Hamburg. „Eine Stadt sieht einen Film“: Am Sonntag läuft in 17 Hamburger Kinos der Musikfilm-Klassiker mit Riemann, Tabatabai und Krebitz.
Mitte der 90er-Jahre, da habe sie Katja Riemann, Nicolette Krebitz und Jasmin Tabatabai mal zusammen auf einer Feier erlebt, erzählt Regisseurin Katja von Garnier. „Die drei hatten einfach eine extrem kraftvolle Synergie. Als wir am Ende dieses Abends auseinandergingen, habe ich ihnen gesagt, dass ich gerne einen Musikfilm für sie entwickeln würde.‟
Die drei Schauspielerinnen hielten das damals zunächst für einen Spaß. Doch 1997 kam dann mit „Bandits‟ tatsächlich eben jener Film in die Kinos, der sowohl die enorme Energie der Darstellerinnen als auch den Zeitgeist des ausgehenden Jahrtausends aufs Schönste einfing.
Kino Hamburg: „Bandits“: Einmal noch in 17 Hamburger Kinos
Wenn „Bandits‟ nun am Sonntag in der Reihe „Eine Stadt sieht einen Film‟ in 17 Hamburger Kinos erneut auf der großen Leinwand zu sehen sein wird, lässt sich guten Gewissens sagen: Die Geschichte ist mit all ihren Ecken und Kanten, mit ihrer Attitüde und ihrer Dynamik über weite Strecken wirklich bestens gealtert. Und wenn die Handlung auch in Süddeutschland beginnt, so strebt doch alles hin nach Hamburg – mit epischen Szenen aus der Stadt.
Als Vorzeigeprojekt soll die Knastband Bandits auf dem Polizeiball spielen. Doch Emma (Riemann), Luna (Tabatabai), Angel (Krebitz) und Marie (als Vierte im Bunde: Jutta Hoffmann) nutzen den Auftritt zur Flucht und kurbeln nebenbei ihre Musikkarriere an. Verfolgt werden die vier Frauen von Kommissar Schwarz (Hannes Jaenicke) und seiner Kollegin Ludwig (Andrea Sawatzki).
Eine Stadt sieht einen Film: Diesmal mit einem deutschen „Thelma & Louise“
Und so nimmt dieses starbesetzte Road-Movie seinen Lauf und feiert mit rauem Charme und viel Wärme die Freundschaft unter Frauen. Eine Art deutsches „Thelma & Louise‟, durchwirkt von der Videoclip-Ästhetik der MTV-Ära. In einer Zeit, als Demotapes noch auf Kassette verschickt werden. Im Fernseher läuft der Fanta-4-Clip zu „Populär‟. Und wer genau hinsieht, erspäht in der Bar-Szene hinter Hannes Jaenicke das Poster von Die Braut haut ins Auge, damals eine der wenigen weiblich besetzten Bands im deutschsprachigen Raum.
„Bandits‟ ist getrieben von einem emanzipatorischen Spirit, der nach mehr als 25 Jahren nach wie vor nötig scheint und somit hoch aktuell ist. „Zu seiner Zeit hat ‘Bandits’ auf jeden Fall gesellschaftlich einen wunden Punkt getroffen, weil unsere Gesellschaft ein Thema mit Frauen hatte, die wütend sind. So als ob sich das nicht gehört irgendwie. Genau wie es damals Leuten unangenehm war, wenn Männer emotional wurden‟, sagt Katja von Garnier. Und fügt hinzu: „Beides hat sich hoffentlich inzwischen geändert.‟
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Mit ihrem Debütfilm „Abgeschminkt!‟, ebenfalls mit Riemann in der Hauptrolle, landete die Regisseurin 1993 einen Überraschungserfolg. „Ich finde nach wie vor – und das hab ich zu Zeiten von ‘Abgeschminkt’ extrem empfunden –, dass in Filmen ein begrenztes Spektrum von weiblichen Charakteren abgebildet ist. Und dass es im Leben um mich herum eine viel größere Variation an Weiblichkeit und unterschiedlichen Frauenthemen gibt‟, erklärt die 56-Jährige.
„Bandits“: Es wurd gesoffen, geraucht, geflucht
Auch als künstlerische Leiterin beim Deutschen Filmpreis in diesem Jahr will Katja von Garnier starke inhaltliche Akzente setzen. Sie möchte „die starken Kinofilme des letzten Jahres feiern‟ und in „quasi-post-pandemischen‟ Zeiten wieder Neugierde wecken auf die Welt des Kinos.
„Und dann wollen wir natürlich auf hoffentlich inspirierende Weise den Bezug herstellen zu Themen, die die Welt gerade bewegen. Und da spielt unter anderem die von Mädchen und Frauen geführte Revolution im Iran eine Rolle, die uns ja alle betrifft‟, sagt Garnier.
Der Feminismus hatte und hat viele Facetten. In der Frauenclique bei „Bandits‟ wird gesoffen, geraucht und geflucht, geredet, gesungen und viel gefühlt. Die Dialoge sind unverblümt, die Herzen schlagen wild und der Freiheitsdrang ist riesig. Die Action, die Coolness, die Chemie – als das macht auch heute noch richtig Laune. Und dann ist da natürlich noch die Musik.
Der „Bandits“-Soundtrack verkaufte sich mehr als 700.000 Mal
Zwar gerät die Story etwas ins Märchenhafte, als nach wenigen Tage schon tatsächlich ein Album der Bandits in den Läden steht. Doch nicht nur in der Fiktion des Films, auch in der Realität waren die Songs der Band höchst erfolgreich – inklusive der eingängigen Pop-Nummer „Catch Me‟. Mehr als 700.000 Mal verkaufte sich der Soundtrack in den 90ern. Gesungen wurden die meisten Stücke von Jasmin Tabatabai, zum Teil aber auch von Nicolette Krebitz und Katja Riemann.
Dass „Bandits‟ nun für die Reihe „Eine Stadt sieht einen Film‟ ausgesucht wurde, empfindet Katja von Garnier als große Ehre. „Ich freue mich sehr darauf, mit möglichst vielen Besuchern über die Entstehung des Films zu sprechen‟, sagt sie über die Kinotour, die sie am Sonntag in Hamburg von A wie Abaton bis Z wie Zeise absolvieren wird.
Katja von Garnier: Hamburg „essenziell“ für die Geschichte
Wie sehr sich die Regisseurin seit jeher mit der Hansestadt verbunden fühlt, zeigen auch die toll platzierten Hamburg-Szenen in „Bandits‟. Ein Tanz-Flashmob auf der Oberhafenbrücke. Ein nächtliches Gespräch unweit der Reeperbahn. Eine kleine Verfolgungsjagd an den Großen Bleichen. Der Showdown auf der Köhlbrandbrücke. Und das finale Konzert am Hafen.
„Hamburg ist nicht nur Dreh- und Angelpunkt, sondern auch inhaltlich essenziell für ‘Bandits’‟, erklärt Katja von Garnier. Alles begann mit der Wahl der Köhlbrandbrücke für eine der Schlüsselszenen des Films, bei der die Polizei die fliehende Band einkesselt. Das erste Mal überhaupt wurde damals ein Dreh auf der Köhlbrandbrücke erlaubt, erzählt die Regisseurin.
Highlight Hafenpanorama – Katja Riemann spielte vor großen Containerschiffen
„Das war für uns wie ein Lottogewinn. Der allerdings dann noch hart erarbeitet werden musste, weil die Auflagen natürlich ziemlich extrem waren‟, berichtet Garnier. Sie erinnert sich noch genau daran, dass zum Teil nur eine Fahrspur für den Dreh freigegeben wurde. Deshalb mussten Jasmin Tabatabai und Katja Riemann eine hoch emotionale Szene spielen, während zwei Meter neben ihnen Autos vorbeibrausten. Und um die Explosionen des Fluchtautos zu filmen, standen der Crew lediglich zweimal sechs Minuten zur Verfügung.
Besonders gern denkt die Filmemacherin auch an die Arbeit mit Hafenpanorama zurück, als die Bandits auf einem Hausdach an der Großen Elbstraße in Altona ihr umjubeltes Abschlusskonzert geben. „Während des Drehs sind oftmals extrem imposante Containerschiffe vorbeigefahren, die uns praktisch für den Hintergrund ‘geschenkt’ wurden.‟
Da wurde dann auch schonmal schnell umdisponiert, als ein besonders dicker Pott des Weges kam. „Ich erinnere mich, wie wir mit einer Kamera und langer Brennweite schnell den Hügel hoch sind, um das aufzunehmen. Es ist eine unglaublich tolle Aufnahme geworden, als die Bandits trommeln, während sich hinter ihnen dieses niemals endende Schiff vorbeibewegt.‟ Da bleibt ihr nur zu sagen: „Danke, Hamburg!‟
Eine Stadt sieht einen Film: „Bandits‟ So 16. April in 17 Hamburger Kinos, Infos zu Spielzeiten, Gästen, Tickets und Rahmenprogramm unter www.eine-stadt-sieht-einen-film.de