Hamburg. Ein Popsänger, nicht nur für junge Menschen: Beim Konzert regnete es Hits und Konfetti. Plötzlich stand eine Boyband auf der Bühne.

  • Popsänger Wincent Weiss ist in der Barclays Arena aufgetreten
  • Bemerkenswert war die Alterspanne des Publikums: Jede Generation war vertreten
  • Selten hat man zudem so viele Zehn- und Elfjährige in der Barclays Arena gesehen

Seinen Liederreigen an diesem Abend, den verteilte er paritätisch auf seine bisher erschienenen vier Alben. Pop-Proporz von Wincent Weiss: Jede bisherige Karrierephase kommt auf der aktuellen Tour zu ihrem Recht. Aber für den Anfang in der Barclays Arena hatte sich dieser Eutiner Popsänger Wincent Weiss, dessen Name auf eigenwillige Weise international klingt, einen seiner Tophits ausgesucht.

Gleich mal nach außen zeigen, was hier Phase sein würde: Ein Konzert wie ein „Feuerwerk“ sollte es werden. Wurde es auch. Eröffnet mit dem Song gleichen Namens.

Wincent Weiss in Hamburg spielt vor 12.000 Menschen in Barclays Arena

Funkenflug, Konfettiregen – um den Wald, der da, das Cover des neuen Albums zitierend, auf der Bühne herumstand, brauchte man sich allerdings keine Sorgen zu machen. Alles feuerfest. Obwohl Weiss gleich die Höchststufe seines Schaffens zündete. Ist gar nicht mal so normal, dass gleich beim ersten Stück eines Konzerts ein 12.000er-Publikum gesangstechnisch volle Pulle geht.

„Volle Pulle gehen“, ernsthaft? Wer redet denn so, doch sicher nur ein Boomer oder so? Joaaa, so in der Art. Die natürlich überwiegend jungen und ganz jungen Leute in der Barclays Arena jedenfalls nicht, und das sind die, für die Wincent Weiss hauptsächlich seit zehn Jahren und vier Alben singt.

Wincent Weiss beim Konzert am Freitag in der Barclay Arena in Hamburg.
Wincent Weiss beim Konzert am Freitag in der Barclay Arena in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Songs wie „Hier mit dir“ und „Die guten Zeiten“. Oder „Wo die Liebe hinfällt“ und „Weck mich nicht auf“. Songs für eine Konzertmischung aus Adoleszenz-Spektakel und Familien-Platte: Das Lied-Büfett musste notwendigerweise mehrere Generationen ansprechen oder zumindest von diesen nicht ganz verschmäht werden. Selten bis nie sah man so viele Zehn- oder Elfjährige in der Arena. Und die dürfen da nun mal nicht ohne die Erwachsenen rein. „Aber gleich nicht auf die Bühne rennen und ihn umarmen“, ermahnte ein Vater seine Tochter, als die Lichter ausgingen. Süß.

Wincent Weiss holt Überraschungsgast Johannes Oerding auf die Bühne

Es waren schlagernde Texte, die der wenig kontaktscheue Weiss („Volles Haus hier in Hamburg, in der Heimat!“) – von der Bühne hüpfte er recht schnell, um nah bei seinen Leuten zu sein – da feilbot. Aber billig muss man das alles nicht nennen. Es war eher so, dass man sich als nicht zur Zielgruppe Gehörender relativ fröhlich dem Barclays-Treiben ergab. Einfach mal zusah, wie das mit dem superpopulären Pop so funktioniert, der bei jungen Hörerinnen und Hörern noch mal ekstatischere Reaktionen hervorruft. Dieser Pop ist lyrisch sicher oft unterkomplex und zielt deswegen halt wirklich auf (fast) alle.

Beim Konzert von Wincent Weiss in Hamburg holte er mit Johannes Oerding einen Überraschungsgast auf die Bühne, der gut ankam
Beim Konzert von Wincent Weiss in Hamburg holte er mit Johannes Oerding einen Überraschungsgast auf die Bühne, der gut ankam © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Was die Dramaturgie des Abends anging, war Weiss grundsätzlich nicht zurückhaltend. Bereits beim dritten Stück „Die guten Zeiten“ holte er Überraschungsgast Johannes Oerding auf die Bühne.

Die Alben von Wincent Weiss sind eher am Rande auch für die am Freitagabend in nicht so kleiner Zahl anwesenden Erziehungsberechtigten interessant, Liebe, Freundschaft, Familie sind ja alles thematische All-Ager. Aber im Kern zielen sie auf alle unter 30 ab. Man schaue sich die Titel der vier Alben an. „Irgendetwas gegen die Stille“. „Irgendwie anders“. „Vielleicht irgendwann“. „Irgendwo ankommen“. Klingt wie die Popversion der Shell-Studie: unbestimmte junge Leute, die unbestimmte Dinge in einer unbestimmten Zukunft bestimmt oder eben nicht tun wollen. Das Lebensgefühl „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ also – das allerdings keine Erfindung der Millennials ist.

Konzert in Hamburg: Viele Generationen im Publikum vereint

Es sei schön, so viele Generationen im Publikum zu sehen, rief Wincent Weiss einmal ins Publikum – und hielt danach, bevor er „Was die Menschen nicht wissen“ anstimmte, mit Blick auf die Jüngeren im Publikum ein flammendes Plädoyer gegen Selbstinszenierungen und offenherzige Selbstdarstellungen in den sozialen Medien.

Wincent Weiss beim Konzert in Hamburg: ein Mann mit Message und sympathisch.
Wincent Weiss beim Konzert in Hamburg: ein Mann mit Message und sympathisch. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Also, ein Mann mit Message, sympathisch ist er ja eh. Und gut erzogen: Weiss bedankte sich bei allen fürs Kommen, „auch denen, die nicht freiwillig hier sind“, also als männliche Begleiter weiblicher Weiss-Anhängerinnen zwangsverpflichtet worden waren.

War das eigentlich alles ziemlich weichgespült, der Sound, die Show, die Sentimentalität? Klar war es das, trotz nicht seltener Rock-Dynamik. Der Wincent ist ein Flauschi. Die insgesamt doch meist gut gelaunte Verkörperung eines wenn nicht Generationenempfindens, so doch überpersönlichen Lebensgefühls. Dunkle Momente kennt er jedoch auch, wie er seinem Publikum erzählte. Er war beim Therapeuten, als er mental nicht so stabil war. Gute Sache. Auch, es den Menschen in der Barclays Arena mitzuteilen. Man nennt das ganz altmodisch „Vorbildfunktion“.

Wincent Weiss – besonders jungen Leuten dienen seine Lieder der Erbauung

Besonders jungen Leuten dienen seine Lieder der Erbauung. No future, was ein Quatsch! Bringt ja nix, den Kopf in den Sand zu stecken. Das gut gelaunte „Morgen“ jedenfalls wurde extralaut mitgesungen. Traute man hier übrigens vielen Besucherinnen und Besuchern zu, dass sie zu Fridays for Future gehen? Oder hoffte man es eher? „Wer, wenn nicht wir“ wurde auch gespielt, ist aber nur im übertragenen Sinn demo-tauglich.

Beim Konzert von Wincent Weiss in Hamburg wurden die Hits heftig mitgesungen, zwischendurch gab es Handylicht-Exzesse.
Beim Konzert von Wincent Weiss in Hamburg wurden die Hits heftig mitgesungen, zwischendurch gab es Handylicht-Exzesse. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Die Hits – man wüsste nicht zu sagen, welches Lied hier kein Mainstreamradio-Format hat – flipperten so durch, wurden heftig mitgesungen, und zwischedurch gab es Handylicht-Exzesse, tänzerische Boyband-Einlagen und auch ein Schützenfest-Medley. Mit CROs „Traum“, Marterias „Lila Wolken“ und „Komet“ von Apache 207 und Udo Lindenberg, mit „Über den Wolken“ von Reinhard Mey, „Angels“ von Robbie Williams und noch viel mehr. Kann man so machen.

Wincent Weiss in Hamburg: Einen Hänger hatte dieses Konzert nie

Einen Hänger hatte dieses Konzert nie. Gegen Ende zogen Weiss und seine Band das Tempo an, Lieder wie „Frische Luft“ und „Kaum Erwarten“ sind amtliche Gassenhauer. Oder so. Spät auch kam „Musik sein“, ein tatsächlich geschickt getextete Hommage ans Lieben und Musikhören.

Wincent Weiss ist der Sänger, dem unsere Kinder vertrauen. Wünschen wir ihm und allen Glücksuchern Erfolg. „Ich will nur irgendwo ankommen/Denn ich falle schon so lange ohne Landung/Und mein Lächeln ist gerade nur Tarnung/Was ich wirklich will, ich hab keine Ahnung“, sang Wincent Weiss zum Schluss, und da war er nicht der Einzige.