Hamburg. Auf dem Programm in der Hamburger Elbphilharmonie standen Werke von de Falla, Zimmermann und Ginastera. Über den Abend.

Das sogenannte Zigeunerkolorit in der klassischen Musik ist in jüngster Zeit in Misskredit geraten. Wenn anderswo Kinderbücher umgeschrieben, Gedichte übermalt und Bilder abgehängt werden, darf man dann Musik, die sich unter dem verpönten Begriff auf die Kultur einer Volksgruppe bezieht und ihn womöglich im Namen trägt, noch aufführen?

Die Zuschreibungen und Grausamkeiten westlich-kultureller Dominanz ziehen sich als Subtext durch das Programm des NDR Elbphilharmonie Orchesters vom Donnerstagabend, das am Sonntag noch zweimal im Großen Saal der Elbphilharmonie zu hören ist.

NDR-Orchester unter Führung von Carlos Miguel Prieto

Der Spanier Manuel de Falla konnte von dieser Debatte nichts ahnen, als er zwischen 1914 und 1925 an „El amor brujo“ („Der Liebeszauber“) arbeitete. De Falla stammte aus Cádiz, einem der atmosphärischsten Orte Andalusiens. In der Gegend gehörten die Traditionen der Gitanos, wie man die spanischen Roma nannte, selbstverständlich zum europäisch-arabischen kulturellen Amalgam dazu. De Falla drückte sich also gewissermaßen in seiner Muttersprache aus.

Und das ist auch im ziemlich unandalusischen Hamburg gut zu hören. Unter der Stabführung von Carlos Miguel Prieto – der ist zwar Mexikaner, hat aber immerhin spanische Wurzeln – fügt das schon wieder erfreulich üppig besetzte Orchester einen wahren Bilderbogen zu der Geschichte von der jungen Candela zusammen, die vom Gespenst ihres toten Geliebten heimgesucht wird. In der eröffnenden Trompetenfanfare meint man die „bandas“ zu hören, typisch andalusische Blechbläsergruppen. Mal rocken die Rhythmen, mal betören schleierzarte Farben das Ohr, immer aber ist diese Musik ganz bei sich, mag es im Orchester auch gelegentlich an der Feinabstimmung hapern.

Beste Unterhaltung in Hamburger Elbphilharmonie

Herzstück des Abends ist das Trompetenkonzert „Nobody knows de trouble I see“ von Bernd Alois Zimmermann, die Auseinandersetzung des Komponisten mit dem US-amerikanischen Rassismus. Håkan Hardenberger bläst den horrend anspruchsvollen Solopart mit einem erzählenden, dringlichen Gestus. Mit dem Orchester zusammen entfaltet er die komplexe Musik überaus plastisch. Etwas zupackender könnte man sich Hardenbergers Spiel schon vorstellen, und ein paar Kickser fallen auch ab. Am tiefen Eindruck, den das Stück hinterlässt, ändert das aber nichts.

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Und zum beschwingten Schluss erklingen die „Variaciones Concertante“ von Alberto Ginastera, garantiert tangofreie argentinische Musik mit jeder Menge lyrischer, virtuoser oder auch frecher Orchestersoli. Beste Unterhaltung für ein glückliches, wenn auch leider immer noch recht schütteres Publikum.

NDR Elbphilharmonie Orchester, Håkan Hardenberger So 13.6.,16.00 + 18.30