Hamburg. Bei dem ihr gewidmeten Festival begnügt sich die Pianistin mit wenigen Tönen. Alle anderen haben mehr zu spielen. Wer noch dabei war.
Erwartung kann im Konzertsaal schon mal eine Art magnetischen Sog entfalten: Das Orchester hat gestimmt, es wird still – jetzt müsste sich die Tür öffnen, müssten Dirigent, Sängerinnen, Solisten hereingespült werden. Wenn diese Spannung ganz wenig überdehnt wird, reißt sie. Beim Konzert des Martha Argerich Festivals im Großen Saal der Elbphilharmonie, bleibt die Tür nach der Pause sehr lange geschlossen. So lange, bis das Gemurmel wieder einsetzt, Applaus und Lachen aufbranden. So ist das eben mit Argerich. Das Unberechenbare gehört zum Ruf dieser Ausnahmekünstlerin, doch bei dem Festival, das ihr Daniel Kühnel und die Symphoniker Hamburg seit 2018 ausrichten, ist sie noch stets erschienen. Als sie dann hereinkommt, wird sie begeistert begrüßt.
Elbphilharmonie: Martha Argerich beglückt mit wenigen Tönen ihr Publikum
„Concertante“ ist der Abend überschrieben. Auf dem Programm: drei Konzerte für mehrere Instrumente. Argerich hat sich von allen Parts den bescheidensten ausgesucht, sie spielt Klavier bei Beethovens Tripelkonzert, diesem Wunderwerk an frech-fröhlicher Virtuosität. Hochvirtuos ist es für Geige und Cello. Den weit weniger fordernden Klavierpart schrieb Beethoven seinem Schüler Erzherzog Rudolph von Österreich in die Finger, und der war halt kein Profi.
Aber La Martha würde man ja auch noch bei einer Tonleiter zuhören. Auf ihre zurückhaltende und zugleich bestimmte Art wird sie wieder einmal zum Zentrum der Aufführung. Sie ist in Kontakt mit Sylvain Cambreling, der das Solo-Trio mit den Symphonikern koordiniert, und mit dem Geiger Gil Shaham und dem Cellisten Edgar Moreau musiziert sie, als hätte sie am Rücken zusätzliche Augen und Ohren. Die beiden sind nämlich hinter ihr positioniert.
Elbphilharmonie: Die Solisten feuern ihre virtuosen Läufe quasi aus der Hüfte ab
Gemeinsam ziehen sie nach der Orchestereinleitung das Tempo an, gestatten sich in den lyrischen Passagen aber auch mal ein ruhigeres Zeitmaß. Shaham und Moreau feuern all die irrwitzig schnellen Läufe und gebrochenen Dreiklangsketten gleichsam aus der Hüfte ab. Und Argerich platziert mit unvergleichlichem Gespür diese Harmoniewechsel, mit denen Beethoven der Heiterkeit eine plötzliche Schwärze einzieht.
Begonnen hat der Abend mit der „Sinfonia concertante“ von Haydn. Adrian Iliescu, der Konzertmeister der Symphoniker, der Cellist Christoph Heesch sowie der Oboist Albrecht Mayer und der Fagottist Stefan Schweigert, beide Solobläser bei den Berliner Philharmonikern, spielen das spritzige Stück so feinfühlig zusammen wie ein festes Ensemble. Das tröstet darüber hinweg, dass der Kontakt mit dem Tutti immer wieder leidet. Die vier stehen weit weg, vorn am Bühnenrand.
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Elbphilharmonie: Das Orchester hat den undankbarsten Job
Sowieso hat das Orchester den undankbarsten Job. Die Abstimmung mit den Solistinnen und Solisten hakt manchmal, und im Parkett klingen manche Blechbläserakkorde, als kämen sie gleich doppelt an. Etwas matt wirkt zunächst auch das Konzert für zwei Klaviere KV 365 von Mozart, aber der Pianist David Kadouch gestaltet seinen Part so subtil und lebendig im Zusammenspiel mit seiner Kollegin Akane Sakai, dass es ein Vergnügen ist.
Neun Solisten an einem Abend, so eine Phalanx ist festivaltypisch. Am Schluss reihen sie sich alle noch mal auf und bekommen Rosen und viel Beifall.