Hamburg. Die Auswahl ist groß: Vom Hitchcock bis zum Netflix-Stream der Gegenwart. Wir verraten natürlich auch, wo man diese Perlen findet.

Die Kinos sind geschlossen, aber der Hunger auf gute Filme ist trotzdem groß. Das könnte die beste Zeit sein, um wenigstens zu Hause ein paar cineastische Lücken zu füllen. Wir haben Hamburger Kinobetreiber, Filmproduzenten und Programmmacher gefragt, welche Werke sie empfehlen. Die Auswahl ist erwartbar groß - vom guten alten Hitchcock über japanische Animationskunst, vom Klassiker bis zum Netflix-Stream der Gegenwart. Klar bleibt am Ende trotzdem eines: So richtig schön ist es nur im Kino.

Matthias Elwardt, Zeise Kinos

Mein persönlicher Oscarfavorit 2021 ist „Nomadland“ (Kinostart im März) von der Regisseurin Chloe Zhao mit der großartigen Frances McDormand. Chloe Zhao hat davor 2017 „The Rider“ (im Stream bei Amazon Prime) gedreht. Ein sehr intensiver, halbdokumentarischer Blick auf Rodeoreiter in den USA . Ein großer, kleiner Film und eine perfekte Einstimmung auf „Nomadland“

Der kanadische Regisseur Denis Villeneuve sorgt in Hollywood für Furore mit „Arrival“, „Blade Runner 2049“ und dem kommenden Film „Dune“ (Kinostart Oktober). 2010 lief in Venedig sein Film „Die Frau, die singt - Incendies“ (DVD ab 9 Euro). Ein unglaublich berührende Familiengeschichte: Zwillinge reisen in den Libanon um den letzten Willen Ihrer Mutter zu erfüllen. Immer noch einer der stärksten Filme über den Nahost-Konflikt.

Alles von Alfred Hitchcock. Einstimmen kann man sich mit den Hörbüchern der literarischen Vorlagen von Jens Wawrczeck (Edition Audoba) etwa mit „Vertigo“ oder „Die Vögel“. Begleitend gibt es zwei brillante Filmbücher: François Truffauts „Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?“ und Donald Spotos „Alfred Hitchcock - Die dunkle Seite des Genies“.

Albert Wiederspiel, Direktor des Filmfest Hamburg

„Lust auf anderes“ (2000, gebraucht auf DVD ab 5 Euro) von Agnes Jaoui. Für mich der beste Film über Frankreich, über Franzosen, über die Provinz und ihren ehrgeizigen Kleinbürger. Ein Muss. Habe das große Glück gehabt, noch als Verleiher den Film ins Kino bringen zu dürfen.


„Life According to Agfa - Nachtaufnahmen“ (1992, Import-DVD ab 26 Euro) von Assi Dayan zeigt, wie ein in schwarz/weiß gedrehtes Kammerspiel (fast) alles über ein Land wie Israel erzählen kann.

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Schockierend und gleichzeitig so ans Herz gehend. Habe bei der Berlinale 1993 Rotz und Wasser geheult.
„Asche und Diamant“ (1958, Import-DVD ab 25 Euro) von Andrzej Wajda - der Klassiker des polnischen Kinos. Spielt in den allerletzten Tagen des Zweiten Weltkrieges (oder sind es bereits die ersten Tage eines neuen Friedens?) und erklärt uns vieles über unser Nachbarland Polen. Auch das Polen von heute. Außerdem spielt Zbigniew Cybulski die Hauptrolle - der James Dean von Polen, der leider viel zu jung starb.

Manja Malz, Initiatorin von „Eine Stadt sieht einen Film“

„Wrong“ (2012, ausleihbar bei Amazon Prime, Maxdome u.a. ab 0,96 Euro): Willkommen im Mystery-Universum des französischen Regisseurs und Musikers Quentin Dupieux: mit skurrilem Bild- und Wortwitz schildert Dupieux die Unternehmungen Dolph Springers, seinen Hund Paul wiederzufinden. Buñuel lässt grüßen.

„Cinemania“ (2002, gebraucht auf DVD) Angela Christliebs erheiterndes und zuweilen staunenerregendes Porträt über fünf filmsüchtige Menschen in New York City, für die das Kino gleichzeitig Lebensinhalt und Vollzeitjob ist.

„Bei Anruf Mord“ (1954, ausleihbar auf Amazon Prime, Maxdome u.a. ab 3.99 Euro): Alfred Hitchcocks erster Film mit Grace Kelly und eines seiner wenigen Kammerspiele: das Publikum ist eingeweiht und verfolgt mit Herzklopfen die Ermittlungsarbeit des Kommissars. Suspense pur!

Für „Das Leben ist schön“ bekam Roberto Benigni 1999 mehrere Oscars.
Für „Das Leben ist schön“ bekam Roberto Benigni 1999 mehrere Oscars. © picture alliance

Jakob Rademacher, Betreiber des Magazin Kinos

„Ist das Leben nicht schön?“ (1946, im Stream bei Amazon Prime): Beim weihnachtlichen Faulenzen auf der Couch habe ich gesehen, dass dieser jetzt bei Amazon Prime verfügbar ist. Ist zwar nicht unsere 14 Uhr-Vorstellung an Heiligabend, aber einmal im Jahr muss der Film schon sein.

„Die üblichen Verdächtigen“ (1995, ausleihbar bei Sky, Rakuten TV ab 2,99 Euro): Eigentlich fast immer der Film der Wahl, wenn einem sonst nichts einfällt und man etwas Spannendes gucken möchte.

Entweder etwas von Woody Allen, z.B. „Schmalspurganoven“ und „Midnight in Paris“ (2011, ausleihbar bei Amazon Prime, Maxdome u.a. ab 2,99 Euro) oder „Cinema Paradiso“ (1988, DVD ab 10 Euro), um in der Kategorie des Kinobetreibers zu bleiben. Bei Woody Allen kann man einfach wunderbar abschalten. (bei „Midnight in Paris“ schlafe ich regelmäßig ein, was absolut keine negative Kritik an diesem Film ist.)

Rita Flebbe, Astor Film Lounge Programmmacherin

„Das Leben ist schön“ (1997, ausleihbar bei Amazon Prime, Maxdome u.a. ab 2,99 Euro): Ein etwas anderer Film über den Nationalsozialismus, der zutiefst berührt und ohne dramatische Gewaltszenen auskommt.

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„Systemsprenger“ (2019, im Stream bei Netflix): Besser als in diesem Film kann man eine verletzte Kinderseele nicht darstellen.

„Aus dem Nichts“ (2017, ausleihbar Amazon Prime, Maxdome u.a. ab 3,99 Euro): Ein sehr spannendes Rachedrama mit rechtsextremistischem Hintergrund von Fatih Akin. Diane Kruger in der Hauptrolle spielt so intensiv, dass ihr Schmerz für den Zuschauer spürbar wird.

Poetisch: der Animationsfilm „Chihiros Reise ins Zauberland“.
Poetisch: der Animationsfilm „Chihiros Reise ins Zauberland“. © picture alliance/united archives

Felix Grassmann, Abaton Kino

„Die Dinge des Lebens“ (1970, DVD ab 9 Euro) von Claude Sautet. Die schönste Liebesgeschichte des französischen Kinos mit Romy Schneider und Michel Piccoli.

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„Deadlock“ (1970, im Stream bei Amazon Prime) von Roland Klick. Eine grandiose Gangstergeschichte, verpackt als zeitgenössischer Western mit Marquard Bohm und Mario Adorf.

„Andrei Rubljow“ (1966, DVD ab 12 Euro) von Andrei Tarkowski. Ein monumentaler bildgewaltiger Film über Kunst und Religion vom wichtigsten Regisseur des sowjetischen Kinos Andrei Tarkowski.

Helge Albers, Chef der Filmförderung

„Pather Panchali“ (1955, gebraucht auf DVD) von Satyatjit Ray ist der erste Teil der „Apu-Trilogie“, einem der Meisterwerke des indischen Kinos. Mit einem völlig eigenen Blick schafft es Ray an der Grenzfläche zwischen Kino und Poesie das Erwachsenwerden des Helden Apu zu erzählen und ist dabei berührend ohne sentimental zu sein.

„Chihiros Reise ins Zauberland” (2001, im Stream bei Netflix) von Hayao Miyazaki ist kein Geheimtipp, aber trotzdem unübertroffen wenn es um Animationsfilme geht. Animationsfilme stehen ja oft im Verdacht nur für Kinder interessant zu sein. Dieser Film beweist das Gegenteil. Ideenreichtum, Fantasie und ein herausragender Stil machen ihn zu Recht zu einem Klassiker des Genres.

„Der letzte Zug - Last Train Home“ (2010, Import-DVD ab 21 Euro) von Lixin Fan ist ein wirklich großartiger Dokumentarfilm. Immer zum chinesischen Neujahrsfest reisen dort mehrere Millionen Wanderarbeiter in ihre Heimatorte zurück. Die epische Größe dieser jährlichen Migrationsbewegung wird von der intimen Geschichte einer Familie kontrastiert. Ein visuell und emotional absolut herausragender und berührender Film.

Für Kinofreunde unverzichtbar: Der zauberhafte Film „Cinema Paradiso“ von 1988.
Für Kinofreunde unverzichtbar: Der zauberhafte Film „Cinema Paradiso“ von 1988.

Arndt Eggers, ehemaliger Betreiber des Magazin Kinos

Als Fan von Italo-Western: „Mercenario - Der Gefürchtete“ (1968, auf DVD/Blu-ray ab 12 Euro) von Sergio Corbucci. Das ist ein Revolutionswestern in Mexiko um 1910 mit Humor, viel Dynamit und grandiosen Duellszenen. Gute Unterhaltung ohne den so oft vorhandenen, politischen Zeigefinger.

Als Freund des jüdischen Humors: „Sein oder Nichtsein - Heil Hamlet!“ (1942, im Stream auf Sky) von Ernst Lubitsch, womit der Unterhaltungswert schon vorgegeben ist. Mit dabei sind Carole Lombard, Jack Benny und der großartigen Hamburger Jung Sig Ruman (Siegfried Rumann) als Gruppenführer Ehrhardt. Im Warschauer Ghetto probt eine Theatertruppe Shakespeares Hamlet und schließt sich dem Widerstand an. Von Slapstik, Wortwitz und jüdischem Humor ist alles reichlich vorhanden und höchst unterhaltsam.

Als leidenschaftlicher Kinomacher: „Die kleinste Schau der Welt“ (1957, DVD/Blu-ray ab 15 Euro) von Basil Darden. Die großartigen Protagonisten: Margaret Rutherford, Peter Sellers, Bernard Miles. Ein junges Paar erbt von unbekanntem Onkel ein heruntergekommenes Kino in einer englischen Industriestadt. Zunächst entsetzt, versuchen sie dann doch mit dem skurrilen Personal den Laden wieder in Betrieb zu bringen. So oder ähnlich haben wir in der Mitte der 70er doch auch alle angefangen. Als ich den Film zum 40. Jubiläum des Magazin gezeigt habe, hatten einige Kinobetreiber Tränen in den Augen.

Lisa Blumenberg, Produzentin von „Bad Banks“

„A Foreign Affair - Eine auswärtige Affäre“ (1948, DVD/Blu-ray ab 11 Euro): Mein Favorit von Billy Wilder. Spielt in den Ruinen von Berlin, ist aber sehr lustig! Ein Highlight, wenn Marlene Dietrich zur Klavierbegleitung von Friedrich Hollaender singt: „In den Ruinen von Berlin fangen die Blumen wieder an zu blühen...“. In dem Sinne setzen wir auf den Frühling!

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„Geister“ (1994, im Stream bei Amazon Prime): Lars von Triers legendäre Krankenhaus-/Horrorserie. Hat mich damals absolut fasziniert. Mal schauen, wie sie heute wirkt, nach dem ganzen Serienboom der letzten Jahre...

„Strange Days“ (1995, DVD/Blu-ray ab 9 Euro): Kathryn Bigelows für mich unvergesslicher Science Fiction Thriller. Erlebnisse von Menschen werden digital gespeichert und als süchtig machende Drogen auf dem Schwarzmarkt gedealt. Spannend. Große Action. Immer noch cool und innovativ!

Nua und Nick Jansen, u.a. Koralle, Blankeneser, Studio

„Parasite“ (2019, im Stream bei Amazon Prime) von Bong Joon-ho ist einfach der beste Film des letzten Jahrzehnts. Ein Film der alles hat. Humor, Drama, Gesellschaftskritik, Wechsel der Sympathien. Zudem ein Film den man quasi riechen kann. Um die Stimmung des Films vollständig einzufangen, bitte im Original mit Untertiteln schauen, auch wenn die koreanische Sprache anfangs befremdlich ist.

„Hell or High Water“ (2016, im Stream bei Netflix) von David Mackenzie. Selten packt ein Film mehr und mehr je öfter man ihn guckt. „Hell or High Water“ ist genauso ein Film. Systemkritik in seiner spannendsten Form mit der großen Frage „Was ist Recht und was Gerechtigkeit?“ Zudem einer der besten Soundtracks (geschrieben von Nick Cave). Auch diesen Film unbedingt im Original schauen, in erster Linie wegen Jeff Bridges (hier empfehle ich aber Untertitel).

„In the Mood for Love“ (2000, gebraucht auf DVD) von Wong Kar-Wei. 99 Minuten pure Liebe. Kaum zu beschreiben, warum dieser Film so großartig ist. Ich glaube tatsächlich, dass jeder Mensch diesen Film unterschiedlich empfindet. Liebe und Romantik sind absolut subjektive Gefühle. Den Film selber könnte man als Inbegriff von Schönheit bezeichnen. Jedes Bild sieht wie gemalt aus.

Michael Conrad und Christan Mattern, Alabama Kino

„Die Verachtung“ (1963, im Stream bei Sky und Amazon Prime) ist der für uns schönste Film von Jean-Luc Godard, der gerade seinen neunzigsten Geburtstag feierte. Mit als Darsteller dabei ist der große deutsche Regisseur Fritz Lang, der vor den Nationalsozialisten nach Hollywood floh – auch daran sollte heute mal gedacht werden...

„Django Unchained“ (2012, im Stream bei Sky und Netflix) von Quentin Tarantino ist ein großer Western und eine Verbeugung vor dem Italo-Western und dem Blaxploitation-Genre und zudem ein Beleg, dass Filme über Rassismus in den USA nicht unbedingt von Spike Lee kommen müssen.

„Schlingensief - In das Schweigen hineinschreien“ (2020, auf DVD für 16,-) von Bettina Böhler: Christoph war ein Freund des Alabama-Kinos und mit seinen Darstellern und Freunden Peter Kern, Monika Treut und Dietrich Kuhlbrodt immer gerne bei uns. Eine großartige und spannende Dokumentation, die Christoph Schlingensief sehr nahe kommt.