Hamburg. Staatsopern-Intendant Georges Delnon inszenierte Bernhard Langs „Playing Trump“. Dabei gibt es so gut wie nichts Angenehmes.

Nicht einmal anständig den eigenen Takt halten kann dieses Stück. Ständig stolpert es über seinen eigenen Flow, rumpelnd wie eine schlimm verkratzte LP, voller Hänger und unter heftigem Rhythmus-Schluckauf leidend. Es gibt so gut wie nichts Angenehmes in dieser anstrengenden Musik, keinen vollen, satten, tragenden Klang, nur puckernde Percussion, Synthesizer-Nebelschwaden, etwas Saxophonisches als Beiwerk, eine konstant und wohl nicht zufällig nervensägende E-Gitarre.

Conférencier dieser surrealen White House Band in Smoking und mit Mützen in Trump-Rot war der auf Avantgarde spezialisierte Emilio Pomàrico, allerdings war er hier weniger konkreter Gestalter als braver Konkursverwalter.

Donald Trump als Oper: Auf wichtig geschminkte Fassade

Melodisches, Dramatisches, Emphathisches, wenigstens Gutgemeintes? Nirgendwo etwas aus dieser Abteilung zu entdecken. Alles nur plumpe, dumme, niederträchtig auf wichtig geschminkte Fassade, brüchig und durchsichtig aus dem Nötigsten zusammengeschraubt, vergeblich hoffend, dass niemand diesen Budenzauber als das erkennt, was er ist: moralischer Bankrott, zynische Machtgier und eitle Geldgeilheit.

Und spätestens an dieser Stelle muss man sich daran erinnern, wie oft man fassungslos und abgestoßen auf surreale Bilder, Töne oder Tweets gestarrt hatte, die der zum US-Präsident gewählte Donald J. Trump jahrelang ungebremst in die Welt posaunt hatte. Weil er es konnte.

Im Titel von Bernard Langs Politikkatastrophen-Vertonung „Playing Trump“ ist, ganz nebenbei, eine schöne semantische Zweideutigkeit verborgen: Einerseits hat die französische Sopranistin Donatienne Michel-Dansac diesen orangeblonden Alptraum zu verkörpern und seinen von Dieter Sperl collagierten POTUS-Phrasen eine musiktheatralische Gestalt zu geben. Andererseits orakelt die Formulierung „Playing Trump“ auch, dass er – von welcher Macht auch immer – als Spielfigur benutzt worden sein könnte. Offiziell zum König geschminkt, darunter aber ein irrer Joker.

„Playing Trump“ in Hamburg mit karger Bühnenbespielung

Aus so viel realpolitischem (Größen-)wahnsinn hätte man dramaturgisch und szenisch eine Menge herauskitzeln können. An Skrupellosen und Irren hat die Opern-Geschichte seit Jahrhunderten viel Schönes zu bieten, von Händels „Giulio Cesare“ über Wagners Wotan und Ligetis „Le Grand Macabre“ bis Reimanns „Lear“.

Doch mit der Ansage, mal eben lediglich eine „Cheap Opera“ aus Trumps Steilvorlagen zu machen, hatte sich Staatsopern-Intendant Georges Delnon in seiner Zweitfunktion als Gast-Regisseur vorab selbst viel möglichen Kreativ-Rückenwind aus den Segeln genommen. Keine großen Spielräume, kein Bühnenbild, nur eine Person, die ihre Lügen auf deutsch und englisch absondert, also bitte auch keine übergroßen Deutungserwartungen. Ist nur ein Denkanstoß, Leute.

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So blieb es bei einer ziemlich kargen Bühnenbespielung, die bei den Off-Kollegen vom Kampnagel-Sommerfestival erwartbarer und womöglich schlüssiger angesiedelt gewesen wäre als im größeren Staatsopern-Rahmen, der mit seinen Möglichkeiten ganz andere Fallhöhen und Fall-Studien anbieten könnte.

Nun gut also, „quick and dirty“ sollte es sein. Doch auch das war dieser 60-Minüter auf der Probebühne 1 nicht wirklich, und er war auch nicht knallhart böse und hart anklagend. Er blieb ziemlich unverbindlich und lauwarm, obwohl das ikonographische Zitat von Trumps trotzig inszeniertem Bibel-Gewedel vor einer Kirche in Washington, D.C. durchaus amüsant war. Doch die Idee, ansonsten mal mit einer roten Krawatte hantieren oder einen Mantel an- oder ausziehen zu lassen, ergibt auch bei einem kurzen Einakter letztlich noch keine abendfüllende Personenführung.

Michel-Dansac meistert als Trump brutal viele Tonsprünge

Langs Begleit-Band, auf der Bühne verteilt, arrangierte sich gekonnt mit dem vorgegebenen Material. Michel-Dansac blieb als Spiel-Fläche nur ein nach vorn vorgebaute Rampe. Dort brabbelte, sprechsang und kreischte sie ihre Texte heraus, beeindruckend virtuos meisterte sie die brutal vielen Tonsprünge, die Lang überall dort forderte, wo alternative Fakten dreist vor sich hin logen.

Weil zu direkt selbst hier zu plump gewesen wäre, war Michel-Dansac mit räudiger Lederjacke, abgeschnittener Jeanshose und groben Stiefeln als Punk verkleidet. Eine smarte Andeutung auf jene vermeintliche Anti-Establishment-Haltung und -Herkunft, die der Multimillionär Trump seinen Anhängern gern einmassiert. Kein blauer Anzug, keine Schmoll-Schnute zwischen zwei Sätzen, kein geföhnter Fifi auf dem Kopf, wie ihn der Trump-Parodist Alec Baldwin in „Saturday Night Live“ so würdevoll trug.

Michel-Dansac erwies sich angesichts der großen stimmlichen Herausforderungen als beeindruckend fähig und leidensfähig. Sie war es, die das Konzept des Stücks nicht nur trug, sondern letztlich auch den positiv, aber nicht euphorisch aufgenommenen Abend vor jenem schnellen Vergessen rettete, das beim 45. Präsidenten der USA inzwischen begonnen hat.

Weitere Termine: 22. / 24. / 25. August, jeweils 20 Uhr. Staatsoper, Probebühne 1. Informationen: staatsoper-hamburg.de