Hamburg. Alle singen und summen. Jacob Collier steckt an diesem bewölkten Sommerabend im Stadtpark mit seinem hemmungslosen Optimismus an.

Wie ein Wirbelwind fegt er über die Bühne. Froschgrüne Hose, Patchwork-Shirt, gelbe Schuhe. Der britische Musiker Jacob Collier ist ein Phänomen. Eine Mischung aus hyperaktivem Kind, das nicht still sitzen kann, musikalischem Tausendsassa – und Chorleiter. Beim ausverkauften Stadtpark-Konzert hat er schon vier Tage pausenloses Konzertieren hinter sich. Von Müdigkeit aber keine Spur. Sogleich wird die Menge in Stimmen eingeteilt und zur Begrüßung zu einem A-cappella-Gesang animiert.

Collier turnt wie eine aufgezogene Spieluhr vom Rasen an sein Piano, wechselt an die Keyboards, wirft sich an diverse Percussion- und Schlagwerke, greift sich den Bass und entlockt all diesen Instrumenten Läufe in atemberaubend virtuoser Geschwindigkeit. Wie soll man die Musik dieses Multi-Instrumentalisten nun beschreiben? Es ist ein schräger Mix aus Jazz, Funk, Vokalharmonizer-verstärktem Gesang und entfesselter Improvisation. Jazz auf Speed.

Jacob Collier: Durchbruch erzielte er mit auf Youtube hochgeladenen Coverversionen

In seinem jungen Alter hat Collier schon vier Alben herausgebracht und etliche Grammys eingeheimst. Seinen Durchbruch erzielte er mit auf Youtube hochgeladenen Coverversionen, etwa von Stevie Wonders „Isn’t She Lovely“. Damit konnte das gerade mal 27 Jahre junge Talent sogar Produzentenlegende Quincy Jones für sich begeistern. Der half ihm auch, seine technisch aufwendige Liveshow zu entwickeln. Und so sieht man Collier nun inmitten seiner Instrumente sitzen, deren Klänge sich nach und nach zu immer größeren Loops auftürmen.

Springen, singen, tanzen, spielen: Jacob Colliers Energie ist im Stadtpark in Hamburg ansteckend.
Springen, singen, tanzen, spielen: Jacob Colliers Energie ist im Stadtpark in Hamburg ansteckend. © Unbekannt | Michael Rauhe

Die Soundstrukturen schrauben sich immer weiter ins Vertrackte und Komplexe, sodass sie mitunter nicht wirklich gut hörbar sind und eher an eine kieksende Schallplatte erinnern. Doch die Menge wippt ergriffen mit, singt, summt. Das soft-jazzige „Feel“ erklingt, gefolgt von dem frühen „Hideaway“. Mit „Time Alone With You“ wird es langsam funky. Bei „All I Need“ ist Collier in seinem Element – auf seine hervorragende fünfköpfige Band kann er dabei jederzeit zählen.

Jacob Collier singt gleich in mehreren Oktaven im Stadtpark

Multi-Instrumentalist und Sänger: Jacob Collier überzeugt nicht nur online, sondern auch live im Stadtpark.
Multi-Instrumentalist und Sänger: Jacob Collier überzeugt nicht nur online, sondern auch live im Stadtpark. © Unbekannt | Michael Rauhe

Und der Multi-Instrumentalist Collier führt nicht nur aberwitzige Arrangements vor, sondern singt auch in einem erstaunlichen Tonumfang über mehrere Oktaven. Auch einige bis zur Unkenntlichkeit verfremdete Coverversionen sind dabei. „Can’t Help Falling In Love” von Elvis Presley etwa und später eine Soloversion von Queens „Somebody To Love“.

Die Energie Jacob Colliers ist ansteckend. Berührungsängste kennt er nicht. Mal spricht er das Publikum in fließendem Deutsch an und flicht in einen Song sogar eine Improvisation über die deutsche Nationalhymne ein. Mal bedankt er sich äußerst wohlerzogen für den warmen Applaus und fügt die Hände zum Herz zusammen.

Vor allem aber verbreitet Jacob Collier an diesem zu kühlen und sehr bewölkten Sommerabend im Stadtpark einen hemmungslosen Optimismus. Einen Geist von Verbundenheit, Krisenfestigkeit. Gemeinschaft. Vielleicht liegt darin, neben dem hör- und sichtbar vorhandenen musikalischen Wunder, sogar seine größte Gabe.