Hamburg. Rockstar besucht den Norden – allerdings nicht, um über Musik zu reden. Worum es dem 61 Jahre alten US-Amerikaner ging.
Ein Dresscode bei einer Pressekonferenz – das gibt es auch nicht alle Tage. „Smart casual“ soll man in der Hanse Lounge am Neuen Wall auflaufen, für die Herren gilt „Jackettpflicht“. Immerhin hat man Sicht aufs Rathaus. Oh, und bitte keine Fragen zur Musikkarriere, obwohl hier doch eindeutig ein Rockstar zum Lunch lädt. Der zwar mehr als 120 Millionen Platten verkauft hat und in der Rock ‘n’ Roll Hall of Fame verewigt ist, aber eben diesmal gar nicht zum Musizieren nach Hamburg gekommen ist. Sondern zum Trinken. Oder, um an dieser Stelle präzise zu sein: zum Trinken-Lassen.
Jon Bon Jovi, das kann man ganz unbescheiden sagen, ist eine Rocklegende. Eigentlich. „My day job“, nennt er das in der Hanse Lounge etwas süffisant, seinen Brotberuf. Die Fragerunde findet in einem Konferenzraum statt, Teppichboden, Türen im Getäfeltlook. Es ist eher düster, aber Jon Bon Jovi lässt seine Sonnenbrille auf. „I’m very happy to be here.“ Der gebräunte Teint passt prima zur Täfelung.
Jon Bon Jovi macht Wein: Sogar die Toten Hosen verkaufen einen bandeigenen Tropfen
In Hamburg (und später auch in der Sansibar auf Sylt) ist er als Investor. Und als Vater. „This ain’t a wine for the broken-hearted ...“ Ihn einen Winzer zu nennen wäre übertrieben, aber gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Jesse Bongiovi ist Jon Bon Jovi vor einiger Zeit ins Wein-Business eingestiegen.
Das macht man so ab einer gewissen Einkommensklasse: Sting baut Sangiovese in der Toskana an („Message in a bottle“), Madonna hat ein Weingut, Gianna Nanini auch, Gérard Depardieu soll sogar mehrere besitzen. AC/DC tut es in Australien, Cliff Richard in Portugal, Günther Jauch an der Saar. Matthias Schweighöfer („Keinohrhasen“) füllt mit Moderator Joko Winterscheidt ab. Und sogar die Toten Hosen verkaufen in Zusammenarbeit mit einem Winzer einen bandeigenen Tropfen: „Weißes Rauschen“.
Jon Bon Jovi hat kein Chateau gekauft, aber sich Know-how geborgt: Gemeinsam mit Gérard Bertrand, einem renommierten französischen Winzer und geschäftstüchtigen ehemaligen Rugbyspieler aus dem Languedoc, bringen Jon und Jesse seit 2018 einen eigenen Rosé heraus. Er transportiert das Lebensgefühl, das nicht nur Familie Bongiovi in den Hamptons lebt, einer besonders exklusiven Küstenecke auf der Insel Long Island im US-Bundesstaat New York: Sommer, Sonne, Lifestyle.
Zehen im Sand, Aktien im Depot, „pink juice“ im Glas. Smart casual – wie der Dresscode im Hamburger Club. Von den Hamptons erzählt man sich, es werde dort von den Reichen und Schönen mehr Rosé als Wasser getrunken. Der Name des Bon-Jovi-Weins ehrt diesen Umstand: „Hampton Water“.
Bon-Jovi: Auf dem Etikett seines Weins springt eine Badeschönheit in die Fluten
Auf dem Etikett springt eine Bademodennixe vor roséfarbenem Sonnenuntergang in die Fluten. Das dürfte man sich auch nach wiederholten Promille-Umdrehungen merken – immerhin 13 Prozent hat die Cuvée. Während der Hamburger Fragerunde strahlt der Eiffelturm hinterm Hampton Water. Der steht jetzt nicht direkt auf Long Island, passt aber trotzdem zur Marke. Man muss da nicht so spitzfindig sein.
Hampton Water wird als Premiumprodukt vermarktet und ist schon jetzt einer der meistverkauften Roséweine in den Vereinigten Staaten. Gérard Bertrand, der französische Winzer, der seinerseits aussieht, als habe ihn eine Kino-Castingagentin für eben diese Rolle auserkoren, schwärmt. Très instagrammable. Wer Bertrand googelt, findet ihn unter dem Begriff „Turbowinzer“.
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Die Idee aber war einst Jesses. Noch in der Schule hat er begonnen, Wein-Etiketten zu entwerfen, begeistert weist er auf den originellen Flaschenboden hin, der an eine Erdbeere erinnert. Und während Vater Jon Bon Jovi (der sich, so viel Rockstar muss sein, der Jackett-pflicht übrigens nicht beugt) in der Hanse Lounge etwas Mühe hat, das Plastik vom Verschluss zu friemeln, flippt der Sohn den Glaskorken lässig offen: „Pop the top!“
Bon Jovi: Wein schmeckt ein bisschen nach Sylt
Ja, und wie schmeckt es nun, das Hampton-Wasser, der Rockstar-Rebensaft vom filmreifen Winzer? Die Trauben: Grenache, Cinsault, Mourvédre, Syrah. Die Farbe: ein sehr helles Lachsrosé. Die Follower: 560.000 in den sozialen Medien. Leicht, aber knackig, bisschen Pfirsich, bisschen Zitrus, bisschen Mandarine, bisschen Sylt.
Wenig Stadionrock. Aber doch die Erinnerung an ein Album-Boxset der Band, das vor fast 20 Jahren erschien, aber dessen selbstironischer Titel immer noch Gültigkeit hat – warum nicht auch im Glas: „100,000,000 Bon Jovi Fans Can’t Be Wrong“. Eben. Kann man gut trinken.