Fate“ und Nat King Coles „L.O.V.E.“.
Jetzt zeigt sie, dass sie nicht nur eine außergewöhnliche Sängerin, sondern auch eine veritable Pianistin ist. Ihr Lampenfieber hat sie inzwischen komplett abgelegt. Als die Band zurück auf die Bühne kommt, legt sie mit der Rocknummer „Mr. Soul“ los, die Neil Young in den 60er-Jahren für seine Band Buffalo Springfield geschrieben hat.
Mehr mit Verstand als mit dem Herzen gesungen
Zu einem Höhepunkt wird ihre Interpretation von „You Don‘t Know What Love Is“, ein Lied, das von vielen Jazzmusikern gecovert wurde, aber vor allem durch Billie Holidays Version unsterblich geworden ist. Die düstere Ballade ist Ausdruck von Einsamkeit und Verlassenheit, und Krall spürt diesem Gefühl mit einer fragilen und extrem langsamen Interpretation nach.
Diese Nummer gelingt ihr deutlich besser als „I‘ve Got You Under My Skin“, das sie als drittes Lied auf der Setliste hatte. Cole Porters eigentlich unter die Haut gehenden Klassiker verwandelt sie in ein Kunstlied, mehr mit dem Verstand als mit dem Herzen gesungen.
Diana Krall singt in Hamburg Bob Dylan, Joni Mitchell und Tom Waits
Verblüffend an Diana Kralls Konzerten ist die Vielzahl an Songs, die sie und ihre beiden Musikerkollegen im Repertoire haben. Die ersten drei Songs sind bei all ihren Auftritten gleich, aber dann schöpft sie aus dem Vollen. Im Vergleich mit ihrem Konzert in Arhus am Vortag spielt sie in Hamburg acht Nummern, die in Dänemark nicht auf ihrer Setliste gestanden haben. Ihr Repertoire speist sich aus eigenen Songs sowie vielen Klassikern aus dem „Great American Songbook“, dem Kanon amerikanischer Unterhaltungsmusik der 30er- bis 60er-Jahren.
Und immer wieder wählt sie Rocksongs aus. Zwar nicht von ihrem Mann Elvis Costello, aber von Bob Dylan, Joni Mitchell, Tom Waits und anderen. In Hamburg hat sie „Route 66“ im Programm, einen Blues, der durch die Rolling Stones populär geworden ist. Auch die Zugabe, das letzte Stück des Abends, kennt jeder im Stadtpark-Rund: „It‘s All Over Now, Baby Blue“ hat Dylan geschrieben.
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Am Ende versucht das Publikum, das Trio durch anhaltendes Klatschen noch zu einer weiteren Zugabe zu bewegen, doch nach eineinhalb Stunden ist Schluss. Diana Krall ist keine Künstlerin, die die Herzen ihrer Zuhörer im Sturm erobert und die zu wilden Swing-Eskapaden neigt wie ihr britischer Kollege Jamie Cullum. Sie ist eine Großmeisterin der Ballade und einer ergreifenden Innerlichkeit.
Ihre Konzerte funktionieren nur, wenn das Publikum sich auf diese manchmal kühl wirkenden Interpretationen einlässt, die in einem Club sicher noch besser wirken würden als auf einer großen Open-Air-Bühne. Aber das Hamburger Publikum hat aufmerksam zugehört und Diana Krall mit einem guten Gefühl in den Abend entlassen.