Hamburg. Spektakulär, bunt und berührend: Der Cirque du Soleil begibt sich in der Barclays Arena noch bis zum 2. April gelungen auf das Glatteis.

Projektoren werfen blaubunte, psychedelische Muster auf die Eisfläche, Eishockeyspieler passen sich den Puck zu und befördern ihn am Torwart vorbei ins Netz. Aus den Boxen dröhnt mitreißender Pop, und von der Decke rieselt Theaterschnee. Aber es sind nicht die Hamburg Freezers, die am Donnerstag über das Eis in der Barclays Arena schlittern, das seinerzeit populäre DEL-Team wurde ja leider 2016 nach 14 Jahren vom Eigner eingestampft. Aber wehmütige Erinnerungen werden wach bei der Hamburg-Premiere der Show „Crystal“ des Cirque du Soleil, die noch bis zum 2. April in der Barclays Arena gastiert.

Seit der Gründung des Cirque du Soleil 1984 durch den kanadischen Straßenkünstler Guy Laliberté hat sich der „Sonnenzirkus“ vom Kleinbetrieb mit 80 Mitarbeitenden zu einem in seinen Hochzeiten weltumspannenden Unterhaltungskonzern mit festen Shows hauptsächlich in Las Vegas, einigen Theaterproduktionen und Tournee-Shows wie „Crystal“ entwickelt.

Cirque du Soleil: Sinnbild für moderne, aufsehenerregende Zirkusunterhaltung

Bis zu 5000 Menschen, darunter fast 1500 Artisten sorgten mit fantasievollen wie spektakulären Mischungen aus Artistik und Jonglage, Straßenkunst und Musical für Staunen. James Cameron („Avatar“) produzierte 2012 sogar den 3-D-Film „Cirque du Soleil: Worlds Away“. Hinter dem Bühnenzauber stand nicht mehr Guy Laliberté, der 2015 seine Mehrheitsanteile verkaufte, sondern internationale Konsortien aus Dubai, China, Kanada und den USA.

Aber auch für den wohl bekanntesten Zirkus der Welt sind die Zeiten in der Pandemie schwierig geworden. 44 laufende Shows mussten 2020 eingestellt werden, die Insolvenz im Juni 2020, die Entlassung von 3500 Mitarbeitenden und der Verkauf an Ex-MGM-Resorts-Chef Jim Murren und die kanadische Investorengruppe Catalyst Capital waren die Folgen.

Trotzdem ist die Marke Cirque du Soleil Sinnbild für moderne, aufsehenerregende (und immer tierfreie) Zirkusunterhaltung geblieben, die gleich acht Vorstellungen in der Barclays Arena gibt. Und „Crystal“, die insgesamt 42. Showproduktion seit 1984, ist definitiv eine der ambitioniertesten Projekte in der bald 40 Jahre langen Cirque-Geschichte. Denn zum ersten Mal begeben sich die Artistinnen und Artisten, Gaukler, Clowns und Musiker auf das Eis. Die weltmeisterlichen kanadischen und amerikanischen Eiskunstläufer Kurt Browning und Benjamin Agosto konzipierten für Creative Director Stefan Miljevic die glatten Zutaten, Premiere war 2017 in Quebec.

„Crystal“-Show: Die zweite Hälfte ist rasant und spektakulär

Und wie in Hamburg zu sehen ist, hat „Crystal“ tatsächlich einen besonderen Zauber. In einer inhaltlichen und konzeptionellen Mischung aus „Holiday On Ice“, „Die Eiskönigin“, „Alice im Wunderland“ und „Arielle die Meerjungfrau“ begleitet das Publikum die rothaarige Teenagerin Crystal (Hjordis Lee), die vor ihren mobbenden Mitschülerinnen in eine Traumwelt flieht, die sie sich mit Zettel und Stift ausdenkt. Dort bricht Crystal gewitzt und sehenswert inszeniert durch das Eis und trifft auf ihr eigenes, düstereres, aber mutiges Ich und wird bei vielen Abenteuern an die Hand genommen: Stepptanz, Stangenakrobatik, Schaukeln und Schwingleinen-Action in schwindelerregender Höhe mit freiem Fall in zupackende Hände lassen oft den Atem stocken.

Kraft und Anmut: „Crystal“ geht auf eine Abenteuerreise unter die Eisdecke.
Kraft und Anmut: „Crystal“ geht auf eine Abenteuerreise unter die Eisdecke. © Unbekannt | Matt Beard Photography

Und auch wenn die erste Hälfte der zweistündigen Show inhaltlich und artistisch einige Längen hat (ein Spaßmacher unterhält in den Umziehpausen mit zahlreichen Albereien), so ist „Crystal“ durch den glatten Untergrund doch noch abwechslungsreicher als andere Cirque-Produktionen. Die Schnelligkeit, Eleganz und Anmut, aber auch das Risiko (eine Eisläuferin landet einmal auf dem Hosenboden), das das Showelement Eis zusätzlich bietet, erschaffen neue Möglichkeiten.

Exakt abgestimmt rasen, springen und kreiseln die Eislauf-Teams über Rampen mit Vorwärts- und Rückwärtsrollen, und für Crystal geht es mal auf einer Hand ihres Laufpartners in die Höhe, mal in zwei Armen bis unter die Hallendecke. Musikalisch wird „Crystal“ unter anderem untermalt von Coverversionen von von „Beautiful Day“ (U2), „Halo“ (Beyoncé) und „Chandelier“ (Sia). Die zweite Showhälfte hat es wirklich in sich.

Cirque du Soleil: 44 Artistinnen und Artisten schlüpfen in 600 Kostüme

Nicht immer sind das Geschehen auf dem Geläuf und die teilweise abstrakten Einzelelemente der Rahmenhandlung nachvollziehbar im rasanten Wechsel der 44 Artistinnen und Artisten, die in 600 verschiedene Kostüme schlüpfen, von Eishockey-Cracks bis zu Bürohengsten. Aber auch das Sich-nur-berieseln-Lassen von Effektschnee und echten Schneebällen, das Genießen des schnellen Wechsels von ungeschicktem Slapstick zu unglaublicher Körperbeherrschung und die fantasievollen Lichtstimmungen sorgen für tolle Stimmung. Sogar im sonst ach so unterkühlten Hamburg.

Cirque Du Soleil: „Crystal“ Fr 31.3., 16.00, 20.00, Sa 1.4., 12.00 (ausverkauft), 16.00, 20.00, So 2.4., 13.00, 17.00, Barclays Arena (S Stellingen + Bus 380), Sylvesterallee 10, Karten ab 93,75 bis 121,90 im Vorverkauf; www.barclays-arena.de